Great Skellig, dritter Besuch: Nach April 2008 und Juli 2013 zurück auf Skellig Michael (Sceilg Mhichíl), der geheimnisvollen Felseninsel zwölf Kilometer vor der Küste von Kerry. Wieder die Überfahrt mit der Shelluna von Pat Joe Murphy und Sohn Patrick aus Portmagee. Skipper Peter Mackey hat 24 Jahre lang große Fishtrawler aus Castletownbere über den Atlantik gefahren. Er steuert das blau-weiße Motorboot und seine elf Passagiere mit ruhiger Hand durch die leicht aufgewühlte See. Die Landung in Blind Man´s Cove schaukelig. Mein Interesse gilt heute dem geheimnisvollen Südgipfel.
Seit dem letzten Besuch 2013 hat sich auf Skellig Michael einiges verändert. Unweit des Anlegers ein Toiletten-Container. Die 700 Steintreppen hinauf zum Kloster aus dem 7. Jahrhundert haben an der steilsten Stelle nach Christ´s Saddle nun einen Handlauf aus Chromstahl – gegen schlotternde Beine und Schwindelgefühl. Ein Ornithologe hat die Insel mit vielen kleinen Positionsschildern gespickt, um seine Papageientaucher wieder zu finden. Der Boden wirkt trockener, strapazierter und aufgewühlter als früher. Die Papageientaucher verstecken sich in den kleinsten Ritzen.
Der wilde Ansturm der Sternenkriegs-Filmer und der Skywalker-Fans, der Portmagee in einen Rummelplatz verwandelte, ist nicht spurlos am Inselfelsen vorbei gegangen. Und doch ist wieder mehr Ruhe eingekehrt – auch in der Kolonie der Papageientaucher. Der große Ansturm der Lichtschwertträger ist abgeebbt. Inselführerin Catherine Merrigan macht seit 20 Jahren jeden Sommer Dienst auf Great Skellig. Man kennt sie in Irland als Skellig Catherine, die Hüterin der Puffins, der Papageientaucher. Sie versichert uns: Den freundlichen bunten Vögeln, die uns zum Lächeln bringen, geht es gut. Die Kolonie ist gesund, die Zahl der Paare stabil.

Der alte Leuchtturm, Ruine, außer Betrieb (Aus dem zweiten Video am Ende des Beitrags). Das untere Lighthouse ist bis heute im Betrieb (nicht im Bild)
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In den Sommermonaten besuchen täglich maximal 180 Menschen bei gutem Wetter Great Skellig. 15 Boote fahren mit Lizenz jeweils höchstens 12 Insel-Gäste hinüber. In den Gesichtern der Besucher lese ich Respekt, stille Freude, Erwartung, da und dort Angst. Gelbbehelmte Bauarbeiter gehen ihrem Insel-Job derweil ungerührt nach als wären sie auf einer Baustelle in Dublin. Oberhalb von Seal Cove im Südwesten der Insel wird hoch im Fels gearbeitet: Die Wege zu den beiden Leuchttürmen aus dem Jahr 1826 wurden gesichert, befestigt und repariert. Der untere Leuchtturm, der noch immer in Betrieb ist, soll restauriert, der obere, von dem nur noch Ruinen übrig sind, wieder aufgebaut werden. Irgendwann könnte auch dieser Teil der Insel für Besucher geöffnet werden. Die Wege zu den Leuchttürmen sind leichter zu gehen als die Pfade hinauf zur Klosteranlage.
Der Besucherdruck auf die 22 Hektar große Sandstein-Insel soll zumindest nach dem Willen der archaeologischen Inselhüter vom National Monuments Service nicht weiter steigen. Sie wollen mit Live-Kameras Bilder in das Skelligs-Besucherzentrum auf Valentia Island übertragen und dort ein möglichst authentische multimediale Skellig-Erfahrung für Besucher etablieren. Man wird sehen. Die irische Regierung hat nicht davor halt gemacht, das Weltkulturerbe für die kommerzielle Ausbeutung durch Star Wars preiszugeben.
Das rauhe Wetter zerrt und nagt unaufhörlich an den Steinhütten der Klosteranlage 180 Meter hoch über dem Atlantik. Die Ingenieure vom Office of Public Works (OPW) planen weitere Sicherungsmaßnahmen an den steinernen Mönchszellen, den Mauern und den beiden Gebetshäusern. Das Gelände ist in der Vergangenheit abgerutscht. Die Sicherung der Ruine der Michaelskirche zeugt vom Versuch, die Struktur mit Mörtel zu befestigen. Er mag gelungen sein – wenn auch nicht optisch. Das Wasser dringt zunehmend in die bienenkorbförmigen Rundzellen der Mönche ein, in denen die Sturmtaucher zum Brüten Schutz suchen.

Die Einsiedelei auf dem Südgipfel. Screenshot aus dem Video von Peter Cox (Video am Ende des Beitrags)
Mehr Stories über die Skelligs hier auf Irlandnews: KlicK
Hoch auflösende Drohnen-Videos lassen uns die Klosterinsel heute auch an den nicht öffentlich zugänglichen Orten gut studieren (siehe Video am Ende des Beitrags): die drei Bootsanleger, die steilen Steinpfade der Mönche hinauf vom Meer zum Kloster, die für die Leuchtturmbauten in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts angelegten Wege entlang von massiven Sicherungsmauern. Vor allem aber den 218 Meter hohen, abgesperrten Südgipfel.
Auf der schroffen, zerklüfteten Sandsteinklippe des Südgipfels haben augustinische Bettelmönche wohl im 9. Jahrhundert hoch oben auf drei Terrassen eine Einsiedelei (Eremitage) in den steilen Fels gebaut. An fast senkrechten Abgründen rangen wagemutige Gottesgläubige dem Felsen kleine waagerechte Enklaven für eine Klause ab. Die drei Felsterrassen werden heute als Oratorium, Garten und Außenterrasse bezeichnet. Couragierte Gottesarbeiter schufen vor zwölf Jahrhunderten mit ihren Händen buchstäblich an der luftigen Grenze zwischen Leben und Tod einen der gewagtesten sakralen Außenposten seiner Zeit. Dagegen war das Leben der zwölf Mönche und ihres Abtes im Kloster gegenüber auf dem Nordplateau ein vergleichsweise ungefährliches.
Skellig-Historiker glauben zu wissen, dass die einsame Höhenklause am Needle´s Eye das Ziel einer Pilgerschaft war. Wähnten sich die Gläubigen an den einsamsten und entlegensten Orten besonders nahe bei Gott, so verlangte der Aufstieg über den Christ´s Saddle zur Eremitage auf dem Südgipfel den Pilgern größten Mut und bergsteigerisches Können ab. Der Weg hinauf führt über eine Felswand und durch einen senkrechten Kamin und das enge Needle´s Eye zum extrem schmalen Gipfelgrat, dem Spit. In den Fels geschlagene Stufen geben Zehen und Fingern Halt, nie aber einem ganzen Fuß. Der Pilger musste auf seinem Büßergang durch das enge Needle´s Eye hindurch auf den Grat klettern und dort einen aufrecht stehenden Gipfelstein küssen. Erst dann war die mutmaßlich schwere Sünde kompensiert, war dem Sünder hoffentlich vergeben. Die Steinstele stand noch 1977 an ihrem angestammten Ort, dann verschwand sie und wurde bis heute nicht gefunden. Wahrscheinlich wurde der Stein von einem Sturm herunter gerissen und verschwand im Atlantik.
Skellig Michael ist in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht worden, immer wieder wurden neue Wege, Stufen und Kultsteine gefunden – und doch birgt die Insel weiter viele Geheimnisse und wird die meisten davon wohl nie preis geben. Im Grunde wissen wir wenig Definitives über den Felsen, der Gott- und Sinnsucher seit wohl über 2000 Jahren angezogen hat. Wer kam und lebte vor den christlichen Mönchen auf dem Felsen? Waren schon die Milesier dort und die keltischen Barden? Wann kamen die Männer des christlichen Gottes an? Liegt Skellig Michael, der Michaelsfelsen, nur zufällig auf der Michaelslinie, eine geraden Ley-Linie (dem „Schwert des Erzengels Michael“), die den magischen irischen Ort mit dem Mont Saint Michel in Frankreich, der Sacra di San Michele in Italien und schließlich dem Karmeliterkloster auf dem Berg Carmel in Israel verbindet? Was suchten und was fanden die wagemutigen Pilger auf dem schmalen Grat des Südgipfels? Vergebung? Das Leben? Den Tod? Das ewige Leben?
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Im Folgenden zwei Videos, die uns Skellig Michael sehr gut erschließen. Das erste hat der bekannte irische Fotograf Peter Cox gedreht, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Skelligs beschäftigt hat:
Das zweite Video gibt einen Einblick in die Arbeit von National Monuments Service und OPW auf dem Außenposten Skellig Michael:
Fotos: Peter Cox (Video-Screenshot Südgipfel), Eliane Zimmermann (Kloster), OPW/NMS (Leuchtturm-Screenshot); Foto der Steinstele 1976: Des Lavelle; Markus Bäuchle (8).
Empfehlung: Die Skellig-Fotos und die Landschaftsfotografie von Peter Cox
Laut OPW soll Skellig Michael nach einem Steinschlag am 13. Juni und der Schließung am selben Tag nun am Samstag, 2. Juli 2022 wieder Besucher begrüßen – sofern das Wetter mitspielt.
Vielen Dank für den umfassenden Skellig-Bericht, lieber Markus, und vor allem für die Infos zur Einsiedelei.
Ein einzelner Mönch, ein Eremit, der möglicherweise tage- oder wochenlang in der Einsiedelei verweilte, die als Ort der Abgeschiedenheit und Kontemplation dienen sollte. Ein Mönch der glaubte, Gott am besten fern menschlicher Gesellschaft dienen zu können.
Faszinierend, dass später die beiden Arten des Mönchslebens, allein und in der Gemeinschaft, dort vereint und gelebt wurden (Klosteranlage und Einsiedelei auf dem Südgipfel).
Gestern gab es nachmittags einen Steinschlag auf Skellig Michael, Touristen waren nicht mehr auf der Insel. Es gab keine Verletzten, aber die Insel wurde geschlossen, um eine vollständige Untersuchung des Ortes zu ermöglichen und Trümmer zu beseitigen. Das OPW (Office of Public Works) sagt, dass die Insel den Zugang für Besucher wieder freigibt, sobald das Gebiet für sicher erklärt wird.
Mein Skellig-Erlebnis fiel kürzlich ins Wasser bzw. wurde vom Winde (den Böen) verweht, dafür hatte ich einen schönen Abend-Blick auf die Skelligs, am Bray Head…
Oh je
Mein Mann war nach vielen Versuchen letzten Dienstag vor dem Sturm noch auf Great Skellig.
Hast du weitere Informationen zu den Schäden?
Lieben Dank
Radio Kerry meldet heute: „Paul Devane, who’s a Skellig boat operator, is hopeful the UNESCO World Heritage site will reopen possibly next week.“ Wer allerdings das bis zur Bewegungsunfähigkeit sicherheitsbewusste OPW kennt, das die Insel betreut, mag das erst mal bezweifeln.
Lieben Dank
Ich werde es weiterverfolgen.
Dir einen schönen Tag
Wow – danke Markus! Von Covid nun doch noch eingefangen und ins Bett verwiesen, genieße ich diesen Ausflug umso mehr. Vor allem, weil ich es in 18 Jahren nie hierher geschafft habe. In den letzten Jahren auch aufgrund des Hypes. Aber die Skelligs rufen mich sehr, und ich hoffe irgendwann den Sprung hin zu schaffen und es selbst zu erfahren, das Gefühl dort.
Ja, geh mal hin Ellen, Du wirst dort sicher viel Inspiration finden. Es gibt auch wieder Tickets. Fürs Erste einmal short Covid & gute Besserung.
Danke dir, es geht aufwärts. So wie die Dinge gerade liegen, hab ich aber noch länger Zeit zur Erholung, bevor man wieder hindarf. Naja. Warte ich halt weiter …
Kannst Dir Zeit lassen mit Skellig Michael, heute nachmittag stürzte ein Fels in die Tiefe. Die Insel ist bis auf Weiteres gesperrt.