Irland und vor allem Connemara sind voller Geschichten, voller Überraschungen, voller Möglichkeiten. Manchmal fällt alles zusammen. Ich möchte Euch mitnehmen nach Inishturbot und Euch eine Künstlerin vorstellen, die mit ihrer Kunst eine kleine irische Insel auf die Biennale 2023 in Venedig brachte.
Die Bucht von Eyrephort finden nur wenige. Die, die sie finden, schätzen den Strand wegen seiner geschützten Lage, die das Wasser immer ein bis zwei Grad wärmer erscheinen lässt. An einem klaren Tag kann man vom Strand aus Inisturbot sehen. Wie ein grüner Buckel erstreckt sich die kleine Insel, eine Meile lang, eine halbe Meile breit, erreichbar in einer 15-minütigen Fahrt mit dem Boot, das nur auf Bestellung übersetzt.
Inisturbot ist eine von mehreren vorgelagerten Inseln im County Galway. Weder so berühmt wie die von Touristen überlaufenen Aran Islands, noch so heilig wie die benachbarte Insel Omey hat sie doch eine lange und bewegte Geschichte, die mit der Evakuierung der Insel durch die irische Regierung im Jahr 1978 vorerst endete.
Zu diesem Zeitpunkt lebten auf Inisturbot noch sechzehn Familien am Rande des Existenzminimums. Die einst lebendige Gemeinschaft von Bauern und Fischern befand sich im rapiden Niedergang. Keiner heiratete mehr ein. In der einräumigen Schule gab es nur noch sieben Kinder. Inisturbot war tot. Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte.
Der Beginn einer Renaissance: Im Laufe eines Vierteljahrhunderts begannen die Curraghs zurückzukehren und heute finden sich überall auf der Insel Spuren neuen Lebens.
Inisturbot wurde zu einem Zufluchtsort, an dem man die Zeit anhalten und die Geheimnisse des Lebens fernab des Trubels ergründen kann. Vor allem Künstler fanden ihren Weg hierher. In der berauschenden, von Felsen durchsetzten Landschaft, vor der Kulisse der hoch aufragenden Twelve Bens, erstrahlt die Insel als eine Oase sauberer Luft und sich ständig verändernden Lichts. Dieser Ort hat etwas Magisches.
Kunst aus Müll: Die Sea Carpets von Inisturbot
Schätzungen zufolge landen zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr in den Weltmeeren. Ein Zehntel des Mülls besteht aus herrenloser Fischereiausrüstung, die entweder verloren geht oder bewusst im Meer entsorgt wird.
Auf Inisturbot gestrandet ist auch die Künstlerin, die Kreationen aus künstlerischer und ökologischer Sicht schafft, die bisher einmalig sind: Hanneke Frenkel (Foto oben) knüpft Meeresteppiche aus dem Müll, den das Meer hier an die Strände spült: Sea Carpets.
Seit fast 30 Jahren verbringen Hanneke Frenkel und ihr Mann Stefan die Sommer auf Inisturbot. Während eines längeren Aufenthalts wurde die Saat für ihr Projekt Sea Carpets gelegt. In einem Interview erinnert sich Hanneke Frenkel:
„Als Corona im März 2020 auch Irland erreichte, waren wir zufällig auf Turbot. Geplant war nur ein kurzer Aufenthalt, aber wir beschlossen, zu bleiben, da wir uns hier sicherer fühlten als zu Hause in den Niederlanden. Als ich so auf der Insel spazieren ging und mich fragte, was ich tun könnte, stieß ich auf eine große Menge schwarzer Taue, die an Land gespült wurden, und ich überlegte, ob man aus ihnen nicht etwas machen könne. Mit diesem Fund begann ich, meinen ersten Teppich zu knüpfen, nur für mich selbst, und das war der Beginn!“ (Connacht Tribune vom 08. September 2022).
Hanneke Frenkel schnitt die Seile in lose Schnüre und aus losen Schnüren entstanden Muster. Die Künstlerin ließ ihre Intuition die Arbeit machen und die Seile entschieden selbst, welche Art von Teppich sie werden wollten. Die Vielfalt der Farben und die Qualität trieben sie an, einen weiteren und noch einen weiteren zu weben – und das Ergebnis wurde ein Berg an Meeresteppichen, die ihre Liebe zum Meer und zur Insel widerspiegeln.
Das Clifden Arts Festival 2022 verhalf der Künstlerin zum Durchbruch. Das Sprichwort „Des einen Müll ist des anderen Schatz“ hatte sich in ihrer Kunstform manifestiert, Hannekes Sammlung von Sea Carpets wurde zum Hit des Festivals.
Bei diesem regionalen Ruhm sollte es nicht bleiben: Die Kuratoren des irischen Pavillons für die Architekturbiennale 2023 in Venedig wurden durch die Veranstaltung auf Hannekes Arbeit aufmerksam und luden sie ein, für Venedig einzigartige Sitzgelegenheiten ebenfalls aus Fischerseilen herzustellen. So entstanden Sea Sacks (Seesäcke), die mit dem Nebenprodukt der Arbeit an den Teppichen gefüllt werden. Die Taue, die an den Strand gespült werden, bestimmten die Farben der fertigen Stücke.
„Ich möchte Arbeiten schaffen, die Lebensfreude verbreiten und die bunte Welt feiern, die ich hier jeden Tag genieße“ sagt Hanneke Frenkel bescheiden zu ihrem großen Erfolg.
Fotos: Hanneke Frenkel
Mehr zum Thema bietet der Beitrag The Death and Resurrection of Inishturbot von Dan Casey
Kleiner Nachtrag für Interessierte:
Gerade schickt mir Hanneke die Ankündigung für eine Ausstellung (und sicher auch Verkauf) im Rahmen des „Clifden Arts Festivals 2024“
Guter Artikel, wunderschöne farbige Teppiche, tolle Idee
Liebe Gabriele
Herzlichen Dank für den Beitrag
Schön sich immer wieder mal zu hören
Liebe grüße ans old school house
Helga
Toll!
Vielen Dank für diesen Beitrag.
Nachahmenswert, was diese Frau zustande bringt.
Liebe Grüße, Kathrin