Dursey Island Cable Car: Als das Rindvieh noch Vorfahrt hatte. Foto: John Eagle

 

Die Zeiten ändern sich am Dursey Sound. Paddy Sheehan, der Mann im Foto, rechts, war eine kleine Berühmtheit: Er saß über zwei Jahrzehnte am Schalthebel für Irlands einzige Seilbahn. Diese führt nicht etwa auf einen Berg, sondern auf eine Insel: Der Dursey Cable Car, eine Kiste an zwei Stahlseilen, schwebt vom Festland am westlichen Ende der Beara Halbinsel über die gefährlichen Reißfluten des Sund von Dursey hinüber zur  Insel Dursey.  Paddy gefiel es, die Beförderungsordnung im Namen seines Dienstherren Cork County Council strikt einzuhalten: Zuerst kamen die Insulaner dran, dann deren Vieh, dann deren Habseligkeiten – und am Ende durften auch Touristen zur Insel hinüber schweben, von der die Kelten annahmen, an deren westlichen Spitze liege das Ende der Welt.

Die Seilbahn war im Jahr 1969 in Betrieb genommen worden, damit die Inselbewohner und vor allem ihr Vieh die Inselheimat zuverlässiger erreichen als über den oft unbefahrbaren wilden Sund. 15 Minuten dauert die Fahrt in der einzigartigen Kiste, und nur sechs zweibeinige Passagiere dürfen pro Fahrt mit schweben.  Das hat sich bis heute nicht geändert. Vieles andere schon: Die alte Kabine wurde im Jahr 2009 gegen eine leicht verbesserte Luftschaukel ausgetauscht, und während die ausgemusterte dunkelblaue Gondel als Hühnerhaus auf Paddys Farm endete, wurden die Sicherheits-Bestimmungen an die neue, nun hellblaue Kiste, drastisch verschärft. Nichts blieb beim Alten. Die Kühe und Bullen bekamen absolutes Fahrverbot, der Tourist wurde heimlich aufgewertet.

Über die Jahre fiel die Zahl der ständigen Bewohner Durseys auf null bis fünf, je nach dem, wie man ständig interpretiert. Gleichzeitig nahm die Aktivität der Ferienhaus-Besitzer auf der Insel massiv zu. Im Jahr 2017 starb Seilbahn-Wärter Paddy Sheehan plötzlich und völlig unerwartet. Mit ihm gingen die ruhigen Zeiten am Dursey Sound dahin. Der Geheimtipp Dursey wurde in touristischen Kreisen immer bekannter. Die Besucherzahlen auf der Insel schnellten in die Höhe: von 11.500 im Jahr 2016 auf 14.000 ein Jahr später und 22.000 im Jahr 2018. Die Insel, deren Name in der Sprache der Wikinger Bulle bedeutet, wurde zum Besuchermagneten – obwohl sie keinerlei Infrastruktur hat. Es gibt noch nicht einmal eine öffentliche Toilette, geschweige denn ein Café, ein Restaurant oder ein B&B.

 


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Nur die Seilbahn bremste den anschwellenden Besucherstrom. Die Kapazität der lahmen schwebenden Kiste ist bei 24 Menschen pro Stunde erschöpft – wenn der Wind am Sound den Betrieb zulässt. Nur jeder vierte Besucher des Dursey Sound schaffte 2018 nach aktuellen Schätzungen den Ritt über die Fluten zur Insel. Im Zeitalter des neuen Irischen Massentourismus soll sich das nun alles ändern. In zwei bis drei Jahren wollen die Tourismus-Manager im Südwesten Irlands eine neue Seilbahn mit zwei Kabinen in Betrieb nehmen. Sie soll dann 60 Besucher pro Stunde auf die Insel bringen, wo ein Café mit Toiletten, und Touri-Info, sowie ein Besucherzentrum auf dem Festland entstehen soll. Große Pläne: 80.000 Besucher sollen demnächst schon auf die Insel fahren. 7,2 Millionen Euro sollen fließen, um Dursey Island zu einem ganz normalen, entmystifizierten touristischen Abklapper-Ziel zu machen.

Die Planungen laufen, die Förderanträge sind gestellt, die Einsprüche werden formuliert: Die Menschen am Dursey Sound sind besorgt. Welche Konsequenzen wird die Öffnung der Insel dem Festland bescheren? Werden die Straßen breit und nur für das Auto gerecht ausgebaut, oder wird in den Sommern künftig der Stau der Wohnmobile das Leben der Einheimischen noch mehr beeinträchtigen als bisher schon? Werden die neuen Besucher eine Weile bleiben und Geld in der lokalen Wirtschaft ausgeben? Werden die Dörfer der Gegend vom künftigen Ansturm profitieren, oder bekommen sie nur zusätzlichen Lärm, Abgase, Müll und Unruhe ab? Wir werden sehen.

 

Dursey Island und der Dursey Sound mit Seilbahn im März 2019

 

Das Titel-Foto hat der unvergessene Beara-Fotograf John Eagle gemacht. John wurde vor allem durch seine Fotografien von Irlands Leuchttürmen über die Region hinaus bekannt. John starb im vergangenen Jahr und hinterlässt ein reiches fotografisches Werk, das auch das Leben auf der Beara Peninsula in den vergangenen Jahrzehnten detailliert dokumentiert. Foto unten: Markus Bäuchle 2019