Einfach weiter so. Die Wahlen vom vergangenen Wochenende hatten zumindest in Irland auch eine gute Seite: Die braune Flut haben sich die Bewohner der grünen Insel sowohl für Europa als auch lokal erspart. Nur zwei Kandidaten von den harten neuen Rechtsparteien, dazu eine Handvoll weit rechts gerichtete „unabhängige“ Kandidaten schafften es in die Lokalparlamente. Die Mehrheit der Irinnen und Iren flüchtete sich beim Kreuzchenmachen ins Altbekannte und ins Weiter so. Die seit bald hundert Jahren stets und ständig regierenden Zentrumsparteien Fianna Fail und Fine Gael machten erneut das Rennen. Die Linksnationalisten von Sinn Fein wurden abgestraft, die Grünen fast zerrieben. Man möchte meinen, dass es im grünen Irland einfach keine Umwelt-Probleme gibt, derer sich eine grüne Partei annehmen müsste. Doch weit gefehlt: In Irland ist die Natur entgegen allem Anschein stärker beschädigt als in jedem anderen Land Europas. Wer feststellt, dass Irland eines der natur-feindlichsten Länder der Erde ist, hat Recht.
Touristen verwechseln die saftig grünen Wiesen gerne mit schöner Natur. Dabei sind diese leuchtenden Agrarwüsten Teil des Problems und nicht der Lösung: Die Wiesen und Weiden sind hoffnungslos überdüngt mit natürlichem und mit künstlichem Dünger. Die Heimat von Kerrygold gilt als das meist überdüngte Land in der EU. Jauche, Phosphor und Nitrate verseuchen erst den Boden, dann Bäche, Flüsse, Seen – und schließlich das Meer. Politiker halten Sonntagsreden, die Agrarindustriellen und ihre Lobbyisten – Bauern möchte man sie gar nicht mehr nennen – wiegeln ab: Sie doch nicht. Noch immer fehlen in einem der reichsten Länder der Erde in vielen Orten grundlegende zivilisatorische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts: Kläranlagen. Unser Dorf Glengarriff gehört dazu. Freie Fahrt für die Gülle. Viel Spaß beim Baden im Meer.
Die Zerstörung geht munter weiter – und niemanden scheint es zu kümmern
Anfang der Woche kam der neue Wasser-Zustandsbericht der irischen Umweltbehörde EPA¹ heraus. Der Tenor: Alle wissen seit vielen Jahren Bescheid, die Gewässer sind hoch belastet, voller Algen und arm an Sauerstoff. Doch verbessert hat sich nichts. Der politische Wille fehlt. Die Qualität der irischen Bäche, Flüsse und Seen ist und bleibt schlecht. Vor einigen Tagen fuhr ich über den Healy Pass von Cork nach Kerry. Der Blick von der Passhöhe hinunter auf den Glanmore Lake ist an schönen Tagen einer der besten auf der Insel. Das Wetter stimmte, doch der Anblick des Sees stimmte mich diesmal tief traurig: Braune Algenteppiche nehmen nun einen erheblichen Teil der Seefläche ein. Sie haben sich im Lauf der Jahre langsam vom Südufer ausgebreitet, Jahr für Jahr ein Stück mehr. Nun kippt der See, das Leben in ihm stirbt – und niemanden scheint es zu kümmern.
Es macht einen Unterschied, ob man die Zerstörung mit eigenen Augen sehen muss, oder ob man nur um sie weiß: Irland ist auf der globalen Biodiversitäts-Skala, die den Zustand der Natur ganz gut ausdrückt, auf Platz 13 von 240 untersuchten Ländern. Platz 13 – leider von unten (hier nachzulesen). Eine Zahl. Die Wiesen leuchten grün, der Rhododendron lila. Zwei Drittel aller Vögel in Irland sind vom Aussterben bedroht. Vögel, die es kaum mehr gibt, kann man nicht sehen. Nur die unheimliche Stille an vielen Orten, das Fehlen des Vogelgesangs, könnte uns, wenn wir noch einigermaßen wach sind, irritieren. Der Meeresspiegel an den Küsten Irlands steigt schneller als andernorts auf der Welt. Doch weil nicht die halbe Insel ständig unter Wasser steht, dringt die Botschaft nicht durch: Die Klimaschutzpolitik der irischen Regierung hat den Namen nicht verdient, sie hinkt den Zielen weit hinterher. Macht ja nichts. Irland ist doch nur ein ganz kleines Land. Sollen doch erst mal die Chinesen oder die Araber in die Gänge kommen. In Dublin ist man derweil damit beschäftigt, mehr Wachstum zu propagieren und den Agrarindustriellen nicht weh zu tun.
Vielleicht sollten wir die Abgeordneten des irischen Parlaments und die Regierung zu einem Sommerfest in Kerry einladen und ihnen ein ätzendes Bad im Glanmore Lake gönnen . . .
Foto: Clemens Mader
¹ Aktueller Bericht über den Zustand der irischen Gewässer: KlicK
Was sind die Chancen dieses Sees ? Möglicherweise kann man die Algen herausfischen und an eine Futtermittelfabrik verkaufen, oder seinen eigenen Garten damit düngen, trocknen und an Grüne als Superfood verkaufen, seine Fischzucht damit aufpäppeln, seine Legehennen füttern…seid sicher… FÜR IRGENDWAS SIND DIESE ALGEN GUT !
Das Geld,was man damit verdient kann man natürlich in Schokolade oder eine Flugreise investieren, oder in ein schönes kleines, eigenes UMWELTPROJEKT !
Man muss nur denjenigen, dem der See gehört, fragen, was er einem dafür gibt, daß man seinen See sauber macht ! Dann schickt man das Zeug ins Labor und legt seine Strategie fest, was zu tun ist. LG Anja
In komplexen Systemen stellt sich nach einen Veränderungsimpuls irgendwann ein Gleichgewicht ein. Das gilt erfahrungsgemäß auch für einen solchen See. Das dieses Gleichgewicht den Menschen nicht immer gefällt, stört die Natur herzlich wenig. Der Mensch ist leider nicht sehr Erfolgreich komplexe Systeme in seinem Sinne zu verändern. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass Menschen doch unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was richtig ist und wie ein System wirklich funktioniert.
Nach meiner Beobachtung: je mehr der Mensch eingreift, je schlimmer wird’s.
It’s both depressing and shocking that so many people voted for the same „old reliables“ FIne Gael & Fine Fâil ! Perhaps it’s a case of the devil you know…
With so many of our young graduates leaving for Australia, New Zealand and Canada , I fear we are experiencing yet another brain drain…
Danke für den Bericht. Ja es macht sprachlos.
Hinzu kommt der nicht so gute Tierschutz.
Die fehlenden Vögel sind uns auch schon vor Jahren aufgefallen. Wie könnte ein Umdenken bewirkt werden?
Dies könnte ein Weg sein, Carola:
https://irlandnews.com/john-moriarty-irischer-philosoph-mystiker-3/
Wir sind sprachlos. 😑🙃