Michael D Higgins

Michael D Higgins: Spricht Klartext

 

Michael D Higgins ist der Steinmeier Irlands. Der irische Präsident ist politisch genauso machtlos wie der deutsche Bundespräsident. Higgins allerdings sagt immer wieder Sätze, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen und die sich von Frank-Walter Steinmeiers verschwumelten Wortwolken wohltuend abheben. Gestern abend äußerte sich Irlands Präsident in der Late Late Show, der beliebtesten Talkshow im irischen Fernsehen, über die neuen Digital-Oligarchen und über Elon Musk – ohne diesen namentlich zu nennen. Higgins nannte es “absurd, dem reichsten Menschen die Autorität über verantworungsvolle Kommunikation anzuvertrauen”.
Bereits vor Kurzem hatte Higgins den Kauf der Social Media Plattform Twitter durch Elon Musk, den reichsten Menschen der Welt, als “Manifestation eines unglaublichen und gefährlichen Narzissmus” beschrieben. Gestern abend legte er nun über die Besitzerstrukturen bei den sozialen Medien nach (zitiert nach RTÉ):

“Warum sollten diejenigen, die den größten Besitz konzentrieren können, diejenigen sein, die entscheiden, wie die Menschen in der Kommunikation miteinander umgehen? Das ist eine absurde Form der Diktatur. Man muss kein verrückter Linker sein, um das zu sehen. Es geht hier um die Demokratie”.

 

Langsam, ganz langsam geraten die westlichen Oligarchen und die Super-Reichen ins Visier der Mainstream-Medien. Angesichts der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten auch im wohlhabenden Westen und angesichts nie gekannter Staatverschuldung nimmt sich der explosionsartig wachsende Reichtum des wohlhabendsten einen Prozents, ja nur des reichsten Promilles, zunehmend  obszön, abstoßend und maßlos ungerecht aus. Angesichts eskalierender Krisen rückt nun die soziale Frage und die ins Gigantische wachsende soziale Ungleichheit in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.

 

Selbst der neoliberale SPIEGEL widmete dem Phänomen der Super-Reichen im Krisenkapitalismus eine Titelstory und fragte unter der Headline: “Die Gesetzlosen – Die feudalistische Welt der Supperreichen”, ob wir vor einem neuen Klassenkampf stehen. Der Beitrag liest sich in Teilen wie der Leitartikel einer alten Ausgabe des Vorwärts:

“Kann man in so einer Lage zulassen, dass eine abgehobene Elite von Superreichen – die vermögendsten 0,01 Prozent der Menschen – sich ungestört isoliert mit 11 Prozent des gesamten Weltvermögens? Die sich nur sorgen, wenn sie wegen des Bestellandrangs inzwischen über ein Jahr auf ihren neuen Lamborghini warten müssen. Die jammern, dass der Himmel über manchen Metropolen schon so verstopft ist, weil zu viele Helikopter herumschwirren, um ihre Insassen zu Shoppingtrips, Landhäusern oder zum Abendessen zu fliegen . . .

DER SPIEGEL Nummer 21

SPIEGEL-Titel 21

Unter hohen Immobilienpreisen und explodierenden Benzinkosten mag die Mittelschicht ächzen. Die Superreichen ächzen unter einem Mangel an Liegeplätzen. Von Monaco bis Cannes platzen die Jachthäfen trotz immer neuer Erweiterungen aus allen Nähten, die Zahl protziger Megajachten hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt.

In den Hollywood Hills kaufen sich Protagonisten der Entertainmentelite wie Kylie Jenner gleich mehrere Häuser für 40 Millionen Dollar, während unten in der Innen­stadt von Los Angeles die Obdachlosigkeit historische Höchststände erreicht. Apropos Jenner: Sie ist 24 Jahre alt, ihr neuestes Haus hat 14 Badezimmer, und manchmal weiß sie nicht, ob sie lieber den Bugatti, den Rolls Royce oder den Lamborghini aus der Garage holt. Abgeben ist dagegen nicht ganz so ihr Ding. Als ein Freund Geld für eine Operation brauchte, rief sie lieber ihre Social ­Media­ Follower zu Spenden auf, selbst gab sie gerade mal 5000 Dollar.

Unter Ökonomen und Politikern ist bereits von einer »Neo­Feuda­lisierung« die Rede: Weil in den westlichen Industrieländern und asiatischen Boomregionen die Klassengesellschaft zurückgekehrt ist, in anderer, aber ebenso irritierender Form. Den neuen Adel bildet eine kleine Schicht der Milliardäre. Darunter steht die breite Masse der Durchschnittsverdiener, deren Verdruss über stagnierende Einkommen sowie steigende Steuern, Abgaben und Preise gefährlich wächst.

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Wenn Aktien-Milliardäre wie Musk viel Geld brauchen, verkaufen sie die Anlage deswegen nicht, sondern leihen sich die benötigte Summe, mit den Aktien als Sicherheit. Denn Leihen, auch wenn es Milliarden von Dollar sind, mit denen dann neuer Reichtum geschaffen wird, gilt nicht als besteuerbares Einkommen. Und die gemachten Schulden können sie auch noch als Verluste absetzen.

Vor allem dank solcher pervertierter Steuersysteme sei die westliche Welt auf dem Weg in eine Oligarchie, sagt auch der Ökonom Gabriel Zucman. Er promovierte einst bei Thomas Piketty und lehrt heute an der Elite-Uni Berkeley in Kalifornien. Seine Forschung zur Vermögenskonzentration erregte unter Wirtschaftsexperten und Politikern viel Aufsehen. Gemeinsam mit Kollegen fand Zuc man unter anderem heraus, dass die Vermögenden fast acht Billionen Euro in Steueroasen versteckten – und damit den westlichen Industriestaaten 200 Milliarden Euro an Steuereinnahmen vorenthielten. Pro Jahr.

Zucman nennt die Reichtumskonzentration bei gleichzeitiger Steuervermeidung »das gebrochene Versprechen der Globalisierung«. Die Liberalisierung von Handel, Finanzwesen und Arbeitsmarkt habe die Gesellschaften zwar insgesamt reicher gemacht, argumentiert der Ökonom. Doch weil die Staaten zugleich ihre Steuern auf Kapital und Spitzeneinkommen gesenkt hätten, seien die Gewinne der Liberalisierung einseitig den Wohlhabenden zugutegekommen.

Das globale Steuerdumping habe den Regierungen die Mittel entzogen, mit denen sie die Verlierer der Globalisierung entschädigen könnten. Zugleich waren sie gezwungen, die Durchschnittsverdiener mit Steuern und Abgaben immer stärker zu be- lasten – um die Geschenke an die Reichen zu bezahlen.

Für Zucman liegt darin der tiefere Grund für den Verdruss der Mittel schichten in den westlichen Industriestaaten – und für das politische Programm, das er daraus ableitet. Das weltweite Steuerdumping stoppen und in den Nationalstaaten den Faktor Kapital stärker belasten.”

Was also tun, während wir darauf warten, dass die Politik ihr Primat zurück erobert und sich nicht länger zum Handlanger der neuen Oligarchen macht? Fangen wir einfach bei uns selber an: Kaufen wir nicht mehr bei Amazon, verzichten wir auf den Tesla. Füttern wir Google und Facebook nicht mehr, buchen wir nicht bei Airbnb und Booking.com, bestellen wir nicht mehr bei Lieferplattformen. Kochen wir wieder selber. Das Private, hieß es vor Jahrzehnten, sei politisch. Es ist politisch. Weitersagen.