Was können wir tun, wenn das Virus unsere Gedanken infiziert und unsere Seele belagert? Wenn ein kompliziert gewordener Alltag uns zusetzt und erschöpft? Hier sammeln wir Vorschläge für die tägliche Auszeit, die kleinen kreativen Fluchten, für unsere Auftank-Momente.

Manchmal sehne ich mich nach den weiten Wäldern im Schwarzwald meiner Jugend. Mein Vater und später der Forstdirektor Drescher hatten mich bekannt gemacht mit diesen wunderbaren Wesen, die ich schon kannte, ohne ihre Namen zu wissen: den Bäumen. Mit Weißtannen, Fichten, Eschen, mit Buchen, und Eichen, mit Eberesche und Ahorn, Weide und Birke.

Bald überlagern frische Bilder von toten Borkenkäfer-Bäumen und zerstörten Windrad-Forsten die alten behüteten Erinnerungen an eine heile Waldwelt. Irland und Generationen von Menschen auf der Insel haben es mit den Wäldern auch nicht gut gemeint. Die meisten sind verschwunden, und was heute unter der Bezeichnung Wald geführt wird, das sind überwiegend undurchdringliche, von Gräben durchfurchte, eingezäunte und unwirtliche Fichtenholzplantagen.

Und doch. Es gibt auch hier ein paar schöne Wälder, einige ganz in der Nähe, wie den alten Eichenwald von Glengarriff oder den geheimnisvollen Wald von Uragh.

Im Wald zu gehen ist Freiheit und Gesundheitspflege.

Heute: Ein Gang im alten Eichenwald

Der Wald beschützt und versorgt uns. Er gibt uns das Element, das wir am meisten zum Leben brauchen: Sauerstoff. Er gibt uns seine ätherischen Öle. Der Waldgang ist eine Herzensangelegenheit: Er beruhigt die Atmung, reguliert den Puls und verbessert den Blutdruck.

In Japan mag man im Wald baden, mir reicht es meist, im Wald zu gehen, das Rauschen der Blätter zu hören, das changierende Licht, das durch die Baumkronen fällt, zu sehen, den Duft des Waldes einzuatmen, mich dann und wann an einen Baumgenossen anzulehnen, bei ihm zu sitzen. Bäume sind gute Zuhörer, und gegen eine Umarmung haben sie rein gar nichts.

Eichenwälder sind ganz besondere Wälder. Die Eiche galt vielen Kulturen als heilig. Sie ist ein Schutzbaum, verkörpert Stärke, Weisheit, Klarheit, Wissen und Mut. Die Eiche kann uns dabei zu helfen, unser inneres Gleichgewicht wieder zu finden, verloren gegangenes (Selbst-)Bewusstsein zurück zu gewinnen und unsere Energien auszugleichen.

Der Wald ist unser Naturarzt. Er bringt unseren Hormonhaushalt in Ordnung und stärkt unser Immunsystem. Wir müssen nur regelmäßig zu ihm gehen. Gerade schrieb mir der Musiker und Waldgängerfreund Roland Kroell aus dem Hotzenwald: “Die Luft im Wald ist ein Jungbrunnen. Bei einem Waldspaziergang werden 40 Prozent mehr natürliche T-Helferzellen gebildet als andernorts, und das mit einem Sieben-Tage-Effekt. Deshalb war der Sonntagsspaziergang von früher ein kluger Gang.”  Tatsächlich hat die Wissenschaft genau dies bestätigt: Der Wald fördert die Produktion von T-Zellen in unserem Blut. Diese Killerzellen deaktivieren Viren und zerstören Krebszellen.

Wenn ich im Wald gehe, denke ich gerne einen Satz des türkischen Schriftstellers Nazim Hikmet (1902 – 1963):

“Leben einzeln und frei wie ein Baum
und brüderlich wie ein Wald,
das ist unsere Sehnsucht.”

Eine schöne Sehnsucht in diesen garstigen Zeiten. Träumen wir im Wald von den Menschen, wie sie brüderlich leben werden.


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Fotos: Markus Bäuchle