Glengarriff Irland

 

Six Feet Under: Oft habe ich Gästen erzählt, in Glengarriff müsse man sich entscheiden. Wer die schnurgerade Dorfstraße nach Norden fährt, wählt am größten Grundstück des Dorfes: rechts den Caha-Pass nach Kerry, oder links die Küstenstraße zur Beara Peninsula. Natürlich kann man auch geradeaus fahren und landet in der Friedhofsmauer oder – mit entsprechender Wucht – drei bis fünf Meter tiefer im Dorf-Friedhof.

Zur Wahrheit gehört, dass sich auch entscheidet, wer sich nicht entscheidet: Man kann einfach anhalten und sich vors Blue Loo, das Pub mit dem besten Überblick, setzen. Wenn der Lockdown irgendwann beendet sein wird, gibt es dort sogar ein Pint zum Sitzen und Schauen.

Kürzlich bin ich unten im Friedhof spazieren gegangen. Ein Gräberbesuch gilt im post-katholischen Corona-Irland noch immer als Mobilität aus triftigem Grund, die den strengen Lockdown-Regeln trotzt. Der Friedhof zeigt sich als geräumiges Tiefparterre des Dorfes, als Stockwerk über dem Knochenfeld. Hier kann man Six Feet Under quicklebendig flanieren, während das Dorf über der Stützmauer auf Schornsteine und Dachgauben, auf Firste und Giebel zusammen schrumpft.

Foto: Markus Bäuchle