Irische heilige Berge

 

Grüne Fundstücke. Was sagen Andere über Irland und die Iren? Der Autor Brian O’Sullivan beschäftigt sich mit irischer Mythologie und schreibt dazu Romane. Der Kulturforscher von der Beara Peninsula in West Cork lebt in Neuseeland. In seinem Newsletter Irish Imbas* berichtet er über eine bemerkenswerte Entscheidung in Neuseeland und fragt, ob man Ähnliches in Irland schaffen könnte: Die Regierung in Wellington hat zusammen mit lokalen Maori-Stämmen beschlossen, eine Bergregion als juristische Persönlichkeit mit eigenen Rechten anzuerkennen:

„Gestern wurde in Wellington dem Mount Taranaki eine „juristische Persönlichkeit“ zuerkannt – das heißt, ihm wurden dieselben gesetzlichen Rechte wie einer Person eingeräumt. Unter diesem Status der „juristischen Persönlichkeit“ wird Mount Taranaki (definiert als der Berg und das dazugehörige Land innerhalb des ‚Egmont National Park‘) zu einer „juristischen Person mit eigenen Rechten“, deren Rechte durch eine gemeinsame Verwaltungsorganisation vertreten und geschützt werden. Diese Organisation setzt sich aus lokalen Māori-Iwi (Stämmen) und Regierungsvertretern zusammen.

Man kann sich dies in gewisser Weise wie einen Treuhänder oder einen anderen gesetzlichen Vormund vorstellen, der die Verantwortung dafür trägt, die Rechte von jemandem zu schützen, der dies selbst nicht tun kann (z. B. die Vormunde eines verwaisten Kindes). Die Vormundschaftseinrichtung muss daher die Rechte von Mount Taranaki vor Gericht vertreten, falls jemand den Berg schädigt oder missbraucht (etwa in ökologischer oder kultureller Hinsicht). Sie hat außerdem die gesetzliche Verantwortung, den Berg in der regionalen Planung durch lokale Behörden zu vertreten, um solche Schäden hoffentlich im Vorfeld zu verhindern.

Dieser rechtliche Ansatz zum Schutz kulturell bedeutender Orte ist weltweit ziemlich einzigartig. Im Jahr 2008 verankerte Ecuador die Rechte der Natur in seiner Verfassung, nachdem jahrzehntelanger Druck durch große Bergbauunternehmen ausgeübt worden war (ein Schritt, dem Bolivien aus denselben Gründen folgte). Allerdings waren diese Bemühungen nicht erfolgreich, da keine Institution geschaffen wurde, die die Pflicht hatte, diese Rechte proaktiv zu schützen (wie es in Neuseeland der Fall ist).

Dennoch steht auch Neuseeland noch am Anfang. Die erste Zuerkennung einer „juristischen Persönlichkeit“ für ein Naturmerkmal erfolgte 2014 mit Te Urewera – der gebirgigen Region an der Grenze zwischen Hawke’s Bay und der Bay of Plenty. Im Jahr 2017 erhielt der Whanganui-Fluss diesen Status, und Taranaki ist erst das dritte geografische Merkmal, dem dies zuteil wurde.

Besonders faszinierend an dieser Sichtweise ist, dass er ein westlich definiertes Konzept/Paradigma für Eigentum und Landmanagement mit einem indigenen kulturellen Paradigma verbindet, das bedeutende Landschaftsmerkmale auf eine ganz andere Weise betrachtet – nämlich als Vorfahren und Verwandte – und die Realität anerkennt, dass Menschen und die natürliche Welt untrennbar miteinander verbunden sind.

In Taranaki beispielsweise betrachten die Māori den Berg sehr stark als personifizierte Entität/Vorfahren. Meine eigene Familie spricht oft von Taranaki als „er“ – zum Beispiel: „Er ist heute schüchtern“ (er ist von Wolken verdeckt) und so weiter. Dieser Ansatz der „juristischen Persönlichkeit“ spiegelt daher wider, dass nicht alle Menschen wie Westler denken und dass andere Kulturen (in diesem Fall die Māori) unglaublich starke Verbindungen zu ihrem Stammesgebiet haben, die berücksichtigt werden müssen.

Dieser Ansatz steht natürlich in starkem Kontrast zum dominanten rechtlichen Paradigma in den meisten westlichen Ländern, das die natürliche Welt als „Eigentum“ betrachtet, das von Menschen genutzt oder ausgebeutet werden kann. Ein Problem beim Umweltschutz in Neuseeland war bisher, dass alle Vorschriften der Welt nichts nützen, wenn korrupte Politiker bereit sind, diese Schutzmaßnahmen für kurzfristige finanzielle Vorteile ihrer Freunde oder Unterstützer rückgängig zu machen (leider eher die Regel als die Ausnahme). Die Verteilung der Verantwortung für relevante Entscheidungsprozesse auf mehrere Akteure macht es deutlich schwieriger, solche Schutzmaßnahmen außer Kraft zu setzen.

Ich habe überlegt, ob ein solcher Ansatz in Irland eingeführt werden könnte. Aber ehrlich gesagt ist Irland nach mehreren hundert Jahren Kolonisation immer noch stark von westlichen (d. h. englisch geprägten) Rechtssystemen dominiert, und die große Mehrheit der irischen Bevölkerung hat kein wirkliches Verständnis für ihre eigenen einheimischen kulturellen Überzeugungen oder Glaubenssysteme. Dennoch glaube ich, dass es möglich wäre und dass es ein guter Weg wäre. Es müssten jedoch zunächst einige wichtige Schritte unternommen und einige praktische Hindernisse beseitigt werden.“ (Übersetzung aus dem Englischen.)

Ein interessanter Ansatz, Brian O’Sullivan. Zweifellos bewegt sich etwas in Irlands kulturellen Tiefenschichten. Genau hier, im Epizentrum des scheiternden Global-Kapitalismus, auf spirituell verbrannter Erde, tut sich seit einiger Zeit Erstaunliches. Unbeachtet von den Vielen wächst in vielen kleinen Nischen ein neues Bewusstsein. Junge und ältere Menschen versuchen, sich wieder mit dem Land zu verbinden, mit ihrer alten Kultur und ihren großen Mythen. Sie fragen sich, wer sie sind und woher sie kommen. Auf der Suche nach ihrem Innenleben und nach spiritueller Geborgenheit gehen sie zurück hinter die dunklen Zeiten der katholischen Kirche und die Jahre der Leere. In Druiden- und Heckenschulen lernen sie alte und neue Rituale, um sich wieder mit dem Land zu verbinden. Hier ein ausführlicher Bericht.

 

*  Mehr von Brian O’Sullivan hier auf Substack und auf seiner Bücherseite Irish Imbas. Er hat unter anderem eine Beara-Trilogie und eine Fionn-Serie geschrieben. Brians Romane basieren auf authentischen Aspekten der irischen Mythologie. Er erforscht das Wissen, die Lebens- und Denkweisen der Vorfahren und verarbeitet sie zu gut lesbaren Geschichten. 

 

Heilige Berge Irlands

Fotos: Markus Bäuchle (Hungry Hill oben, Derrincorrin unten)

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