Leute, kauft Euch schlapp. Endlich Black Friday, das Hochamt des heiteren Konsumierens in trüben Spätnovembertagen. Seit Tagen fluten Werbemails das Postfach mit den jeweils „großartigsten Schnäppchen“ des Jahres. Meine Güte, wie vielen Firmen ich im Lauf der Jahre eine meiner Emailadressen anvertraut habe.
Ich dachte, dieser merkwürdige schwarze Freitag falle jeweils auf den Freitag nach Thanksgiving, in diesem Jahr also auf den 29. November. Nichtsda. Der Black Friday dauert mittlerweile mindestens zwei Wochen. Er muss schließlich die Konsumlücke vor Weihnachten füllen und den Handel in schwarze Zahlen katapultieren, noch bevor Coca Cola den Roten Santa auf Tournee schickt.
Shop til you drop. Der schwarze Freitag wurde in den 60-er Jahren in den USA – wo sonst – erfunden, um das Geschäft des Einzelhandels anzukurbeln. Er teilt mit dem Finanz- und Banken-Crash von 1929 bislang nichts außer dem Namen. Europa hat diesen halbseidenen Schnäppchentag dem Tech-Giganten Apple zu verdanken, der den Discount-Freitag im Jahr 2006 hier einführte, ohne ihn beim Namen zu nennen. In den frühen Zehnerjahren sprang dann die gesammelte Onlinewirtschaft auf den Profit-Steigerungszug auf und lockt seitdem Kreditkartenhalter auf dem alten Kontinent mit zunehmender Aufdringlichkeit. Aus dem Freitag wurden die Schnäppchentage, dann die schwarze Woche, und mittlerweile dauert das Spektakel einen halben Monat. Der Weg zum nächsten schwarzen Banken-Freitag führt möglicherweise über den Black November und das schwarze Schnäppchen-Quartal.
40 Prozent Rabatt auf Mondpreise
Dabei haben Wirtschaftsforscher herausgefunden, dass es mit den Rabatten nicht so weit her ist, wie die Wirtschaft uns jedes Jahr aufs neue weis machen will: 50 Prozent Nachlass und mehr? Ja schon, aber nur auf den vorher rechtzeitig erhöhten Preis. Tatsächlich liegen die Einsparungen an den schwarzen Tagen zwischen null und 20 Prozent – je nach Seriosität des Anbieters. Das haben viele Menschen natürlich längst gemerkt: In Irland glaubt nur noch ein gutes Drittel an die Ehrlichkeit der Discounts. Zwei Drittel wissen, dass sie im Zweifelsfall beschissen werden. Dennoch wollen regelmäßig über 40 Prozent der in Irland Befragten in der Black Week ein Schnäppchen an Land ziehen. Die EU-Bürokraten in Brüssel glauben derweil weiter fest an die Naivität der Konsumenten und arbeiten an einer neuen Richtlinie für korrekte Preisauszeichnung. Wer schummelt – und etwa vorab die Preise erhöht, um sie dann dramatisch zu senken, oder einfach falsche Rabatte bewirbt – soll irgendwann einmal zur Kasse gebeten werden.
40 Prozent Rabatt auf Mondpreise? Das funktioniert tatsächlich noch immer. In Deutschland oder Irland macht der Handel an den schwarzen Novembertagen um die 60 Prozent mehr Umsatz als an Durchschnittstagen. Das liegt wohl daran, dass Kaufen so viel Spaß macht, dass man damit die Löcher im eigenen Leben vorübergehend stopfen kann und dass die Gefühle kurzfristig lebendig wallen und wabern – und es liegt an der Schwäche der Konkurrenz: Die Gegenbewegung beschränkt sich bis heute auf vereinzelte Nischen-Aktionen in den USA und versteht nicht viel von Marketing. Der Kauf-nix-Tag, im Original Buy Nothing Day, der zeitgleich mit den Black Fridays statt findet, ist bislang ein erbärmlicher Flop. Es wird Zeit, dies zu ändern.
Leute, kauft einfach mal nix – und malt Euch den Rest dieses Novembers mit der eigenen Phantasie bunt. Einfach mal Zuschauen beim Endspiel des Kapitalismus. Einen schönen Kauf-nix-Freitag!
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Foto: Evans´ Shop in Bantry by Eliane Zimmermann
Leider, zum Black Friday und Cyber Monday… alle Jahre wieder… überbieten sich Händler und überhaupt Jedermann mit (meist scheinheiligen) Rabatten und Schnäppchen.
Doch es gibt hoffentlich wieder einen Gegentrend, der sich (auch bei jüngeren Menschen) durchsetzen wird. Sich mal ganz bewusst dem Kaufrausch entziehen, auch wenn Weihnachten vor der Tür steht. Es gibt ihn schon, den „Kauf-Nix-Tag“ – wird er sich als Gegenstück zum Black Friday möglicherweise etablieren? Wo sich die Leute bewusst werden über das Konsumverhalten und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Bekanntermassen sind fast alle Menschen dem Reiz des Schnäppchens verfallen. Und trotzdem hilft es immer wieder, einfach zu reflektieren: „ist das etwas, was ich wirklich brauche… oder bin ich dem Rabatt verfallen?“
Warum nicht einmal in den Familien und unter Freunden diskutieren, dass man sich dem neoliberalen Konsumzwang widersetzen könnte. Es ist ein Thema, das über das Wirtschaftssystem und Ausbeutungsstrukturen in der weltweiten Produktion und den Klimawandel aufmerksam machen sollte. Gesprächsbedarf für Jung und Alt allemal.
Und ist Weihnachten nicht einmal die Zeit gewesen, wo man Familienmitglieder und Freunde sieht, sich Zeit zum Reflektieren nimmt, was häufig im Alltag viel zu kurz kommt. Sich nicht mit Shopping beschäftigt, sondern mit Menschen und realer Kommunikation?
Lieber Markus
Ich bin ganz deiner Meinung, ich kaufe erst wenn ich wirklich etwas benötige, und das mit einer 3Jahres-Garantie, oder zum Umtausch in einem reellen Geschäft. Ich finde es als eine Belästigung, dauernd und überall, besonders im Netz damit konfrontiert zu werden. Sofort Löschen ist meine einzige Antwort.
Wunderbar beschrieben………herrlich. Da steckt soviel Wahrheit drin. Danke und eine schöne Adventszeit
Wahre Worte, die ich nur unterschreiben kann. Seit diesem Jahr nutze ich den «langen» Black Friday dazu, ihm ein Schnippchen (nicht ein Schnäppchen) zu schlagen. Ausgerechnet in Bantry stolperte ich über ein Buch mit dem Titel «DöStädning» und dem UnterTitel «The Gentle Art Of Swedish Death Cleaning». Meine Neugier war geweckt. TodesReinigung? Was sich zunächst etwas makaber liest, ist die charmante Art der Schweden, die eigenen sieben Sachen mal wieder zu entrümpeln. Die schwedische Autorin Margareta Magnusson hat sich diesem Thema beherzt angenommen. Seit diesem Jahr nutze ich den «Black Friday» als Erinnerung für meine persönliche «TodesReinigung». Davon sind in meinem Fall nicht nur materielle, sondern auch virtuelle Abos betroffen: Netflix, Spotify, Dropbox, LinkedIn und viele andere mehr. Und siehe da, einige nutze ich gar nicht mehr, obwohl ich dafür noch bezahle. Und andere künde ich (viele haben keine KündigungsFristen mehr), um sie mit günstigeren Angeboten wiederzubeleben. Mein Black Friday enthält dieses Jahr fast drei volle AbfallSäcke, die zur Wohnung «rauswanderten», eine bescheidene BudgetEntlastung fürs nächste Jahr und mehr ZeitFenster für mich und meine Liebsten. Das nenn ich mal befreiendes «DöStädning». Es lebe «BlackFriday» – aber eben mal andersrum.
Ja, alle Jahre wieder… Mir geht das so auf den Zeiger. Ich lösche schon seit Tagen alles im Postfach sobald ich nur „Black Friday“ lese und schau gar nicht mehr von wem die Mail kommt. Ich bin zum Glück ohnehin nicht so anfällig für Werbung. Wenn ich was brauche kauf ich es, das wars.
Schon mal besinnliche Feiertage und ein erfolgreiches 2025!
Gruss von der Westküste
Markus
Lieber Markus,
mir geht es genauso wie Dir.
Black Friday interessiert mich nicht die Bohne und wird gelöscht.
Ich frage mich sowieso wer das alles kaufen soll, denn viele haben doch kaum noch Geld übrig.
Ich spüre diesen Wandel auch in meinem Beruf, der Gartenfotografie. Abonnenten und Leser brechen den Verlagen reihenweise weg. Denn gespart wird an Dingen die nicht unbedingt notwendig sind, dazu gehören leider auch Gartenzeitschriften und Gartenbücher.
Wie die gedruckte Welt wohl in 20 Jahren aussehen wird? Wird es dann noch Menschen geben die Bücher lesen, die Haptik von Papier und den Geruch von Drückerschwärze zu schätzen wissen?
Das omnipräsente Wort SPAREN äussert sich häufig in Kleinigkeiten, das Leben wird bescheidener und härter, man lebt auf Sparflamme. Während die Weihnachtsbeleuchtung in den Vorgärten meiner Strasse früher der des Rockefeller Centers in New York glich, so flackern nun ein paar einsame Lichterketten in kalter Winternacht. Irgendwie traurig.
ich hoffe bei Euch in Irland ist es weniger trist und wünsche Dir und Sabine eine entspannte Weihnachtszeit und ein glückliches, neues Jahr. Der Besuch bei Euch letztes Jahr in Ennis wird mir unvergessen bleiben.
Den genialen Machern von irlandnews und allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ebenfalls eine schöne Weihnachtszeit und gute Nerven für das kommende Jahr.
Viele Grüße aus dem Ruhrgebiet
Elke