Liss Ard

Der neue Immobilien-Goldrausch: Das Liss Ard Estate geht für 3,5 Millionen Euro an US-Investoren

 

Heute morgen gab es drei interessante Nachrichten: Die irische Regierung will den strengen dritten Lockdown (Stufe 5 aus 5) bis zum 5. März verlängern. Erst mal. Sie will jetzt auch ernst machen mit den vielen Regeln. Aus Richtlinien und Empfehlungen sollen Verbote und Gebote werden, deren Nichteinhaltung teuer und unangenehm werden soll. Reisen soll eng begrenzt, die Ferienreise komplett unterbunden, das Leben auf das 5-Kilometer-Freigehege streng begrenzt werden. Nicht viel Neues also von einer Regierung, die mit leichtfertigen Öffnungen im Dezember den Schutz der eigenen Bevölkerung auf Spiel gesetzt hat und nun dem schnellen Virus und seinen neuen Spielarten atemlos hinterher hechelt.

Die dritte interessante Nachricht: Das Liss Ard Estate bei Skíbbereen wechselt den Besitzer. US-amerikanische Investoren haben das viktorianische Anwesen auf 163 Acres Land für geschätzte 3,5 Millionen Euro gekauft. Die Schweizer Familie Stern hat nach vielen Anläufen in 25 Jahren, aus dem Haus ein profitables Unternehmen zu machen, wohl das Handtuch geworfen und verkaufte den Landsitz an die amerikanischen Immobilienspekulanten St. Dominic Properties. Der Landsitz wurde zuletzt in Form eines Boutique-Hotels mit Restaurant umgetrieben. (Die Story über die illustre Geschichte von Liss Ard lesen Sie hier).

Liss Ard ist nur die jüngste in einer aktuellen Reihe von Verkaufs-Stories in Irlands Südwesten. Der Immobilienmarkt hier boomt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es herrscht Goldgräberstimmung in West Cork und Kerry – am neuen Goldrausch beteiligt sind vor allem Menschen, “Stiftungen” und Unternehmen mit Geld. Viel Geld. Die Region wird mit Cash geflutet, kein Steinhaufen ist vor den Investoren mehr sicher, und Anwesen, die seit Jahrzehnten im Dornröschenschlaf gelegen haben, wechseln nun die Eigentümer.

 

Alles geht weg: Vom Steinhaufen bis zur ganzen Insel

 

Die Sehnsucht nach dem Häuschen, dem Cottage oder dem Schloss auf dem Land, in der Einsamkeit unverdorbener Natur, hat sich in den Zeiten von Corona epidemisch verbreitet: Wohlhabende Anleger aus Großbritannien, aus Europa, den USA und Asien, kämpfen um die letzten Pretiosen am Atlantik. Gleichzeitig strömen Menschen aus Irlands Städten Dublin und Cork aufs Land, um sich dort niederzulassen: Home Office und die drangvolle, gefährliche Enge in den Städten bescheren dem Land eine Renaissance.

In den letzten Monaten gab es in der Region zahlreiche spektakuläre Verkäufe großer Immobilien: In der Roaringwater Bay wechselte gleich eine ganze Insel den Besitzer: Für geschätzte fünf Millionen Euro kann nun ein neuer Insulaner auf Horse Island in Träumen vom autarken und sicheren Leben in Zeiten der globalen Zerstörung schwelgen.

In Kenmare wurde kürzlich die Schloss-Replik An Culu für 4,5 Milionen Euro verkauft – eine Million pro Acre Land – Kitsch Castle mit Meerzugang und allen erdenklichen “Luxus”-Features inklusive. Putins Schwarzmeer-Protzvilla im irischen Westentaschenformat.

 

Glengarriff Castle

Glengarriff Castle: Ruine mit Meerzugang und ohne Dach. Verkauft.

 

Auch in unserem Dörfchen Glengarriff gehen die Immobilengeschäfte bestens: Ein geldsatter Nordire kaufte gerade eine notorische Bau-Ruine, noch ohne Dach, doch immerhin am Wasser: Das Ende des 18. Jahrhunderts von den Whites (einem Bruder des ersten Lord Bantry) gebaute Glengarriff Castle ging für 2,75 Millionen Euro von einem alten reichen Engländer, der die Vollendung seines neuen Traumhauses nicht mehr erlebte, an den neuen Schlossherrn über. Erben machen Cash.

Als der Celtic Tiger vor bald eineinhalb Jahrzehnten seinen letzten Atemzug aushauchte, rechneten lokale Eigentümer mit einem Verkauf des Schloss-Areals für 20 Millionen Euro. Ein Angebot über 15 Millionen schlugen sie aus und verrechneten sich gewaltig: 2014 verkauften sie für 1,6 Millionen Euro an den Engländer. Oft erzählen diese großen Landsitze eine leidvolle Geschichte, deren Spuren sich aus einer blutigen Vergangenheit bis in die Gegenwart verfolgen lassen.

Dass historisch bedeutende Gebäude für die Öffentlichkeit erhalten und unterhalten werden, ist im Immobilien-berauschten Irland nur eine billige Phantasie. Glengarriff Castle ein Bürgerpark, das Gebäude ein öffentlicher Ort für die Menschen der Gemeinde und der Region? Solche schnöden Gemeinwohl-Gedanken kommen hier erst gar nicht auf.

Der Immobilen-Rausch an Irlands Atlantik begrenzt sich im Übrigen nicht auf die großen Anwesen. Auch bescheidene Häuser und Häuschen erzielen traumhafte Erlöse: Ein altes heruntergekommendes Cottage am Meer geht leicht mal für eine Dreiviertel-Million über den Makler-Tisch. Wassernähe und Wasserblick, Privatheit und Abgeschiedenheit sind die großen Preistreiber.

Während sich die Silicon-Valley-Milliardäre angesichts der Zerstörung des Planeten, die sies elber mit verursachen,  in abgelegenste Regionen Neuseelands und perspektivisch in das Weltall absetzen, schreitet auch die Privatisierung und Hermetisierung an Irlands Atlantik voran: Eine einst offene Landschaft wird in abgeschirmte private Refugien zerstückelt. Die Touristen steuert man derweil auf deutlichst ausgeschilderten, festen Reiserouten wie den Wild Atlantic Way durchs Land.

Ein Bekannter, der lange als Gärtner und Hausverwalter in unserer Region gearbeitet hat, verabschiedete sich vor einigen Jahren zurück in die alte Heimat nach Holland, mit einem Ausblick, der mich nachdenklich machte: “Der ländliche Westen von Irland wird einmal der exklusiven Rückzugsort der Wohlhabenden sein”, orakelte er. Gegenfrage: Was wird dann aus den Einheimischen? Ganz einfach, sagte der Mann: Entweder sie schaffen es, durch Immobilien- und Land-Deals selber reich zu werden, oder sie bilden die künftige Dienstklasse: Der Farmer wird Gärtner der Reichen und der Ferienhausbesitzer, die einstige B&B-Betreiberin arbeitet als Verwalterin von deren Häusern. Handwerker und Einzelhändler profitieren.

Ist das also die Zukunft von Rural Ireland am Atlantik im Südwesten? Vielleicht. Zumindest sind wir dem Szenario schon ein ganzes Stück näher gekommen, seitdem der Holländer Irland vor bald zehn Jahren den Rücken kehrte.

 

Fotos: ez/mab