Irland: Update auf Version 2.0?

Politische Beobachter aus dem Ausland waren lange schon fasziniert von den archaischen Elementen der Politik Irlands. Tribalismus, Nepotismus, die republikanisch-katholische Deutungshohheit über das gesellschaftliche Leben, die praktizierte Lokalpolitik im nationalen Parlament bei gleichzeitiger Abwesenheit von lokalen Regierungen.

Die Leistungsstärke des politischen Systems auf der Insel galt seit jeher als überschaubar – die Infrastruktur des Landes spricht Bände. Nun allerdings, in der großen, nicht enden wollenden Wirtschaftskrise, stößt es an seine ultimativen Grenzen. Das politische Personal versucht sich in Taktierereien, während politische Strategien fehlen. Das System ist, genauso wie seine gegenwärtigen Protagonisten, am Ende.

Erstaunlich nur, wie lange sich eine verbrauchte fußlahme Regierung und ihr unglücklich agierender Ministerpräsident in diesem Land im Amt halten können, obwohl genau diese Regierung die Wirtschaftskatastrophe auf der Insel selber herbeigeführt hat. Erstaunlich, wie wenig die Opposition in den vergangenen zwei Jahren daran arbeitete, das Steuer des im Dreck steckenden Karrens selber zu übernehmen. Erstaunlich auch, dass das Regime des alten Strippenziehers Bertie Ahern und dessen Nachfolgers Brian Cowen so lange ungestraft davonkommt.

Nun aber ist wohl doch Zeit für das Endspiel. Der September gilt als Schicksalmonat für die regierende Fianna Fail. Deren Chef Brian Cowen sieht sich von vielen Seiten umzingelt und die Mehrheit der Regierung im Parlament steht auf dem Spiel. Unabhängig vom aktuellen politischen Tagesgeschehen werden die Forderungen nach einer grundlegenden Erneuerung des politischen Systems in Irland lauter. Von “Irland 2.0” ist die Rede und von der “Second Republic”, der “Zweiten Republik”. Fast 95 Jahre nach dem Osteraufstand von 1916 stehen die Grundlagen und die Fundamente der Republik Irland genauso zur Disposition wie deren Wirtschaftsordnung.

Ob Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft: Irlands festgefahrene stagnierende Verhältnisse warten auf   den großen Wurf der Erneuerung. Wer zu diesem befreienden Kraftakt in der Lage sein wird, ist noch nicht zu erkennen, der Zeitpunkt für diese historische Chance wirkt indessen greifbar nahe.

PS: Eine lesenwerte Abrechnung mit “Irland 1.0” schrieb der Autor Michael O`Sullivan heute für die Irish Times.