Irland Corona

Irland zum Frühlingsanfang: Die Zahl der Kranken steigt. Geschäfte schließen. Der Euro rollt jetzt allenfalls online.

 

Irland in den Zeiten von Corona. Wir leben auf dem Land in Irlands äußerstem Südwesten, in einer Streusiedlung am westlichen Rand Europas, direkt am Atlantik. Auch in dieser einsamen, abgelegenen Gegend wird das Leben jetzt völlig vom neuartigen Coronavirus beherrscht. Wir, Eliane [e] und Markus [m], schreiben ein gemeinsames öffentliches Tagebuch über unser Leben in Irland in Zeiten von Corona. Heute schreibt Eliane . . .

 

20. März 2020, Freitag. Frühlingsanfang.

 

Irland CoronaMan kommt ja hier zu gar nixxx! Heute hatte ich mir vorgenommen, mal etwas die Stille zu genießen und nur ein paar Kleinigkeiten abzuarbeiten. Die neue Ausgabe des Magazins aromaMAMA, das ich mit einer lieben Kollegin heraus gebe, soll nächste Woche in die Druckerei, damit unsere zahlreichen Leserinnen das Frühjahres-Heft noch vor Ostern in den Händen halten können. Also nahm ich mir vor, die letzten Artikel zu redigieren und zu schreiben.

Doch dann kam es mal wieder anders. Nachdem ich in unserem Renovierungsprojekt, der The Atlantic Eco-Lodge, nur eben mal ein paar Fenster und Ecken ausmessen ging, musste ich meinen früheren Lieblings-Möbelladen von einer ganz neuen Seite kennen lernen.

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Gestern Abend schloss Ikea in Dublin seine Pforten. Auch der größte Möbel-Laden der Insel ist nun dicht. Oh Schreck! Hatte ich in unserem Buch 111 Gründe Irland zu lieben noch eine Hymne auf den Möbel-Schweden im Norden der Hauptstadt gesungen, ging mir meine erste Online-Bestellung bei selbigem gehörig auf die Nerven. Ich hatte wochenlang an einer ellenlangen Einkaufsliste bei Ikea Dublin gebastelt, diese beschloss ich gestern Abend aufgrund der Schließung des physischen blauen Ladens in einen Online-Warenkorb zu verwandeln. Doch diese Idee hatten wohl noch extrem viele andere Einrichtungsliebhaber*innen wie ich. Oder Häuser-Renovierer*innen wie ich. Die Leitungen glühten offensichtlich, die Listen, Abbildungen und Entschuldigungsfenster purzelten nur so umher, ein sorgfältiges Bestellen war ausgeschlossen. Ich beschloss zu vertagen.

So setze ich mich heute am frühen Nachmittag erneut an die Bestellung. Um wieder in Endlosschleifen zu geraten, in eine virtuelle Rushhour vom Allerfeinsten. Ich hatte den Eindruck, dass aus den großen blauen Hallen, die ich so gut kenne, inzwischen dicker Rauch aufsteigen müsste. Selbst schuld, warum muss ich mir auch vornehmen, in den “freien Tagen” Möbel aufbauen zu wollen. Es amüsiert mich aber irgendwie. dass ich diesen Gedanken nun wohl mit ganz, ganz vielen Iren und Irinnen teile. Mitleidig schrieb mir der kurbelnde und wirbelnde Einkaufskorb alle paar Minuten: “Our system seems to be a bit slow today“. Ja, das kann man wohl so sagen! Bis zum späten Abendessen war die Bestellung – nach mindestens zehn Anläufen – dann endlich akzeptiert und hoffentlich nicht aufgegeben. Der Euro rollt jetzt online. Vielleicht. “See you” am 1. April, lieber Ikea-Liefermann! {Oder auch nicht. Hoffentlich wird’s kein Aprilscherz.}

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Der Shutdown schwebt auch über uns.  Viele Menschen rechnen fest damit. Der Alltag hat sich trotz weniger vorgeschriebener Einschränkungen schon mächtig verändert. In den großen und kleinen Supermärkten sind schon oder werden in diesen Tagen Acrylglasscheiben für die Kassierer*innen eingebaut. In einer Apotheke wird man von einem Türsteher mit blauem Mundschutz einzeln herein gerufen. In der anderen Apotheke steht die Tür sperrangelweit offen, in die “Tiefe” des kleinen Ladens gelangt nur, wer am bereit stehenden Campingtischchen einen Schluck Desinfektionsmittel gründlich auf seinen Händen verreibt. In manchen noch offenen Shops wird man nur an der Tür bedient, das Personal reicht die Waren hinaus auf die Straße. Das Geld wird von Händen in Einmalhandschuhen in Empfang genommen. Bezahlen mit dem Handy macht jetzt alles einfacher.

Doch unser Schreiner kommt noch zur Baustelle, die tüchtigen vier Jungs einer Fensterfirma bauten gestern in Windeseile die restlichen Holzfenster ein (und wischten sich dann nach getaner Arbeit diskret mit Feuchttüchern die Hände sauber). Man geht zusätzliche Wege, geht sich aus dem Weg. Der Elektriker muss seine Frau mit Immunproblemen schützen, er bleibt zu Hause. Immerhin versorgt sein nicht minder tüchtiger Sohn noch einige Baustellen. Der Heizungsberater darf keine Hausbesuche mehr machen – nun ja, eventuell doch, wenn wirklich sicher gestellt wird, dass nur eine weitere Person anwesend sein wird, könne er eventuell mal vorbei schauen. Die Glaserei-Mitarbeiterin entgegnet auf den Vorschlag, kommende Woche zu telefonieren: “Wenn wir dann noch hier sind”.  Die Lage ist angespannt, die Menschen hier spüren, dass da mehr kommen wird . . .

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Die Tages-Statistik: Die Zahl der identifizierten Covid-19-Fälle stieg in der Republik Irland seit gestern um 126 auf 683. Das ist ein geringerer Anstieg als am Vortrag (plus 191), was aber keineswegs falsch gedeutet werden darf. Die Wende ist lange nicht geschafft. Die Zahl der Toten liegt weiterhin bei drei. In Nordirland sind 86 Fälle Infizierte identifiziert (plus neun). Damit gibt es Stand Freitagabend 769 bestätigte Covid-19-Fälle auf der Insel.

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Foto: Markus Bäuchle; Vignette: Eliane Zimmermann