Facebook-frei: Im Herbst des vergangenen Jahres haben wir mit Irlandnews (und mit Wanderlust und verschiedenen kleinen Firmen-Accounts) Facebook aus gesellschaft-politischen Gründen verlassen. Wir wollten die toxische Digital-Krake nicht länger unterstützen, die ihre Milliarden-Profite damit macht, dass sie Hass, Unfrieden und Zwietracht unter den Menschen sät. Während unser Schritt die Meta-Megalomanen von Facebook, Whatsapp und Instagram kein bisschen juckte, hat uns der Schritt richtig weh getan: Unsere Zugriffszahlen halbierten sich schlagartig, wir verloren über die Hälfte unserer, ich nenne Sie altmodisch nicht Nutzer, sondern Leserinnen und Leser. Man soll aber nicht zu schnell aufgeben: Die Zugriffe, die Zahl der Leserinnen und Leser, sowie die Reichweite von Irlandnews haben sich nach einigen Monaten Flaute bestens erholt und haben in diesem Herbst Allzeit-Hochs erreicht. Dafür ein großes Dankeschön an alle, die uns im freien Internet gefolgt sind!

Gute Vorsätze: Nun, da wir auf Weihnachten und das Jahresende zugehen, machen sich viele Menschen Gedanken über gute Vorsätze für das neue Jahr. Mein Vorschlag: Verabschiedet Euch von Facebook und den Konsorten der unsozialen Medien. Genießt das wirkliche Leben, holt Euch Eure Zeit und die Hohheit über Euer Leben zurück. Es geht. Man kann das Aufhören kultivieren und einfach nein sagen. Zunächst vielleicht als begrenztes Experiment für einen, zwei oder drei Monate?

Zum Black Friday hat sich das angesagte britische Kosmetik-Unternehmen Lush von Facebook und anderen sozialen Plattformen abgemeldet – und eine Rückkehr für den Fall nicht ausgeschlossen, dass diese weniger toxisch, weniger suchterzeugend und dafür viel sicherer für die Nutzer würden. Lush verabschiedete sich von mehreren Millionen Followern zunächst für die Dauer eines Jahres.

Am 1. Dezember kündigte auch die bei Irlandnews-LeserInnen bekannte Aromatherapeutin und Autorin Eliane Zimmermann ihren schrittweisen Rückzug von Facebook an. Ihren mehreren tausenden Followern schrieb sie zum Abschied:

“Facebooks neuer Name Meta spiegelt den gefährlichen Größenwahnsinn wider, und auch den Anspruch, möglichst alle Menschen noch mehr zu kontrollieren, ihre Daten, Bewegungen, Einstellungen noch mehr zu melken und zu (noch mehr) Geld zu machen. Während immer größere Teile der Menschheit hungern und keine Ausbildung für ihre Kinder zahlen können.

Nicht nur das, was du in deine Profile schreibst, lässt sich auswerten; auch mit wem du diskutierst, was du teilst und bei welchen Themen du »gefällt mir« drückst. Emojis lassen sich ganz besonders gut auslesen, damit werden Übersetzungsprogramme gespart, deine Haltung, deine Stimmung, deine Meinung wird systematisch abgegriffen. Auch wann du online bist und von wo aus. Du hast kaum Kontrolle darüber, wem FB diese Daten weiterverkauft, um dich gezielt mit Inhalten zu manipulieren.

Deine Daten von hier werden mit anderen Daten verknüpft: deinen Einkäufen, deinen smarten Glühbirnen, deinen Flugtickets, deinen Hotelbuchungen, Heizungsthermen und deinem smarten Kühlschrank. Sie werden für deine Daten riesige Summen bezahlen: Ob Arbeitgeber, Versicherungen, Banken Pharmafirmen, Sozialämter, Werbeagenturen – und viele Instanzen, an die wir heute noch gar nicht denken. Deine Daten sind das Gold dieses Jahrhunderts.”

Wir haben dasselbe Ziel: Wir wollen das freie unabhängige Internet stärken und unsere Freiheit wieder gewinnen, uns aus den Klauen der Geldmaschinen Facebook, Google und Co. befreien. Eliane Zimmermann hat Ihre vielen LeserInnen deshalb gebeten, ihre Arbeit als führende Aromatherapeutin und Aromatherapie-Lehrerin künftig wieder auf ihrer gehaltvollen und immer aktuellen Website www.aromapraxis.de zu verfolgen. Eliane wird zudem zum Jahresbeginn hier auf Irlandnews ihren zuletzt ruhenden Irland-Blog “Scents-and-Senses” reaktivieren. Er wird Farbenmeer. Elianes Irland heißen und unter www.irlandnews.com/farbenmeer-elianes-irland erreichbar sein. Dort gibt es bereits jetzt alle ihre alten Beiträge zu lesen.

Im Folgenden möchte ich den Text noch einmal zitieren, mit dem ich am Jahresende 2020 unseren Ausstieg aus Facebook (zum 30. September 2020) ausführlich begründet haben:

 


 

“Abschied vom blauen Unsozialen. Aufmerksamen LeserInnen mag es in den vergangenen Monaten aufgefallen sein: Die allgegenwärtigen blauen Social-Media-Icons sind von Irlandnews verschwunden. Wir haben Facebook nach über zehn Jahren zum 30. September 2020 verlassen und unsere verschiedenen Auftritte und Seiten dort eingestellt. Irlandnews ist jetzt garantiert facebook-frei. Was waren die Gründe für unsere Entscheidung?

Die großen Hoffnungen in die sozialen Medien haben sich nicht erfüllt. Vor allem der Facebook-Whatsapp-Instagram-Komplex erweist sich zunehmend als destruktive globale Kraft, mit der wir uns nicht weiter identifizieren wollten.

:: Facebook fördert anti-demokratische Entwicklungen.
:: Facebook zerstört das offene, freie Internet.
:: Facebook zerstört den Wert der Wahrheit.
:: Facebook macht undurchsichtige Geschäfte mit unseren persönlichen Daten.
:: Facebook manipuliert und und verändert uns im Namen des Profits Weniger.
:: Facebook wie Google lassen uns alle dafür bezahlen, damit wir im Internet überhaupt noch gesehen werden.

 


Film-Tipp

Die Dokumentation “The Social Dilemma” (Das Dilemma mit den sozialen Medien, September 2020) analysiert die zerstörerische Kraft der Social Media für Menschen und Gesellschaften in all ihren Facetten. Sehr sehenswerter Film mit tiefen Einblicken in die manipulative Welt von Facebook und Google. Leider eine Netflix-Produktion und bislang nur auf Netflix zu sehen.


 

Wir wollen das freie, vielfältige, kleinteilige Internet stärken. Wir konzentrieren uns auf unsere Websites www.irlandnews.com und www.irland-wandern.de. Hier gibt es alles und viel mehr zu lesen, was von uns bislang auch auf Facebook stand. Wir haben unsere Leserinnen und Leser, die uns überwiegend via Facebook nutzten, gebeten: “Lest bitte wieder das Original. Im ganz eigenen Interesse. Lasst Euch nicht zum ausbeutbaren Produkt machen.”

Der Aufruf hatte bislang nur begrenzte Wirkung. Viele Zeitgenossen setzen die sozialen Medien längst mit dem Internet gleich und bewegen sich ausschließlich auf dem schmalen Pfad der Bequemlichkeit und des geringsten Widerstands durch das Web. Facebook machen, WhatsApp chatten, ein bisschen Insta schauen und ab und zu googlen –  schon sind die zwei bis drei Stunden tägliche Nutzungszeit gefüllt. Von Vielfalt keine Spur mehr.

Irlandnews hat durch die Trennung von Facebook beachtlich an Traffic, Reichweite und Resonanz eingebüßt. Dabei führt am Ende kein Weg daran vorbei, dass wir die unsozialen Medien genauso in die Schranken weisen wie die anderen großen, meist US-amerikanischen Internet-Plattformen. In einem Irlandnews-Beitrag habe ich im Mai 2019, als der Konzentrations-Katalysator Corona noch weit weg war, dieses geschrieben:

Konzentration, Oligopole, Manipulation, die Bedrohung der Wahrheit und eine  sich verschärfende Ungleichheit. Statt blühender Netzwerk-Landschaften leiden wir in Europa nach einem Vierteljahrhundert Internet unter den Verklumpungen des Plattform-Kapitalismus – und Amazon ist nur der Monster-Klumpen.

Monopole und Oligopole: Zwar wurden wie früher vermutet viele Handelsstufen durch die Online-Technologie überflüssig gemacht, doch an deren Stelle schoben sich unverhofft mächtige Branchen-Monopole und Handels-Oligopole. Von A wie Amazon bis U wie Uber. Das Fatale: Der Plattform-Kapitalismus hat die bestehende Ungleichheit in der Welt noch drastisch verschärft. Wenige Big Players nehmen sich die größten und meisten Stücke des Kuchens. The winner takes it all. Auf der Strecke bleiben kleine Unternehmen, kleinere Wettbewerber, die Infrastruktur, unsere Lebensverhältnisse und unsere lokalen Gemeinschaften. Eine kleine Gruppe von Investoren und Anteilseignern streicht optimierte private Gewinne ein, die der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl entzogen werden – und die europäischen Werte gehen im Internet unter. Vor allem amerikanische Digitalkonzerne bestimmen die Realität der westlichen Welt.

:: Airbnb beeinflusst die Wohnungsmärkte weltweit negativ, erschwert es Einheimischen, preiswerten und günstig gelegenen Wohnraum zu finden.

:: Amazon zerstört den Einzelhandel und die Infrakstruktur unserer Innenstädte.

:: Booking.com beherrscht vielerorts das Hotel-Business aufgrund seiner Marktmacht.

:: Lieferdienste (auch europäische)  nehmen den Restaurants das Geschäft aus der Hand und verkleinern die Gewinn-Margen der Hersteller.

:: Uber macht aus Menschen taxifahrendes Prekariat – und befeuert das Verkehrsaufkommen in den Städten.

:: Facebook pervertiert unsere Kommunikationsbedürfnisse und macht uns zu willfährigen Produkten der globalen Werbe- und Meinungsindustrie.

:: Google bestimmt, wer im Internet gesehen wird und wer nicht. Google macht Märkte, zwingt Marktteilnehmer zu Eintrittsgebühren und macht das Internet zu einem umzäumten Raum, zu seinem eigenen Internet. Google ist keine Suchmaschine, wie viele meinen, sondern eine virtuelle Mauer mit Eingangskontrolle und Kassenhaus.

 

Das Muster des Plattform-Kapitalismus: Die Kontrolleure des Internets beherrschen die Märkte, bestimmen die Spielregeln und beeinflussen maßgeblich, wie wir leben. Sie ziehen massiv Geld aus den lokalen Märkten ab, das in den Taschen einiger weniger Investoren landet. Viele Menschen, deren Arbeitsplätze (Mac Jobs und Gig Jobs) an diesen Online-Plattformen hängen, fristen ein karges Leben, Mitarbeiter in Verpackstationen und Fahrradkuriere sind so etwas wie die Sklaven der Gegenwart.

Am Ende aber sind wir es . . .

:: die unsere Einlieger-Wohnung über Airbnb vermieten, weil das ein schönes Zusatzeinkommen bringt;

:: die bei Amazon einkaufen, weil man dort alles und zwar sofort bekommen kann;

:: die bei Booking.com unser Ferien-Domizil buchen, weil es so herrlich einfach ist und oft auch noch günstig;

:: dies sich von Deliveroo das Abendessen bringen lassen, weil wir keine Lust haben das Haus zu verlassen oder selber zu kochen;

:: die sich auf Facebook zelebrieren und bei Google suchen und indirekt kaufen – und die beiden Online-Oligopole mit Zeit, Aufmerksamkeit und Geld füttern, um gesehen zu werden.

Es liegt also an uns allen, an unseren Kaufentscheidungen und an unseren Handlungen, ob das so weiter geht. In Zeiten von und dann einmal nach Corona mehr denn je.

Die Alternative: Wir können daran arbeiten, die Selbstbestimmung und Gestaltungsmacht über unser Leben zurück zu gewinnen, unsere Gemeinden und Gemeinschaften zu schützen, wieder Verantwortung für den Ort zu übernehmen, an dem wir leben – und es nicht zuzulassen, dass dieser von anonymen Kapital- und Profitinteressen geplündert und deformiert wird.

Jeden Tag gibt es diese Entscheidungen zu treffen: Kaufe ich beim Buchhändler um die Ecke oder bei Amazon? Buche ich direkt beim Hotel, in dem ich übernachten will? Vermiete ich mein freies Zimmer wirklich an AirBnB? Benötige ich Facebook noch? Fahre ich Uber oder U-Bahn? Brauche ich wirklich Zugang zu allen Songs dieser Welt über Apple Music oder Spotify? Gehe ich ins örtliche Kino oder füttere ich Netflix mit meinen Vergnügungs-Euros?

 

Also: Wir haben es selber in der Hand. In diesem Sinne hoffe ich unverdrossen auf viele Nachahmer, die sich facebook-frei machen und Amazon, Google und Co. die Grenzen aufzeigen. Zeit zum Nachdenken, was uns künftig gut tut und was nicht, hatten die meisten von uns in diesem zu Ende gehenden Ausnahmejahr. Alles Gute für hoffentlich bessere Zeiten am Ende der Epidemie.”

 

Heute, fast ein Jahr später, müssen wir feststellen: Die Pandemie hat uns weiter im Griff, so wie Facebook jetzt als Meta das Internet im Würgegriff hält. Aber Irlandnews bleib garantiert facebook-frei. Und es gibt Hoffnung . . . 

Alles Gute!
Markus Bäuchle und
das Irlandnews-Team

 

Foto: Markus Bäuchle / Icon: Eliane Zimmermann