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In dieser kargen Landschaft in Connemara bewohnte John O’Donohue seit den 90er Jahren ein altes Cottage
Der große Fehler vieler, auch religiöser Menschen ist die Vorstellung,
dass diejenigen, die der Tod genommen hat, uns verlassen.
Sie verlassen uns nicht. Sie bleiben! Wo sind sie? In der Dunkelheit?
Oh, nein. Wir sind in der Dunkelheit. Wir sehen sie nicht, aber sie sehen uns.
Karl Rahner, deutscher Theologe (1904 – 1984)
Teil 1 der Irlandnews-Serie über John O’Donohue
:: English translation is here.
:: Hier finden Sie alle Beiträge der zehnteiligen Serie: John O’Donohue. Eine Spurensuche.
:: Einen Überblick über das literarische Werk von John O’Donohue gibt es hier.
In den ersten Tagen des Jahres denke ich oft an einen Menschen, der mich viel gelehrt hat über das Leben, die Seele, Spiritualität und Natur. Ich habe ihn nie kennen gelernt, ich las seine Bücher.
Am 1. Januar 2021 wäre John O’Donohue 65 Jahre alt geworden. Wäre er nicht vor 13 Jahren, am 3. oder 4. Januar 2008 im Alter von 52 Jahren völlig überraschend gestorben. Ich hätte ihn gerne gekannt.
John O’Donohue, Ire aus dem County Clare, war Priester und Schriftsteller, Philosoph und Dichter, Umweltaktivist, Lebenslehrer, Redner und Humanist. Mit Anam Cara (erschienen und erhältlich in deutscher Sprache bei dtv), Eternal Echoes und Divine Beauty schrieb er Welt-Bestseller. Geboren als erstes von vier Kindern einer Hausfrau und eines Farmers und Steinmetzes im felsigen Burrental Caherbeanna, blieb John zeitlebens mit der kargen Landschaft des irischen Westens tief verwurzelt. Sprachlich und inhaltlich virtuos wie kein anderer, beschrieb er diese Landschaften der Seele am Atlantik, die Natur und das Sein des Menschen in ihr.“
O’Donohue liebte die menschliche Existenz in all ihren Facetten. Sein großes Thema war, das Leben in ganzer Fülle ohne Angst zu leben. Als maximale Verfehlung des Menschseins galt ihm das ungelebte Leben. John war ein mutiger Mann, der für seine Überzeugungen einstand, der das Leben tief lebte und der sich nicht versteckte, ja, der sich zeigte, wo er anders war als soziale Zwänge und traditionelle Klischees es verlangt hätten.
In Büchern und Vorträgen rief John Leser und Publikum dazu auf, mit Mut das Leben zu leben, das man sich wünscht und das man liebt. Es sei wichtig, seine Träume nicht nur zu träumen sondern auch zu verwirklichen und so seine Bestimmung zu finden – frei von Angst und aus vollem Herzen.
John O’Donohue hätte deshalb vielleicht milde darüber gelächelt, wie er heute bevorzugt beschrieben wird und welches Bild auch Menschen, die ihm einmal nahe standen, von ihm in der Öffentlichkeit malen. Es grenzt bisweilen an Heiligenverehrung. Vor allem aber blendet dieses sorgfältig kurierte Image vom einsam und zurückgezogen lebenden spirituellen Eremiten und Philosophen-Schriftsteller wichtige Seiten der faszinierenden authentischen Persönlichkeit aus. Allzu wenig ist bekannt über den Menschen, sein Leben und Sterben.
Vor gut zwei Jahren habe ich mich auf Spurensuche begeben. Alles begann mit einem Zufall im November 2018 am Grab von John auf dem Craggagh Cemetery in Fanore, County Clare. Ich möchte in den kommenden Monaten hier auf Irlandnews einige Ergebnisse dieser Spurensuche teilen.
An dieser Stelle standen in der ersten Version dieses Beitrags zu Dokumentationszwecken einige Zitate von John O’Donohues offizieller Website (Stand 2.1.2021). Mit Email vom 21. Januar 2021 forderte mich die Direktorin des Literarischen Nachlasses von John O’Donohue, Ann Cahill, (Adresse unbekannt), neben anderen Begehren dazu auf, dieses „copyright-geschützte Material sofort zu löschen“. Ich komme diesem Wunsch nach, obwohl das Zitieren von relevanten Text-Passagen in einem neuen kreativen Kontext anerkannte und gängige journalistische und wissenschaftliche Praxis ist. Die Passagen können direkt auf der Website www.johnodonohue.com nachgelesen werden.
Statt dessen nun eine kurze Einführung in Johns Leben, mit übersetzten Zitaten aus dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag unter seinem Namen:
„John O’Donohue (1. Januar 1956 – 4. Januar 2008) war ein irischer Dichter, Autor, Priester und hegelianischer Philosoph. Er war irischer Muttersprachler und ist als Autor vor allem für die Popularisierung der keltischen Spiritualität bekannt. . .
O’Donohue wurde im Alter von 18 Jahren Novize in Maynooth, in der nördlichen Grafschaft Kildare … Am 6. Juni 1979 wurde er zum katholischen Priester geweiht. O’Donohue zog 1986 nach Tübingen, Deutschland, und schloss 1990 seine Dissertation über den deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel für seine Doktorarbeit in philosophischer Theologie an der Universität Tübingen ab. 1990 kehrte er nach Irland zurück, um seinen priesterlichen Dienst fortzusetzen…
O’Donohues erstes veröffentlichtes Werk, Anam Cara (1997), was in der irischen Sprache „Seelenfreund“ bedeutet, katapultierte ihn in ein öffentlicheres Leben als Autor, Redner und Lehrer, besonders in den Vereinigten Staaten. O’Donohue verließ das Priesteramt im Jahr 2000…
Nur zwei Tage nach seinem 52. Geburtstag und zwei Monate nach der Veröffentlichung seines letzten kompletten Werks „Benedictus: A Book of Blessings“, starb O’Donohue am 4. Januar 2008 während eines Urlaubs in der Nähe von Avignon, Frankreich, plötzlich im Schlaf. Die genaue Todesursache wurde von seiner Familie nicht bekannt gegeben. Er hinterlässt seine Partnerin Kristine Fleck, seine Mutter Josephine (Josie) O’Donohue, seine Brüder Patrick (Pat) und Peter (PJ) O’Donohue und seine Schwester Mary O’Donohue . .
O’Donohues letzter Wille wurde im Dezember 2011 vom High Court für ungültig erklärt. Das Testament hinterließ seiner Lebensgefährtin Kristine Fleck nichts. In Ermangelung eines gültigen Testaments fiel sein Nachlass an seine Mutter Josie O’Donohue.“
Soweit die Einführung in Johns Leben.
Die künftigen Beiträge beschäftigen sich mit diesen Fragen:
:: Warum und wann hängte John O’Donohue den Priesterberuf an den Nagel?
:: Welche Konflikte hatte John mit dem Bischof von Galway auszutragen?
:: Warum werden die Umstände von John O’Donohues Tod im südfranzösischen Departement Vaucluse bis heute geheim gehalten?
:: Welche Zukunftspläne hatten John und seine Partnerin um die Jahreswende 2007/2008?
:: Was ist aus John O’Donohue´s Rückzugsort, dem einsamen Cottage in Connemara geworden?
:: Wie erging es Johns deutscher Lebenspartnerin nach Johns tragischem Tod?
- English translation is here.
- Hier geht es zur Übersicht: John O’Donohue. Eine Spurensuche.
- Einen Überblick über das literarische Werk von John O’Donohue gibt es hier.
Fortsetzung folgt
* * * * *
Fotos: Markus Bäuchle; dtv (1), privat (1)
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Vielen Dank für die interessanten Recherchen. Ein faszinierender Mensch. Seine Bücher haben mich tief bewegt.
Hallo Markus, bin von deiner Seite begeistert so gut recherchiert. Ich habe Johns Buch anam Cara in einer buecherei aussortiert fuer 1 Euro nach dem Tod von meinem Ehemann gefunden, es hat mich bis heute begleitet und ich habe es sooft weiter empfohlen. Ich habe mit tiefem bedauern festgestellt, daß John so frueh von uns gegangen ist, ich haette ihn gerne einmal kennen gelernt. Ich fand seine Homepage mit dem Angebot einer Reise zu Johns Irland fuer 7 Tage fuer 3500 us Dollar. Das finde ich sehr abgeschmackt. Na ja dann werde ich mal auf eigene Faust hinfahren. Aber seine bücher werden mich weiter begleiten, zum Thema,, Träume leben,, moechte ich bald auswandern und da hilft mir,, Anam Cara,, sehr. Schoene Seite Markus, schoene Fotos von der Natur und sehr lieb ueber John recherchiert. Danke dafuer gabriele
O, sehe gerade, dass dieser Artikel noch überhaupt nicht kommentiert wurde. Markus, ich freue mich auf deine Recherchen. O`Donohue war und ist wichtig in seiner ganz eigenen Sicht auf Kultur, Spiritualität, Mensch und Natur…
LG Werner
Es freut mich sehr, daß Du mehrere Artikel über John O’Donohue veröffentlichen wirst und auf Spurensuche gegangen bist.
Ich habe mir immer gewünscht, ihm persönlich zu begegnen, da mich die Gedanken in seinen Büchern zutiefst berührt haben. Obwohl ich ihm leider nie persönlich begegnet bin, hat mich damals sein Tod tief getroffen. Wenn ich an ihn denke, was häufig der Fall ist, ist für mich immer die Frage damit verbunden, warum bzw. woran er so früh verstorben ist … viel zu früh.
„Möge ich heute den Mut haben, das Leben zu leben, das ich lieben würde, meinen Traum nicht länger aufzuschieben und endlich das zu tun, wofür ich hergekommen bin und mein Herz nicht mehr an die Angst zu verschwenden“ … in einer Zeit wie heute wichtiger denn je …
Sehr schön, die Erinnerung an den einzigartigen Dichter und Philosophen John O‘ Donohue. Danke, Markus.
Habe versucht einige seiner Segenssprüche zu vertonen – Teil1:
https://www.youtube.com/watch?v=9kD6vwlMzrY
Blessed be water
our first mother
Grüsse vom grossen Fluß, dem Rhein bei Laufenburg – 2..1.21 – Roland
Das Ewige ist nicht fern oder überhaupt nur „anderswo“. Es gibt nichts, was so nah wäre, wie das Ewige. Die Kelten haben dies mit poetischen Worten umschrieben: „Tá tír na n-òg ar chul an ti, tír álainn trina chéile „ – „Das Land der ewigen Jugend liegt hinterm Haus, ein schönes Land, das mit sich selbst fließt“..
Die ewige und die sterbliche Welt liegen nicht „nebeneinander“, sie sind vielmehr miteinander verschmolzen. Auf gälisch gibt es dafür einen schönen Ausdruck: fighte fuaighte, „ineinander und durcheinander gewoben“.
Hinter der Fassade unseres normalen Lebens formt das ewige Schicksal unsere Tage und Wege. Das Erwachen des menschlichen Geistes ist ein Heimkehren……
John O’Donohue
„Anam Cara, S. 107
Lieber Markus,
ich freue mich aufrichtig, dass Du Dich hier nun John O’Donohue hingibst und ich bin so gespannt auf jeden der nun folgenden Teile Deiner Reportage.
Sich ihm vor vielen Jahren zu nähern, war für mich ein großer Schritt in meiner Trauerarbeit nach dem Tod von Florian. Zum ersten Mal fand ich in seiner Philosophie, in seinen Worten so etwas wie Trost – wie Erklärung für das, was so völlig unerklärbar schien.
2004 hatten wir das große Glück, hier in Berlin einer Lesung beizuwohnen, die die Person O’Donohue erfahrbar machte, seine Einzigartigkeit, schon in der Sprache, faszinierte und begeisterte.
Ich las all seine Werke, seine Gedichte und sein plötzlicher Tod erschütterte sehr. Die unklaren und offenbar nicht ehrlich kommunizierten Umstände waren und sind verstörend.
Oft haben wir sein Grab in Fanore besucht – und auch hier gab es Unerklärliches, worauf ich vielleicht später noch einmal zurückkomme.
Dir, lieber Markus aber heute schon Dank und meine besten Wünsche zum Jahr 2021!
Gabi
Ganz ganz herzlichen Dank,dass Du uns wieder an John O‘Donohhue erinnerst-er war während seiner Tübinger Zeit so gegenwärtig ,mein Mann
hatte immer Kontakt zu ihm.
Auch in Irland haben wir ihn getroffen.ich liebe so sehr das Gedicht an seine
Mutter. „Für Josie“.
„Am Anfang war der Traum. Ehe irgend etwas war, mußte es geträumt werden. Jedes einzelne Ding ist der Ausdruck und die Inkarnation eines Gedankens. Wäre etwas nie gedacht worden, könnte es niemals sein. Wir sind Kinder der Träume der Erde.“
John O’Donohue gehört zu den Menschen, deren Fehlen ich als großen Verlust empfinde, obwohl ich ihm nur in seinen Büchern begegnet bin – und manchmal auch in der irischen Landschaft.