Kreuzigungsgruppe auf dem Healy Pass

Ein ganz normaler Tag in Irland. Heute morgen brachte der Kurier zwei Pakete. Der Nachbar arbeitet sich pünktlich zur Mittagszeit geräuschvoll an seinem Rasen ab. Ray, der Handwerker, ruft an, um uns für eine weitere Woche zu vertrösten. Das Übliche. Die Geschäfte sind geöffnet, die Pubs ebenso. Heute ist Stiller Freitag, Hoher Freitag, Guter Freitag. Karfreitag. Nur der selten gewordene gute Christ fastet noch einmal, schweigt und ehrt in aller Stille den Gottesknecht, der vor mehr als 2000 Jahren auf dem Jerusalemer Hügel Golgatha den Märtyrertod starb.

Das Triduum Sacrum von Karfreitag bis Ostersonntag, einst die wichtigste Feierzeit der irischen Katholiken, ist heute ein profanes langes Wochenende. Karfreitag war im Gegensatz zum Ostermontag nie gesetzlicher Feiertag, auch wenn die Schulen geschlossen bleiben. Doch für die meisten Irinnen und Iren bringt Ostern eine viertägige Auszeit.

Nichts kennzeichnet den Machtverfall der irischen Katholischen Kirche deutlicher als die Aufhebung des einst eisernen Alkoholverbots an Karfreitag und die Beseitigung der 36-stündigen Durststrecke. Die Aushöhlung begann bereits im Jahr 2010, als das Alkohol-Ausschank-Verbot für ein Rugby-Spiel in Limerick ausgesetzt wurde. Eine Gesetzesänderung im Jahr 2018 besiegelte auf Druck der Tourismus- und Freizeitindustrie das Aus für das 90 Jahre gültige Ausschank- und Verkaufsverbot am Guten Freitag.

Jetzt dominiert die Spaßgesellschaft. Unser Dorf gleicht einem Rummelplatz, die Gäste strömen ein, die Tourismus-Saison ist eröffnet. Dabei lechzen auch die Menschen auf der Insel nach spiritueller Gemeinschaft. Aber das ist ein anderes Thema. Für morgen. Vielleicht. Einen guten, stillen Freitag!

Foto: Markus Bäuchle; Kreuzigungsgruppe auf dem Healy Pass