Irish Heritiage CertificateSind wir nicht alle ein bisschen O’Bama, Che Guevara, Ronald Reagan, Muhammad Ali,  ein bisschen irisch, grünblütig, ein wenig ‘Irish at Heart’ zumindest? Irlands Regierung wirft derzeit mit der Wurst nach dem Hund. Sie ködert die geschätzt 70 Millionen Menschen mit irischen Vorfahren in aller Welt, sich auf ihre irischen Wurzeln zu besinnen und sich das grüne Wurzelgemüse auch etwas kosten zu lassen. Im kommenden Jahr findet das große Gathering auf der finanzgeschwächten Insel statt und die Irland-Werber hoffen, mit Wortgeklingel und Fördergeld die reichen Verwandten mit den dicken Geldbeuteln aus den USA über den Atlantik zu locken.

Wappen der Buckleys

Mein Familienwappen?

Zum Warmlaufen und Warmwerden mit der alten Heimat hat die Regierung schon im Herbst 2011 das “Certificate of Irish Heritage” eingeführt. Menschen, die mindestens einen Vorfahren aus Irland nachweisen können, dürfen das Abstammungs-Zertifikat der Regierung beantragen. Die Regierung bestätigt dann förmlich “die offizielle Anerkennung irischer Abstammung”. Ich habe es einmal ausprobiert, wie leicht es einem die Bürokratie in Dublin macht, diese Urkunde zu bekommen. Also, schnell auf zur Website www.heritagecertificate.ie und das Formular ausgefüllt. So geht´s:

Aus Markus wird Mark, aus Bäuchle — einem für Irland ohnedies vollkommen ungeeigneten Namen: Bjuschel, Bauckel, Boicle, nein — aus Bäuchle wird Buckley, aus Buckley die irische Form O’Buachalla. Klingt doch fast wie Bäuchle, oder nicht? Vor allem, wenn man’s schnell und unsauber ausspricht. Soweit, so gut: Die O’Buachallas, das lernt man dank Wikipedia schnell, kommen aus dem County Offaly. Ich entscheide mich für einen Ort, für den Flecken Doon, Co. Offaly, und sinniere über meinen Urgroßvater aus Doon: Könnte er nicht Paddy geheißen haben; Paddy, ja klar, und Bawn, der Weiße, mit Spitznamen: Fertig ist der Ur-Opa aus Offaly: Paddy Bawn O’Buachalla. Darf ich vorstellen: Mein selbst gebackener irischer Urahn aus dem späten 19. Jahrhundert.

So weit, so gut, Antrag abgeschickt, 40 Euro per Kreditkarte abgedrückt, und gewartet: Dann die bangen Fragen. Werden die offiziellen Abstammungs-Zertifizierer der Regierung hart nachfragen? Fordern sie mehr Informationen und Fakten? Geht Paddy Bawn seinen Weg auf die Urkunde oder wird er von den Genealogie-Bonds gestoppt? Bin ich auch bald ein bisschen O’Bama, äh O’Buachalla?

Jaaaa, ich bin’s! Keine zwei Wochen nach Antragstellung schreibt mir der Außenminister Irlands, Eamon Gilmore, na ja, er lässt seine geldbewussten Abwickler und Eintreiber von Fexco schreiben, alles im Namen der Regierung: Eine große handunterschriebene Urkunde von Eamon, ich wurde angenommen, erhört, ich bin jetzt grünblütig. Iiiiirrrrriiische Wurzeln! Sauglatt!

“Und was hast Du jetzt davon?”, fragt die nüchterne Dame auf der anderen Seite des Küchentisches? Wahlrecht, die kleinen Bürgerrechte? Die Option auf einen grünen Spielzeugpass vielleicht? Tja, nix — außer einem völlig unmaßgeblichen Stück Papier für die Wand, 40 Euro weniger in der Tasche, einer guten Geschichte und ein wenig Spaß. Reicht doch. Sláinte! Auf Mark O’Buachalla und den guten alten Paddy  Bawn aus Doon im County Offaly. Er lebe hoch!

Ach ja: Das wertlose Zertifikat gebe ich gerne zurück. Oder schicke es unter notarieller Aufsicht durch den Reißwolf. Immerhin habe ich es — zwar zu Recherche-Zwecken, aber dennoch — unter Vorspiegelung falscher Urahnen und damit zu Unrecht erworben. Die 40 Euro gehen in die Staatskasse oder in irgendwelche anderen Taschen. Schuldendienst eben. Die Banken können es gebrauchen.

Zig Millionen wurzelgläubige Amis und ein paar Millionen Ex-Iren in der pazifischen Diaspora könnten das anders sehen. Es sei ihnen gegönnt. Und der klammen irischen Regierung sowieso! Also, auf zum Gathering 2013 ihr Buckleys, O’Sullivans, ihr Murphys und O’Sheas. Die alte Heimat ruft. Und vorher unbedingt die Urkunde beantragen. Nur 40 Euro, plus VAT. Versprochen: Die ist schöner als der schönste Reisepass. Und garantiert größer.

PS :-) Es war und es ist nicht meine Absicht zum Iren zu konvertieren. Ich bleibe Dütsch. Der irische Pass kostet übrigens rund 1000 Euro pro Person. Einziger Vorteil: Nationales Wahlrecht. Eine deutsch-irische doppelte Staatsbürgerschaft ist von Seite Deutschlands seit wenigen Jahren möglich. Aber das ist ein anderes Verfahren . . . Ziel dieser Recherche war es zu zeigen, dass es sich beim “Certificate of Irish Heritage” um ein nicht ernst zu nehmendes Werbe-Instrument der irischen Regierung handelt, mit der sich auch noch ganz gut Geld machen lässt. Q.E.D.

 

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