Politischer Stillstand in Irland. Ich habe an dieser Stelle in den vergangenen Monaten kaum über die irische Politik geschrieben. Warum? Weil es nicht viel Interessantes zu berichten gab seit den Neuwahlen vor knapp einem Jahr. Die Minderheitsregierung verwaltet den Stillstand, neue Gesetze gab es kaum, die Entscheidungs- und Gestaltungskraft der politischen Führung wirkt begrenzter denn je – und im Parlament, das gestern seine Arbeit wieder aufnahm – herrscht politisches Gezänk vor, konstruktive Politik sieht anders aus.
Dabei sind die auf Irland zukommenden (beziehungsweise längst existenten) Probleme massiv: Das sehr stark mit Großbritannien verflochtene Irland starrt gebannt auf den Verlauf des Brexit, auf die Konsequenzen des Austritts der Briten aus der EU. Wie entwickeln sich die Handelsbeziehungen zum wichtigsten Wirtschaftspartner der Iren? Welche Folgen hat der Brexit für die inner-irische Grenze zwischen der Republik (EU) und Nord-Irland (wohl bald nicht mehr EU), welche für den inner-irischen Handel? Wie wird sich die Wirtschaft in der Republik entwickeln? Befürchtungen machen die Runde, dass es mit der kurzen zweijährigen ökonomischen Erholungsphase nach der langen Wirtschaftskrise bald schon vorbei sein könnte.
Ein wirtschaftlicher Sturm kündigt sich am Horizont an, das Wachstums schwächt sich bereits ab – nur die Forderungen der Gewerkschaften nach Gehalts- und Lohnerhöhungen erreichen gerade immer neue Höhen. Dazu kommt die akute politische Instabilität in Nord-Irland nach dem Kollaps der Regierung, dazu kommen die Unwägbarkeiten der künftigen Trump-Regierung in den USA, die abgekündigt hat, massiv Arbeitsplätze zurück nach Hause zu holen. Und dann noch der Druck der EU, die massiven Steuerschlupflöcher für globale Konzerne endlich zu schließen, mit denen sich irland einen beträchtlichen Teil seiner Arbeitsplätze erkauft hat. Wird das Business-Modell der geliehenen Wirtschaft am Ende scheitern, wird Irland am Ende gar die EU verlassen, um Arm in Arm mit den britischen Nachbarn das ökonomische Glück als Steuerparadies für globale Unternehmen zu suchen?
Ganz zu schweigen von den politischen Dauerbrennern in Dublin, die die Regierung nicht in den Griff bekommt: Der Konflikt um die ausgesetzten Wassergebühren schwelt weiter. Die steigende Obdachlosigkeit bei gleichzeitigem massiven Wohnungs-Leerstand und galoppierenden Hauspreisen macht der Politik zu schaffen, ohne dass Lösungen absehbar wären. Der soziale Wohnungsbau kommt nicht in die Gänge. Und in den schlecht gemanagten Krankenhäusern des Landes liegen mehr Patienten denn je auf den Fluren.
Angesichts der sich zuspitzenden Probleme auf der Insel bräuchte das Land dringend eine handlungsfähige und entschlossene Regierung und ein gut funktionerendes Parlament. Taoiseach Enda Kenny und seine von Unabhängigen unterstützte und von Fianna Fail tolerierte Fine-Gael-Regierung können dies offensichtlich nicht leisten. Die Alternativen heißen: Anhaltender Stillstand oder Neuwahlen. Zumindest in Nord-Irland wird es bereits am 2. März Wahlen geben, nachdem die Powersharing-Regierung in Belfast durch den Rückzug von Sinn Fein kollabiert ist. In der Republik hält das Geraune darüber an, wie schon seit Monaten . . .
Foto: Markus Baeuchle
Petra du alte Schabracke, da haste ja mal wieder ganz schön einen vom Stapel gelassen! So lieb ich dich :D
Was deine Überlegungen in Sachen „Rückkehr in’s gelobte Germanistan“ angeht: sicher, das Gesundheitswesen hier ist immer noch besser als in Irrland. Aber auch nicht mehr so billig wie früher. Da musst du tief in die Tasche greifen, um dir eine ordentliche Behandlung leisten zu können (Krankenversicherung). Das einzig gute: zur Zahnbehandlung kannste z.B. nach Kroatien reisen. Dort kriegste deine Beisserchen für’n Appel und Ei gemacht und kannst das auch noch mit ’nem schönen Urlaub verbinden. Das geht. Aber ich sag dir eins: trotz aller Annehmlichkeiten, würde es dir in Deutschland nicht mehr gefallen. Da geb ich dir Brief und Siegel drauf. Grüßchen & Küsschen meine Herzallerliebste …
Beängstigend, nicht wahr? Da steht Irland vor der größten politischen Herausforderung seit der Unabhängigkeit, eine Chance, zu zeigen, dass der sprichwörtliche Paddy es nicht nur allen recht machen will, sondern wirklich unabhängig ist und sich für eine politische Entscheidung stark macht. Was wird diskutiert? Ob der irische Häuptling dem neuen Dagobert Duck in den USA im März ein Shamrock-Sträußchen überreichen darf oder nicht.
Handlungsfähige Politiker in Irland? Ich sage da gar nichts zu. Nur das: Gehandelt wird nur, wenn es nicht weh tut, jedenfalls nicht der eigenen politischen Sippe und Suppe.
Enda Kennys Karriere begann als katholischer Lehrer und so handelt er auch. Eine Vision hat er nicht. Aber in irischen Schulen werden Visionen und eigenständiges Denken ohnehin nie gefördert.
Alternativen gibt es leider nicht. Warum gibt es keine starke politische Opposition? Keine durchsetzungsfähige Lobby?
Manchmal denke ich (jetzt ganz ungefiltert), dass hier in Irland der Hang zu Grund und Boden (my home is my castle), die relative Sicherheit der Mehrheit auf dem Land, ja auch die Schönheit der Landschaft zur Verschnarchung des politischen Umsetzungswillens führen. Ich schließe mich da ein, zu meiner Schande.
Saturierung ist ein schönes, aber letztlich tödliches Gefühl. Selbst wenn diese kleingeistige Bedürfnisbefriedigung von intellektueller Einsicht begleitet ist, führt sie nicht zur Aktion, bestenfalls zur Emigration – oder zum Rückzug ins Private.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die irische Regierung einfach abwartet, was passiert. It’ll be grand, don’t worry. Another pint?
Bis dann die Kacke am Dampfen ist. Ist sie ja eigentlich schon, angesichts des drohenden Brexit (und Trump mal ganz außer Acht gelassen).
Im kapitalistischen Sinne: Statt z. B. aggressiv um die Brexit-Exilanten der Hochfinanz zu werben, sitzen unsere Politiker da und leiern ab, dass man in Irland doch wenigstens Englisch spricht, anstatt die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um diese Wirtschaftskraft anzulocken. Frankfurt und Paris sind mittlerweile viel reizvoller für diese Leute.
Im antikapitalistischen Sinne: Statt z. B. die tatsächliche Infrastruktur für die eigene Bevölkerung zu verbessern, sitzen unsere Politiker da … und haben keinen Plan. Nur den einen: Wie kann man noch mehr Steuern einnehmen, ohne sie ans Volk zu verschwenden?
Ganz persönlich: Mit zunehmendem Alter überlege ich manchmal so ganz vage eine Rückkehr nach Deutschland, irgendwann. Warum? Ich hatte vor einiger Zeit eine Nierenkolik, wer die jemals hatte, kennt den Schmerz. In meiner Verzweiflung rief ich den Notdienst an. Der „Notarzt“-Wagen kam nach zwei (!) Stunden (er war kein Arzt, nur Ex-Sanitäter beim irischen Militär), nach einer weiteren Stunde dann der Krankenwagen. Der Sanitäter war interessant, aber nutzlos, wir hatten einen netten Plausch über seine Erfahrungen bei den Blauhelmen, während ich mich vor Schmerzen krümmte. Der Krankenwagen schließlich wollte mich ins Limerick Hospital verschaffen, ein notorischer Ort, wo man nur zum Sterben hingeht. Ich schickte beide weg und lebe noch.
Aber was wäre gewesen, wenn ich z. B. einen Herzinfarkt gehabt hätte?
Ihr würdet das nicht lesen.
Was ist die Haltung der irischen Regierung? Jibt’s nich. Kürzungen im Gesundheitswesen. Ignoranz gegenüber Obdachlosen, Kranken und Alten – und sollen wir nun Trump ein Shamrock-Sträußchen überreichen oder nicht?
Ah, feck it, wenn Michael Flatley Riverdance für Trump tanzt, kann ja wenigstens für Irland was rumkommen.
It’ll be grand …