Green Fields 2025

Zwischen den Jahren nennen wir diese Zeit – mit Worten aus einer anderen, fast vergangenen Zeit: Die zwölf Tage und Nächte von Weihnachten. Yuletide, the Twelve Days of Christmas. Diese Rauhnächte zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar, zwischen dem beendeten Mondjahr und dem Ende des Sonnenjahres, sind wie eine Zeit außerhalb der Zeit. Sie machen es uns leicht, zu verschwinden und uns endlich einmal wieder unsichtbar zu machen, tief einzutauchen in die tatenlose Kontemplation. Kontemplation – ein schöner Begriff für Zusehen, Betrachten, Nicht-Eingreifen und Nichts-Tun.

In diesen Tagen wünschen wir uns, die Zeit stünde still, und manchmal steht sie wirklich still. Unsere ersten Jahre an der Atlantikküste im ländlichen Irland stärkten das Gefühl, dass die Zeit in dieser Zeit nach der Wintersonnenwende inne hält. Das Land fiel ab dem 25. Dezember in einen kurzen tiefen Winterschlaf. Alles war ruhig. Die Geschäfte blieben geschlossen, einen Tag und eine Nacht lang sogar die Pubs, der Briefträger nahm eine mehrtägige Auszeit, die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück, die Straßen blieben leer und verlassen. Heute fahren die Paket-Kuriere, diese Infanterie des Konsumkriegs, nonstop sieben Tage die Woche, die Frau von der Post kommt, weil es sein muss, auch am Sonntag. Wer einhalten will, kann es sich nun einrichten.

Optimismus 2025

Einfach einmal die äußere Realität ignorieren. Für ein paar Tage nur die äußere Wirklichkeit lässig links liegen lassen. Sich ihr wenigstens für Augenblicke entziehen. Sich selber genug sein. Keine Gedanken an die Ozeane, in denen bald mehr Plastik schwimmt als Fisch. Schon gar nicht an die lebens-verneinenden Kräften, die gerade mächtig die Oberhand haben. Nicht an die globalen und lokalen Wachstums-Faschisten, an die maßlosen Marsflieger und auch keine Gedanken an die jahreszeitliche Konsumorgie. An nichts davon. Ich sehne mich nach Ruhe.

Statt dessen Blicke aus dem Fenster und nach innen. Stille. Weite. Raum. Zweckfreie Zeit. Sprachlos sein. Coming Home. Heiter sein und Kraft schöpfen. Hoffnung finden. Blicke auf den ewigen Atlantik, Blicke auf die uralten Berge. Ruhe. Die digitalen Medien ausgeschaltet. Die Gegenwart begrüßen..

Das zwölftägige Ritual der Rauhnächte öffnet uns auch am Atlantik alle Sinne über die fünf aristotelischen hinaus. Es ist die Zeit, das Wesentliche zu schauen, die Zeichen der Natur zu deuten, die Erfahrungen von zwölf Monaten zu integrieren und die Bestimmung zu erkennen. Diese Niemandszeit der Wolfsnächte ist eine Zeit des Übergangs, die Menschen in Europa seit Jahrtausenden würdigen. Die meisten nennen sie nun Weihnachten; sie holen sich einen Nadelbaum oder Tannengrün in die Wohnung und tauschen Geschenke aus. Valentin Kirschgruber hat in seinem Buch über die Rauhnächte der Zeit zwischen den Jahren diese Bedeutung zugeschrieben: „Weniger denken – mehr fühlen, spüren und erahnen“.

Am Atlaantik in Irland

Und dann versuchen wir es im neuen Jahr 2025 mit neuer Kraft. Erneut. Versuchen unseren eigenen kleinen Beitrag zu leisten. Wir werden versuchen, die Sprotte, diesen kleinen, so wichtigen Fisch, im irischen Atlantik vor der Ausrottung durch totale Überfischung zu retten. Wir wollen dabei helfen, dass die Nahrungsskette in unserer Bucht nicht endgültig kollabiert und dass das nicht-menschliche Leben in Irlands Buchten nicht völlig zerstört wird. Wir wollen uns um den Ort kümmern, an dem wir leben und arbeiten, wir wollen ihn schützen und verteidigen.

 

Ich will auch mal aussetzen, nicht jede Notwendigkeit anerkennen. Nein sagen. Besser ganz als gut sein. Nicht ständig auf Veränderung drängen. Nicht die Wende herbeizwingen wollen. Nicht all die Gleichgültigen um uns herum wach rütteln. Sollen sie schlafen. Nicht die wenigen Profiteure dieser globalen Zerstörung, die superreichen und selbstsüchtigen Oligarchen, die unbarmherzigen Kriegsherren, die manipulativen Masterminds des Silicon Valley, die wüsten Ölbarone und die rücksichtlosen Finanzfürsten ständig in die Wüste oder auf den Mars wünschen. Sollen sie wüten. Ich will die Erwartungen klein halten. Ich will für eine Weile wunschlos sein.

Allen Leserinnen und Lesern von Irlandnews
eine erkenntnisreiche Zeit außerhalb der Zeit.

 

 

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Fotos: Markus Bäuchle