Das Natur-Theater am ewig raunenden Meer, der fransige Schwanz der Mähre im Fels, der Berg der Götter, das älteste christliche Steinkreuz Irlands, die zu Stein gewordene weiße Göttin Bui Bearra, die Energien der jahrtausendealten Steinkreise: Irland ist voller alter Geheimnisse und Mythen. Die vertrauten Orte sprechen ohne Worte zu uns, von den Menschen hört man darüber im seelenarmen Irland der Gegenwart wenig.
Patrick Steinbach, der Lesern von Irlandnews als Autor der Musik-Tipps Patricks Music Corner bekannt ist, hat vor einigen Jahren ein Buch geschrieben über seine Reise durch Irland. Ich erinnere mich an eine Stelle aus Fahrtwind, die gut zu einem kürzlichen Besuch des Uragh Steinkreises passt, den wir heute im Foto als Schattenriss im dämmerigen Gegenlicht zeigen.
Hier der Buchauszug. Es geht um die geheimnisvollen Banshees, die Feen Irland, die mit der niedlichen Zahnfee wenig gemein haben. Patrick beschreibt seine Suche nach einem Steinkreis und die Begegnung mit einem alten Iren hoch oben am Slieve League im County Donegal. Patrick und sein Freund erwägen, den alten Mann ein Stück weit im Auto mitzunehmen. Doch der lehnt ab . . .
„Oh nein. Ich bin gut zu Fuß. Niemals würde ich in einem Auto an einem Steinkreis vorbeifahren.“
„Wieso?“
„Ja wisst Ihr denn nicht, dass man sie so wecken kann. Sie können richtig böse werden, wenn man sie vor Einbruch der Dunkelheit weckt.“ Der alte Mann schaute richtig ernst und grimmig.
„Wer denn?“
„Die Feen. Die Banshees, die in der Nähe des Steinkreises wohnen. Wieso glaubt ihr denn, dass der Steinkreis überhaupt noch steht nach all den vielen tausend Jahren?“
„Weiß nicht“, ich schüttelte den Kopf.
„Sie bauen ihn nach einem geheimen Plan um. Ständig ist er in Bewegung. Schaut Euch die Postkarten an. Auf jedem Bild stehen die Steine anders. Manchmal stellen sie auch umgefallene Steine wieder auf, die die anderen Feen nachts umgeworfen haben. Er ist ein ständiger Kampf. Ein Kommen und Gehen wie auf einem Fußballfeld. Man darf sie einfach nicht stören.“
Ich blickte ihn mit großen ungläubigen Augen an. Er erzählte mit einem solchen Ernst, nichts schien ihm selbstverständlicher Feen, die Steinkreise reparieren.
„Sie bauen den Steinkreis um?“
„Ja! aber ihr werdet das nie sehen. Die Touristen haben keine Augen dafür. Ich lebe schon mein ganzes Leben hier in dieser Gegend. Ich kenne jeden Felsen, jeden Strauch. Ihr könnt es gar nicht sehen.“
„Wie viele Feen wohnen denn hier?“
„Oh, es sind drei verschiedene Völker. Eins lässt sich so gut wie nie blicken. Aber die beiden anderen sind richtig streitlustig. Meistens sind sie mit sich selbst beschäftigt. Die Menschen werden in Ruhe gelassen. Es sei denn . . .“
„Es sei denn?“
„Es sei denn, man macht so einen blöden Fehler wie diese junge Familie, die vor vielen Jahren hier her gezogen ist, Sie wollten sich gleich da hinten eine halbe Meile weiter unten ein Haus bauen. Diese Idioten nahmen einen Stein weg von dem Kreis und setzten ihn ein in die Mauer des Viehstalles. In der Nacht bekam der Mann einen Anfall. Er schüttelte sich, als säße der Leibhaftige auf seinem Rücken. Er schrie in unverständlichen Worten und fuchtelte mit den Armen über seinem Kopf. Im Morgenfrauen fiel er erschöpft zu Boden und blieb dort mit entstelltem Gesicht liegen. Im Stall war die einzige Kuh gestorben. Nicht ein Tropfen Blut befand sich noch in ihrem Körper. Da entschloss sich die Frau, den Stein zurück zu bringen.
Sie wusste, dass sie einen fürchterlichen Fehler gemacht hatten, als sie den Stein entwendeten. Sie betete sieben Tage lang, dass der Fluch wieder von ihnen genommen würde. Aber das Beten half nicht. Sie lebten sieben Jahre in dem Haus, ohne jemals Kinder bekommen zu haben. Beide starben auf den Tag genau sieben Jahre nach dem Fluch des Steines. Niemals darf man die Feen provozieren oder ihnen etwas entwenden. Niemals. Hört ihr?“
Deshalb: Wenn Du zum Steinkreis gehst, halte respektvoll Ausschau nach den Banshees und achte auf das Kribbeln in Deinen Fingerspitzen . . . ;-)
Fotos: Markus Bäuchle [131015]
So etwas Ähnliches mit Mythen um das alte, verborgene Volk (Huldufólk) kenne ich von meinen Islandreisen (und früheren Kontakten mit Isländern). Nach diversen Umfragen über viele Jahre glauben wohl noch heute ca 50% der Isländer daran und fast 90% halten das irgendwie für möglich, dass es das Huldufólk vielleicht gibt…
Zumindest bezeugt man – vor allem in allen öffentlichen (und vielen privaten) Bauvorhaben, insbesondere beim Strassen- und Hausbau – dem Huldufólk größten Respekt und nimmt auf dessen Wohnstätten (meistens Hügel und/oder große Steine, Felsen) Rücksicht. Oft gab/ gibt man einem “Elfen-hellsichtigen” Menschen den Auftrag zu prüfen, ob es dort tatsächlich (noch) Elfen gibt. Was diese Person dann herausfindet wird von Behörden, Firmen und Privaten meistens voller Ernst berücksichtigt.
So kam und kommt es, dass dort Strassen plötzlich einspurig werden oder einen Schlenker um so einen Felsenhügel machen. Manchmal, wenn jemand es nicht berücksichtigen wollte, kamen die Bauarbeiter nicht zur Arbeit und meldeten sich krank oder es gab plötzlich Schäden an Baufahrzeugen… sogar ein Autobahnbau wurde 2013 eine Weile gestoppt bis man sich sicher war, dass an der vermuteten Elfenwohnstätte durch welche die Autobahn geführt hätte, tatsächlich niemand mehr vom Huldufólk lebte… dann erst wurde die Autobahn dort weitergebaut…
Egal was man an und in Steinkreisen spüren mag, sie schenken uns Heutigen etwas aus einer fernen Zeit…
Lieber Markus,
das ist ja verrückt. Ich hatte das Buch letztens selber in der Hand, schlug es auf und war mitten drin in genau dieser Geschichte.
Die Feen und Banshees und all ihre Verwandten waren einst ganz normale Menschen, Siedler und Eroberer, welche von nachfolgenden Einwanderungswellen ins „Unterholz“ gejagt und verdrängt worden. Von dort aus tauchen sie meist als personifiziertes „schlechtes Gewissen“ wieder auf und verhexen Mensch und Tier. Absolut spannend, welche Rolle hierbei das Christentum spielte und wieso wir heute überhaupt noch von den Völkern der Anderswelt wissen.
Vielen Dank, dass Du aus meinem Buch zitierst. Es hat sich tatsächlich alles genau so zugetragen :-)
Liebe Grüße
Patrick