Warren Strand

Sonntag am Warren Strand

Das August Bank Holiday Wochenende brachte Novemberwetter nach Irland. Regen, Nebel, Wind, Gewitter, kühle, graue Tage. Das mit Vorfreude erwartete Ferienwochenende ist für manche schwer zu ertragen: Das ist doch unser Sommer! Die Festivals, die jetzt in jedem größeren Dorf statt finden – gewidmet der Familie, der Musik, dem Essen, dem Enten- und dem Traktor-Rennen, dem Trinkgelage und dem Football-Finale der Frauen (Kerry hat´s gemacht) – sie leiden unter dem atlantischen Tief. Mancherorts werden sie abgesagt. Die Feriengäste drängen sich in kurzen Hosen und bunten Strandkleidern in Restaurants und Hotel-Lobbies, die Lounges sind gefüllt mit Menschen, die ausdauernd auf kleine Bildschirme schauen. Die Strände fast menschenleer. Am Warren Strand eine dem Wetter trotzende Surfschul-Gruppe, am Long Strand zwei einsame Kite-Surfer: Er tänzelt über die Wellen, sie übt noch im Niedrigwasser. Am Red Strand ist nur das Strandbüdchen voll, vielleicht der ein oder andere Gast. Am Galley Head feiert die Collins-Sippe Family Reunion. Der kanadische Ableger der Familie besucht die alte Heimat. Die Erwachsenen feiern im Zelt. Die Collins-Kinder lassen Drohnen steigen. Drachen wären im rauhen Wind angemessen.

Zwischendurch zeigt sich die Sonne. Dann bevölkern sich die Plätze vor den Pubs. Pat Shop wünscht sich und allen anderen eine Sommerwoche in sengender Sonne: Damit sich die Batterien aufladen. Damit wir im November, der gefühlt schon begonnen hat, von etwas Schönem zehren können. Ich gehe durch unser kleines Dorf und höre Stimmen aus einer fernen Zeit. Ein Prosit der Gemütlichkeit. Ob sie schon schunkeln? Peter Alexander lebt. Eine Horde bierseliger Deutscher singt vor dem Blue Loo Die kleine Kneipe in unserer Straße. Festzelt-Stimmung in Glengarriff. Ich möchte weiter. Davor Eloas den Barden gehört. Ein kleines Privatkonzert beim Gartenfest. Blaue Blume forever. Die Deutschen trinken Weißwein, die irischen Männer haben Guinness und Pintgläser in der Plastiktiktüte mit gebracht. Es riecht nach Minze und Melisse. Das Meer in Hörnähe, der Blick frei geschnitten. Eine Frau erinnert sich an ihren Mann: „Ich sagte ihm, ich würde gerne mal nach Limerick fahren. Er antwortet mir: Da musst Du nicht hin, da war ich schon.“ Wir sind ein seltsames Völkchen.

Long Strand

Surfer am Long Strand

Gut war das Wetter seit Wochen nicht. Die Irish Times titelte kürzlich: „Ja, der graue Himmel, das ist der Klimawandel“. Nachbar Stefan hat „das Wetter gemacht.“ Die Juli-Bilanz entspricht seiner Prognose. Zwei Negativ-Rekorde im siebten Monat des Jahres, mancherorts Hochsommer genannt: 51 Liter Regen, hier in der Bantry Bay. So wenig wie seit Jahrzehnten nicht – und 65 Sonnenstunden. 150 Stunden Sonne galten in einem Juli in den 80er Jahren als normal. Trocken und grau die Sommer-Tendenz in Irlands Südwesten. Die Klimaforscher behaupten es seit Jahren.

 

All Together Now 2024

Beim All Together Now Festival im County Waterford

Auf dem weitläufigen Landsitz von Curraghmore im County Waterford versammeln sich 27.000 Menschen zum größten Musik-Festival des Wochenendes. Sie schlafen in Zelten und Campervans. Sie navigieren mit dem Smartphone: Wer spielt wann auf welcher der 18 Bühnen. Róisín Murphy, Star des Samstagabends, meldet sich krank. Die King Kong Company aus Waterford spingt ein. Gastmusiker Bobby Fingers von den Rubberbandits gibt trotz Fußverletzung sein Bestes. Das Publikum zieht sich zufrieden in die Zelte zurück. Am Morgen Spaziergang zum Frühstück: ein Tee, ein Kaffee, zweimal Porridge, nein, Overnight Oats, mit Obst: 36 Euro 50. Alles bargeldlos. Cash is lost. Gut, dass die mitgebrachten Bierdosen aus dem Aldi nicht so teuer waren. Der Tausender wird für das Wochenende zu zweit nicht reichen. Eine Woche DomRep wäre fast billiger gewesen. Wärmer. Sonniger. Am Montagmorgen suchen tausende Füße Wege aus dem Matsch.

Was soll’s: Wir sind in Irland, dem gelobten Land. Die Strandkleider sind bunt, die Tage grau. August Bank Holiday auf der grünen Insel.

 

All Together Now 2024

27.000 Menschen, 18 Bühnen, Musik ohne Ende

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Fotos: Christopher Baeuchle (2); Markus Bäuchle (2)