Selbst die Marketingfritzinnen und -fritzen von Irlands Tourismuspropaganda-Quango Tourism Ireland kamen nie umhin, das Wetter auf der Insel als abwechslungsreich bis anspruchsvoll zu beschreiben. So priesen sie uns das Unberechenbare als Vielfalt an: In Irland gibt es demnach vier Jahreszeiten an einem Tag – das volle Programm von Sonne, Regen, Wind und Hagel im Zeitraffer, dazu der farbenprächtige wolkenverhangene Himmel, den die Sonne hinterleuchtet. Wetter für Atemlose und Erlebnishungrige. Four Seasons in a Day. Am Soft Day besprüht die göttliche Hand, exklusiver Marketing-Partner von Tourism Ireland, die Menschen in den bunten Outdoor-Shells mit Champagner-Regen und bescheint sie mit Liquid Sunshine, flüssigen Sonnenstrahlen. Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt . . . Genau.
Der Klimawandel wird auch die Wetter-Prosa verändern. Irisch-Grau könnte passend zur kollektiven Stimmung als neue hippe Modefarbe propagiert werden. Die bewegt-farbigen Tage haben in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen, die einförmigen grauen Tage erobern die Wetterwirklichkeit. Die grau-grünen. Die Sonnenstunden nehmen ab, ohne dass es viel regnen würde. Willkommen im kühlen grauen Sommer 2024. Ist das noch Wetter oder ist es schon Klima, fragen die Leute. Der alte Witz funktioniert mal wieder: Der irische Sommer fiel in diesem Jahr auf einen Mittwoch.
Leuchtende Margeriten deuten es an: Es ist noch nicht November. Enttäuschung tritt ein, wenn Erwartung auf Wirklichkeit trifft. Trotzig leicht bekleidete Irinnen und Iren, die Daheimgebliebenen, sind von ihrem Sommer mal wieder richtig ent-täuscht. Sie haben sich so sehr auf ihre Auszeit im August gefreut. Die Älteren singen Sprechhymnen auf die endlosen Sonnensommer ihrer Kindheit und die eigenen goldenen Zeiten. Eine Freundin vom überhitzten Kontinent beneidet uns, dass wir zum Jäckchen greifen und nicht schutzlos in der unbarmherzigen Sonne braten. 36 Grad plus soll es dort in den kommenden Tagen wieder geben. Ein Freund vom schwäbischen Meer gibt sich unbeeindruckt: „Bevor I mi uffreg, isch mers lieber egal.“
Die Touristen am Drombeg Stone Circle haben die Kapuzen hoch gezogen. Es nieselt. Eine Womo-Schwäbin flüstert ihrem linkfahr-gestressten Gatten zu: „Des isch so richtig müstisch“
PS: Heute scheint die Sonne mit Ausdauer.
Fotos: Eliane Zimmermann (2, oben) Markus Bäuchle
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