Irland ist eben anders. Dieses große Wort hört man oft, wenn Deutsche sich über Irland unterhalten. Wenn man die ganzen Projektionen, die Wünsche, Sehnsüchte und Einbildungen, die ein solcher Satz enthalten mag, einmal nicht berücksichtigt: Ja, Irland ist anders. Anders als Deutschland, anders als die Erwartungen, die man und frau so hat, anders eben. Ein ganz normaler Tag im County Cork, drei Beispiele:

1. Beim Finanzamt: Wer als Freiberufler im Ausland lebt, hat mit Doppel-Besteuerungs-Abkommen und einschlägigen Formularen zu tun, um nicht im Herkunftsland und im  Aufenthaltsland gleichzeitig besteuert zu werden. Während deutsche Finanzbehörden und Unternehmen die Verfahren dieser Abkommen ernst nehmen und seriös bearbeiten, fragt mich die Finanzbeamtin im Finanzamt Cork nach dem Sinn. Warum soll sie das Formular abstempeln? Na, wenn sie es nicht weiß. Wo soll sie es abstempeln? Warum soll sie es eigentlich abstempeln? Die Dame blättert ratlos in dem Stapel Papier, dann seufzt sie “I don´t even try to understand it” – sinngemäß: “Ich werde erst gar nicht versuchen, das zu verstehen”. Sagts, stempelt flink über die Papiere und bedankt sich für mein Kommen. Sie will mich und den Papierkram los werden. Gern geschehen.

2. Im Parkverbot am Flughafen: Iren sind die Weltmeister im Schlupflochspringen – und sie geben in der Alltags-Routine regelmäßig Trainingseinheiten für den Nachwuchs und für Zurückgebliebene. Offizielle Durchsage am Flughafen Cork: “This is an important information for all car owners leaving their vehicle unattended. Car clamping is in operation. Please return to your cars as quick as possible.” ( Sinngemäß: “Dies ist eine wichtige Mitteilung für alle Autofahrer, die ihr Fahrzeug unbeaufsichtigt vor dem Terminal im Parkverbot geparkt haben. Kehren Sie sofort zu Ihrem Auto zurück”). Ist es nicht köstlich? Während die Polizei draußen gerade die Wegfahrsperren auspackt und schon saftige Beute wittert, warnt die Flughafenbehörde bußgeldgefährderte Autofahrer vor den bösen Buben mit den Parkkrallen. Hechel, Laufschritt, sekundengenaue Präzisionsarbeit. Gerade noch mal Glück gehabt.

3. Auf der Straße: Heimfahrt im Dunkel einer Regennacht. Vor uns am Straßenrand blitzen grelle Lichter auf. Eine Baustelle wahrscheinlich. Ein Unfall vielleicht. Wir kommen näher. In die Straße ragt eine große elektonische Warntafel, die üblicherweise über Baustellen, Umleitungen, Staus und Behinderungen informiert: Die Warnung blitzt in unseren Augen: “Vote No 1. O´Sullivan”.  Wählt Nummer 1, O´Sullivan. Am Freitag wählt Irland ein neues Parlament. O´Sullivan gibt uns Erleuchtung und will dafür wieder Abgeordneter werden.

PS: Wir werden (ihn) nicht wählen. Nicht ihn, Christy O’Sullivan, den Fianna-Fail-Mann mit dem Fahrverbot, weil er als Regierungspolitiker alles mitverbockt hat. Und gar nicht – weil wir leider kein Wahlrecht haben. Genauso wenig wie 3,5 Millionen Iren, Menschen mit irischem Pass, die derzeit nicht auf der Insel leben. Wer das Land verlässt, gibt das Wahlrecht an der Grenzkontrolle ab. Von Briefwahl keine Spur. Irland. Einfach anders.