Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 39)
von Peter Bernhardt
Heute erzählt Peter von einem ganz besonderen Ort auf Beara, dem tibetischen Buddhisten-Zentrum Dzogchen Beara, und von seinen Gründern Harriet und Peter Cornish.
Verlässt man Castletownbere in Richtung Allihies, kommt man nach 8 Kilometern an eine Weggabelung mit dem Hinweisschild auf ein Buddhisten-Zentrum. Wer nicht gerade in Eile ist, sollte sich diesen Abstecher unbedingt genehmigen, er wird mit einem grandiosen Ausblick von einer Felsenklippe über die Bantry Bay und auf die beiden Halbinseln Sheeps Head und Mizen Head belohnt. Ganz nebenbei befindet er sich auch noch auf spirituellem Grund und Boden, dem tibetisch-buddhistischen Zentrum Dzogchen Beara. Heute möchte ich darüber berichten, wie alles angefangen hat – über die Gründer Peter Cornish und seine Frau Harriet.
Wir schreiben das Jahr 1973. Peter Cornish und seine Frau Harriet sind auf der Suche nach einem geeigneten Ort für ihre Träume und kommen durch Zufall auf die Beara Halbinsel. Peter ist in England geboren und aufgewachsen und litt wohl seit seiner Geburt an einem Augenleiden, was ihn halb blind in die Welt schauen ließ. Wie er selbst in seiner Biografie schreibt, machte ihm der nicht diagnostizierten Zustand seines Sehvermögens zu schaffen. Außer gelegentlich verschriebenen neuen Brillen ignorierte man seine Behinderung: Trotz der Brille war er nicht in der Lage zu sehen, was seine Mitschüler sahen. So starrte er in Richtung Schultafel, die er nicht sah und hatte viel Zeit, seinen Träumen nach zu hängen. Er träumte davon, eines Tages eine Lebensgemeinschaft von Malern und Schriftstellern zu gründen. Er liebte zwei Dinge: Malen und Lesen. Schon früh verließ er die Schule, um per Anhalter durch Europa zu trampen. In Griechenland erfuhr er von Diogenes Botschaft: „Zufriedenheit und Glück kommen durch Einfachheit.“ Zurück in London arbeitete er in einer Küche und tauchte in die spannende neue Zeit der 60er Jahre ein.
In Schottland entdeckte er das erste tibetische Buddhisten-Kloster und freundete sich mit der Lehre an. Sein ursprünglicher Traum von einer Künstler-Kommune verwandelte sich in den Wunsch, ein Meditations-Zentrum für weltoffene Menschen zu gründen. In seiner Biografie schreibt Peter: „Ich traf meine Frau Harriet und bestieg mit ihr die Fähre nach Cork. Wir fanden eine heruntergekommene Farm an einer Steilküste, wo der Atlantic in die Bantry Bay rollte. Und als wir oben am Rande der Klippe standen und uns umschauten, war uns sofort klar, wir haben den Platz unserer Träume gefunden. Wir scheuchten Nachbars Kühe aus der noch einigermaßen intakten Ruine und starteten mit der Arbeit.“
Was beide schätzten, waren neben der Herzlichkeit der Beara People auch die 19 Pubs auf der Hauptstraße von Castletownbere, die für Zertreuung sorgten. Hier erfuhr man Neuigkeiten und konnte Kontakte knüpfen. Ihr Traumort auf den Klippen von Garranes war derweil ohne fließendes Wasser, ohne Strom und ohne Telefonanschluss. Mit diesen Voraussetzungen konnten die Beiden ihren Traum von Einfachheit verwirklichen.
In dieser isolierten Lage wurde auch ihr erstes Kind geboren. Harriet kommentierte das nächtliche Schreien des Kindes mit den Worten: „Wenigstens gibt es niemanden, der sich beschweren kann, wenn westlich von unserer Tür New York City und südlich das antarktische Eis liegt.“ Und Peter schränkte seinen Traum nach Einfachheit ein, indem er äußerte: “Als ich Windeln im Bach am Ende des Berges waschen mußte, bekam der Traum vom einfachen Leben eine Delle!“. Peter und Harriet bekamen 3 Kinder zusammen.
Es gab Zeiten, da waren sie nahe dran aufzugeben. Doch wohin sollten sie gehen? Schließlich war das doch der Traum, den sie sich immer gewünscht hatten. Und somit machten sie sich an eine 20 Jahre dauernde Arbeit. Bauten einen Weg bis zur Hauptstraße, reparierten die Ruinen, bauten ein Hostel, Büroräume und einen Meditationsraum. Auch an eine Küche und einen Tearoom haben sie gedacht. Schließlich erwartete man auch Besucher, die hier meditieren, entspannen und sich erholen sollten. Sie pflanzten 10.000 Bäume, legten Strom und Wasser.
1992 wandelten Peter und Harriet Cornish das Grundstück und die Gebäude in eine gemeinnützige Stiftung um. die unter der spirituellen Leitung von Sogyal Rinpoche, dem buddhistischen Lehrer aus Tibet, geführt wurde. Sogyal Rinpoche gab dem Ort den Namen Dzogchen Beara, was soviel heißt wie: Die höchsten Lehren in der tibetisch-buddhistischen Tradition“. Doch nur ein Jahr später, im Juni 1993, starb Harriet an Krebs, sie wurde gerade einmal 44 Jahre alt.
Seit langem bietet Dzogchen Beara ein umfangreiches Ausbildungs- und Seminar-Programm, hat allerdings sein spirituelles Oberhaupt Sogyal Rinpoche nach vielen Skandalen im Sommer 2017 verloren und sucht nun nach einer gedeihlichen Zukunft. In Dzogchen Beara gibt es drei Selbstversorger-Cottages, ein Hostel, ein Café und einen Buchladen. Seit dem Jahr 2007 ist auch das Dechen Shying Spiritual Care Center hier beheimatet, welches die damalige irische Präsidentin Mary McAleese einweihte. Dies ist ein Ort, an dem sich Menschen in schwierigen Lebenssituationen aufgehoben fühlen können.
Nach mehrjährigen Verzögerungen wird in diesem Sommer auch das bislang größte Projekt von Dzogchen Beara eingeweiht: Der erste tibetisch-buddhistishe Tempel in Irland (Foto). Das 15 Meter hohe Gebäude im traditionell tibetischen Stil wurde mit Spenden aus Irland finanziert. Peter Cornish wird bei der Einweihung leider nicht mehr dabei sein, er starb nach kurzer schwerer Krankheit am 27. Oktober 2023.
Wer mehr über Peter Cornish und seine Geschichte erfahren möchte, dem sei seine Biografie „Dazzled by Daylight“ empfohlen.
Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews. Eine Übersicht über alle Beara-Stories gibt es hier.
Fotos: Peter Bernhardt; Fotos von Peter und Harriet: privat; Tempel: Markus Bäuchle (Juni 2024)
Ich habe es vor Jahren durch Zufall entdeckt und war fasziniert von der Ausstrahlung dieses Ortes.
Sehr interessanter Artikel. Ein Lebenswerk. Was geschieht in Zukunft mit dem Tempel und den Cottages?
Time will tell (schaumermal) . . .