Sir William Petty

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 38)

von Peter Bernhardt 

Heute erzählt Peter von einem vielseitigen und einflussreichen Mann, der das 17. Jahrhundert in Irland und England entscheidend mitprägte und dessen Spuren auf Beara sich auch heute noch verfolgen lassen: Sir William Petty.

Meine heutige Geschichte handelt von einen Mann, von dem man nicht annehmen konnte, daß er in seiner Zeit eine herausragende Rolle spielen würde. Sein Name: William Petty. Geboren am 27. Mai 1623 in Romsey in der englischen Grafschaft Hampshire. Er war das älteste Kind von Anthony Petty und seiner Frau Francesca Denby. Anthony war Schneider und Tuchmacher und betrieb nebenbei auch ein wenig Landwirtschaft.

William galt als frühreif und hochintelligent. Schon als Kind zeigte er großes Interesse den Handwerkern bei ihrer Arbeit auf die Finger zu schaun, zum Beispiel dem Uhrmacher, Schreiner, Tischler und Schmied. Auch in der Schule war er ein fleißiger und wissenshungriger Schüler. Fächer wie Latein, Griechisch und Arithmetik interessierten ihn besonders.

Mit dreizehn Jahren heuerte er als Kabinenjunge auf einem Handelsschiff an. Dort eignete er sich das navigieren des Schiffes an. Doch dieser Job war nach zehn Monaten beendet, weil er sich ein Bein brach und bei Caen/Frankreich den Jesuiten übergeben wurde, die ihn gesund pflegten. Schnell erkannten die Jesuitenväter seine Intelligenz und nahmen ihn in ihr Kolleg auf, wo er seine „Studien“ von Latein, Altgriechisch und Französisch, sowie Mathematik und Astronomie wieder aufnahm. Ein Jahr später kehrte er nach England zurück, wo er der Marine beitrat.

Sir William Petty

Sir William Petty

Beim Ausbruch des englischen Bürgerkrieges, 1642, floh er nach Holland. In Utrecht, Leiden und Amsterdam studierte er Medizin. 1645 reiste er weiter nach Paris, um sich in Anatomie weiter zu bilden. 1646 setzte er sein Medizin-Studium in Oxford fort.1651 wurde er Professor der Anatomie und zum stellvertretenden Rektor des Brasenose College in Oxford ernannt und später auch Professor für Musik am Gresham College in London. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit der neuen Wissenschaftsauffassung von Francis Bacon* und geriet schnell in Opposition zur herkömmlichen Unterrichts-Methode. Am bekanntesten ist er jedoch für seine Wirtschaftstheorien und seine Methoden der politischen Arithmetik, und ihm wird die Philosophie des “Laissez-faire” in Bezug auf die Regierungstätigkeit zugeschrieben. Aus Frust verließ er Oxford und schloß sich 1652 der Armee von Oliver Cromwell in Irland als Generalarzt an.

1656 erhielt er die Aufgabe, ganz Irland in 13 Monaten zu kartografieren. Es ist die erste detaillierte Landvermessung im nationalen Maßstab weltweit. Vermutlich hat Petty seine Vermessung selbst “Down Survey” genannt. Die Vermessung hatte einen Hintergrund: Cromwell wollte das Land den katholischen Iren abnehmen, um Gläubiger, Abenteurer und englischen Soldaten mit Landbesitz abzufinden. Auch William Petty wurde mit Grundbesitz entlohnt; er erhielt 30.000 Acres im Südwesten Irlands sowie 9.000 Livres. Der Versuch die Kaufkraft einer historischen Währung mit der heutigen ist äußerst schwierig. Man schätzt daß der Wert eines Livre ca. 5 – 15 Euro betragen könnte. Der enorme Umfang dieser Entlohnung führte zu Argwohn. Bis zu seinem Tod wurde er der Bestechung und des Betruges verdächtigt, ohne dass jedoch formelle Beweise vorgelegt oder eine Anklage erhoben wurde.

Zurück in England scheiterte er 1659 bei den Wahlen zum Parlament, weil er als Parteigänger und Freund Cromwells galt. Auch verlor er einen Teil seines Vermögens, wurde aber darüber hinaus gut behandelt und hatte schon 1662 wieder Zugang zu Treffen der Royal Society, die er im Jahre 1660 mit 11 weiteren Mitgliedern gegründet hatte. In dieser Zeit schrieb er sein erstes wirtschaftswissenschaftliches Werk, das Traktat über die Besteuerung.

Im Jahr 1667 heiratete William Petty Elizabeth Fenton, sie war die Witwe von Sir Maurice Fenton und Tochter des Königsmörders Sir Hardress Waller**, einem prominenten irischen Protestanten, der Pettys Landvermessung stark unterstützt hatte. Elizabeth war eine attraktive und intelligente Persönlichkeit. Sie hatten zwei Söhne und eine Tochter, die das Säuglingsalter überlebten, Charles, Henry und Anne.

Von Charles II wurde er im April 1661 zum Ritter geschlagen. Obwohl Petty zweimal den Adelstitel Baronet ablehnte, machte James II seine Witwe 1688 zur Baronness Shelburn. Aus Enttäuschung kein einflußreiches, politisches Amt bekommen zu haben, zog er sich 1666 zurück nach Irland und widmete sich fortan der Sozialwissenschaft. Sein Interesse galt Irlands Wohlstand und er machte etliche Vorschläge, um dieses Land aus der Rückständigkeit zu führen. Um seine Besitzungen zu verwalten verbrachte er die Jahre von 1666 bis 1673 und von 1676 bis 1685 in Irland.

1685 zog es ihn dann wieder zurück nach London, wo er zwei Jahre später, am 16. Dezember 1687 verstarb. Er wurde in der Abtei von Romsey beigesetzt. Ein Nachfahr, Henry Petty-Fitzmaurice, 3. Marquess of Lansdowne, ließ 1858 ein Denkmal mit Pettys Bildnis errichten, mit folgendem Text: “Ein wahrer Patriot und ein gesunder Philosoph, der durch seinen starken Intellekt, seine wissenschaftlichen Arbeiten und seinen unermüdlichen Fleiß ein Wohltäter für seine Familie und eine Zierde für sein Land wurde”. Auf dem Boden des südlichen Chorschiffs der Abtei befindet sich eine Gedenktafel mit der Aufschrift “HIER LIEGT SIR WILLIAM PETY”.

Kenmare

Kenmare, ehemals Neidín; geprägt von William Petty

William Petty war ein außergewöhnlicher Mensch. Aus bescheidenen Verhältnissen kommend, schaffte er in kürzester Zeit den Aufstieg in die intellektuelle Elite seiner Zeit und war mit 35 Jahren ein sehr wohlhabender Mann und führendes Mitglied der “progressiven Wissenschaften”. Und so war es auch zu verstehen, daß er Ambitionen auf wichtige, politische Ämter hatte. Doch dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Zeitgenossen beschrieben ihn als humorvoll, gutmütig und rational. Die irische Bevölkerung würde dieser Betrachtung wohl eher nicht zustimmen.

Pettys Kenntnisse in Physik brachten ihn auf die Idee sich an die Entwicklung eines Doppelhüllenschiffs zu machen. Es wurden 3 dieser Schiffe gebaut – in den Jahren 1662, 1664 und 1684. Die ersten beiden Schiffe waren erfolgreich, das dritte sank in einem Sturm mit Mann und Maus. Ein viertes war ein völliger Fehlschlag. Sein Konzept wurde in der Jetztzeit wieder aufgegriffen und fand in den modernen Katamaranen seine Verwirklichung.

Pettys Schriften, mit denen er sich zum Thema Sozialwissenschaft auseinandersetzte, waren sein wichtigstes Werk. Sie fanden große Beachtung in der englischen Politik. Seine Theorien zur Wirtschaft waren bis 1750 gängige Meinung.

Petty ist der Gründer der Siedlung Neidín, heute die Stadt Kenmare. Dieser Ort war für seine englischen Bergleute, die er dort ansiedelte. Zwei Jahre nach seinem Tod im Jahr 1687 wurden diese aber von den Iren so sehr gemobbt, dass sie zurück nach England kehrten. Erst nach den Willhelminischen Kriegen siedelten sie sich wieder an.

Petty’s ältester Sohn, Charles, der kinderlos blieb, verfügte über alle Ländereien in Nord-Kerry. Der andere Sohn, Henry, Earl of Shelburne, ebenfalls kinderlos, stirbt 1751 und hinterlässt sein Anwesen Anns jüngerem Sohn John Petty-Fitzmaurice. Der Titel Earl of Shelburne wurde 1753 zu seinen Gunsten wiederbelebt. John nahm auch den Nachnamen seiner Mutter an: Erster Marquis von Lansdowne. Nach Johns Tod 1761, erbte sein Sohn William (geboren 1737 in Dublin) Titel und die Ländereien von Shelburne. Er war der Mann, der für die Gestaltung der heutigen Stadt Kenmare verantwortlich war.

Die Stadt Kenmare, der irische Name lautet Neidín, das “kleine Nest”. ist reich an historischem Erbe. Eines der ersten Gebäude in der Stadt Kenmare war die Residenz des Immobilienmaklers, die Lansdowne Inn Lodge 1775. In den 1790er Jahren begannen dann die Arbeiten an anderen Gebäuden, wie dem Shelburne House, der Stadtresidenz des Earls, ein Gasthaus (Lansdowne Arms), dem Market House, dem Buttermarkt und dem Schulhaus. Die Familie Lansdowne hat heute noch einen Sitz auf der Beara Halbinsel, in Lauragh, südlich des Flusses Kenmare – es ist Derreen mit seinem berühmten und sehenswertem Garten.

Letztendlich ging der restliche Besitz Pettys über seine Tochter Anne an die Familie Fitz Maurice, Lord of Kerry und Lixnaw. Annes Ehemann war Thomas Fitzmaurice. Er wurde der erste Earl of Kerry.

Es darf hier aber nicht unterschlagen werden, das die Ländereien auf der Beara Halbinsel, die sich nach 1641 William Petty einverleibte, ursprünglioch den O’Sullivans gehörten. Es wurden mehrere Versuche des O’Sullivan-Beara-Clans unternommen, diesen Besitz zurück zu erobern, allerdings ohne Erfolg.

 


Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews. Eine Übersicht über alle Beara-Stories gibt es hier.


* Francis Bacon, 1. Viscount St. Albans, 1. Baron Verulam (* 22. Januar 1561 in London; † 9. April 1626 in Highgate bei London), war ein englischer Philosoph, Jurist und Staatsmann, der als Wegbereiter des Empirismus gilt.

**Als führendes Mitglied des radikalen Elements innerhalb der New Model Army unterzeichnete er 1649 das Todesurteil für die Hinrichtung von Karl I. Nach der Stuart-Restauration 1660 wurde er als Königsmörder zum Tode verurteilt, ein Urteil, das in lebenslange Haft umgewandelt wurde.

Fotos: Wikipedia; Sir William Petty. Mezzotint by J. Smith, 1696, after J. Closterman; Credit: Wellcome Library, London. Wellcome Images; wellcomeimages.org; Creative Commons Attribution only licence CC BY 4.0
Foto Kenmare: Eliane Zimmermann