Horst Stern

Horst Stern

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 35)

von Peter Bernhardt 

Heute erzählt Peter Bernhardt von einem berühmten deutschen Filmemacher und Umweltschützer, der acht Jahre lang zurückgezogen in Irland auf der Beara-Halbinsel lebte: der TV-Legende Horst Stern.  

Während unserer Ferien auf der Beara-Halbinsel war ein Besuch bei Paddy, dem Sägemühlen-Besitzer in Lauragh am Glenmore Lake, Pflicht. Dort habe ich mich mit Holz für alles Mögliche eingedeckt, ob es Brennholz oder schön gemasertes Holz für Dekozwecke war. Auch die zehn Zentimeter dicke Tischplatte aus Rot-Zeder hat er für uns extra zurechtgeschnitten. Oder eine große Holzscheibe für eine Küchen-Arbeitsplatte. Bei einem dieser Besuche erzählte er uns, daß er einen deutschen Nachbarn habe, der in Deutschland wohl ein bekannter Journalist sei. Sein Name: Horst Stern.

Ein Ur-Grüner, ein Mahner, ein Unbequemer seiner Zeit: Die Älteren unter uns mögen ihn noch aus Rundfunk und Fernsehen kennen. In den 1960er Jahren schrieb er mehr als 50 Schulfunksendungen über Tiere und warnte schon damals vor falsch verstandener Tierliebe. Nach den Erfolgen im Hörfunk wollte der Fernsehdirektor des Südfunks, Horst Jaedicke, Stern fürs Fernsehen gewinnen. Und so entstand die Fernsehserie Sterns Stunde, die zwischen 1970 und 1979 in 20 Episoden ausgestrahlt wurde. Stern schrieb selbst das Drehbuch, führte Regie und kommentierte mit seiner unverwechselbaren Stimme, die ich noch heute aus hunderten anderen heraushören würde.

 

Glanmore Lake, Beara: Hier lebte Horst Stern acht Jahre lang

 

Geboren wurde Horst Stern am 24. Oktober 1922 in Stettin und wuchs dort mit seiner Mutter auf. Seinen Vater hat er nie kennen gelernt. Nach der Grundschule wechselte er auf das Gymnasium in Gollnow. Als seine Mutter wieder heiratete, zog die kleine Familie nach Berlin, wo er die Oberrealschule besuchte. Da die Familie in keinen guten finanziellen Verhältnissen lebte, Horst aber ein sehr guter Schüler war, bekam er ein Stipendium, das er jedoch bald wieder verlor, weil seine Liebe ausschließlich den Fächern Deutsch und Geschichte galt. Das Interesse an den anderen Fächern ließ zu wünschen übrig und führte zu Klagen der Lehrer. Doch das scherte ihn nicht. Und so kam, was kommen mußte: Er verließ die Schule 1938 mit der mittleren Reife. Er begann dann eine Banklehre, zu der ihm sein Stiefvater geraten hatte.

Im Krieg war Stern als Fallschirmjäger unter anderem in Nordafrika eingesetzt und landete später in amerikanischer Gefangenschaft, die ihn in die USA in ein Lager brachte, wo die Gefangenen großzügig behandelt wurden. Zum Beispiel hatten die Interessierten, die ein wenig Englisch sprachen, die Möglichkeit, sich an der Universität einzuschreiben, konnten Bücher kaufen und sich in den Bibliotheken weiter bilden. Stern, der recht gut Englisch sprach, konnte sich als Dolmetscher ein wenig Geld verdienen und somit sein Fernstudium an der Universität Chicago finanzieren.

1948 wurde er aus der Gefangenschaft nach Deutschland entlassen. Zunächst in Berlin, später in Ludwigsburg war er als Dolmetscher für die US Army tätig, wo er Kontakt zu Journalisten bekam. Auf Grund seiner guten Englisch-Kenntnisse und der Arbeit am dortigen Militär-Gericht, bekam er den Job bei den Stuttgarter Nachrichten als Gerichtsreporter. Dort freundete er sich mit Wolfgang Bechtle an, der ihn für die heimische Tierwelt interessierte. Diese Begegnung sollte ihn sein Leben lang als Streiter gegen Wald- und Artensterben und gegen Massentierhaltung und Gentechnik aktiv werden lassen.

 

Horst Stern bei der Arbeit. Foto: SWR

 

Horst Stern verließ die Stuttgarter Nachrichten 1955 und wurde Redaktionsberater beim Delius Klasing Verlag. Wenn Stern sich für ein bestimmtes Thema interessierte, dann wollte er es genau wissen und studierte am „Objekt“, um darüber schreiben zu können. Stern war Wissenschafts-Journalist, Filmemacher, Schriftsteller, Chefredakteur und Herausgeber. Unter anderem gründete er im Jahr 1980 die Zeitschrift natur. Und alles drehte sich um Umweltschutz und die heimische Tierwelt. Er deckte auf, legte den Finger in so manche Wunde, provozierte. Man schrieb über ihn: „Stern war ein Meister des Wortes, seine Sprache und pointierte Kritik haben ihm den Ruf eines Kronzeugen für die ökologische Bewegung eingebracht“! Oder, wie er sich selbst einmal geäußert hat: „Ich hab eigentlich immer nur in den Köpfen und Herzen der Ohnmächtigen etwas bewirkt, in den Köpfen der Mächtigen so gut wie garnichts.“ Und noch ein Zitat von Stern, den man beim Thema Massentier-Haltung aus der Fassung bringen konnte: „Der Mensch hat das Schwein zur Sau gemacht“!

1992 wanderte Horst Stern nach Irland aus und ließ seine journalistische Arbeit in Deutschland zurück. Der mittlerweile fast 70jährige fand hier auf der Beara-Halbinsel am Glanmore Lake ein beschaulich ruhiges und hinter Rhododendren verstecktes Fleckchen, wo er sich seiner zweiten Leidenschaft, dem Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten widmete. Sein bekanntester Roman „Mann aus Apulien“ wurde ein Bestseller.

 

Glanmore Lake

Horst Sterns Haus in Irland

 

War Sterns Auswanderung nach Irland Resignation? Er dementierte stets.

Die Auswanderung wurde ihm als Resignation ausgelegt, er habe mit seinen vielen unterschiedlichen Aktivitäten zum „Wohle“ der Natur nicht viel erreicht. Er hat das aber immer bestritten. Obwohl er in einem Interview sich so geäußert hat: „Nichts hat sich geändert, die Legebatterien sind nicht kleiner geworden, die Kälber stehen noch in der Dunkelbox, die Tierquälerei hat sogar zugenommen.“

Gerne hielt sich Horst Stern in der Restaurant-Küche seiner Nachbarin Josie am Glanmore Lake auf, und wenn deutsche Gäste auftauchten, verschwand er heimlich durch den Hintereingang. Auch bei seinen gelegentlichen Einkaufsgängen in Castletownbere, Bantry oder Kenmare vermied er den Kontakt mit Deutschen. Ich bin ihm zweimal über den Weg gelaufen, habe es aber vermieden, zu erkennen zu geben, daß ich weiß, wer er ist.

Horst Stern

Host Stern im Jahr 1997

An Wochenenden diskutierte Stern gerne im nahegelegenen „An Sibin Pub“ am Fuß des Healy Passes mit Einheimischen. Ich glaube, er hat es genossen, hier in Irland einen anonymen kreativen Lebensabend zu verbringen. Die örtliche Post-Mistress erzählte mir einmal nach Sterns Rückkehr nach Deutschland im Jahre 2000, sein Arzt hätte ihm zur Rückkehr geraten, die ärztliche Versorgung sei doch in Deutschland deutlich besser als in Irland.

Die letzten Jahre lebte Stern zurückgezogen in Passau. Er lehnte alle Interview-Anfragen ab. Auch Feierlickeiten zu seinen runden Geburtstagen. Horst Stern starb am 17. Januar 2019 im Alter von 96 Jahren.

 

[EDIT 7. Juni 2022: Unsere fortlaufenden Recherchen über Horst Stern in Irland haben ergeben, dass er nach  Jahren der Zurückgezogenheit und überstandener schwerer Krankheit erst im Jahr 1992, kurz vor seinem 70. Lebensjahr, nach Irland übersiedelte – und nicht wie ursprünglich geschrieben – im Jahr 1984. Wir haben dies korrigiert.]

 

PS: Horst Sterns berühmte Fernseh-Dokumentation Bemerkungen über den Rothirsch löste im Jahr 1971 einen Sturm der Entrüstung bei den Mächtigen und Wohlhabenden aus. Stern war mit seinen Erkenntnissen der Zeit weit voraus. Die inzwischen über 50 Jahre alte Sendung kann hier angesehen werden.

PSPS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews. Eine Übersicht über alle Beara-Stories gibt es hier.

 


Fotos: 1. und 3. von oben: SWR, Hugo Jehle; 2. von oben: Peter Bernhardt; 2. von unten: Markus Bäuchle; Porträt unten: Markus Beck via Wikipedia