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Dursey Island

Schwebende Kiste: Die Dursey-Seilbahn befördert maximal sechs Menschen

Freie Fahrt für den Massentourismus: Ende November hat Irlands oberste Planungsbehörde An Bord Pleanála das umstrittene Projekt zur touristischen Massenvermarktung von Dursey Island genehmigt – und damit ihrem eigenen Inspektor glatt widersprochen. Demnach soll nun am Dursey Sound an der Spitze der Beara Peninsula in Westwest Cork ein touristischer Rummelplatz entstehen, der jedes Jahr zigtausende Mietwagen- und Campervan-Piloten auf die südwestliche Landzunge lockt.

Rummelplatz Dursey Sound: Was aussieht wie der touristische Ausverkauf der schönsten Halbinsel im Südwesten, wird in der irischen Öffentlichkeit breit beklatscht und laut herbeigerufen. Fast alle hörbaren Stimmen sind dafür: Die regionale Tourismusindustrie, die Geschäftswelt, die Politiker, die Profiteure eben. Dennoch scheint es auf der Beara-Peninsula eine bislang schweigende Mehrheit zu geben, die nicht vom Tourismus profitiert und die all die Nachteile klar erkennt: Lärm, Luft- und Umweltverschmutzung, Trubel, Naturzerstörung, dazu steigende Preise und die massive Beeinträchtigung des bisherigen Lebens.

Dursey Island Zukunft

Pläne 1: Ein Rummelplatz aus Glas und Stein, mit Seilbahn, Restaurant und Souvenir-Shop

 

Im Raum steht die Kardinal-Frage: Warum muss jetzt auch noch Irland dem desaströsen Beispiel all der anderen gescheiterten Länder folgen und seine Natur in großem Stil den Interessen von Kapital und Profit opfern? Ist noch nicht genug Zerstörung weltweit angerichtet? Muss nun auch Irland seine wertvollen Natur-Resourcen in kürzester Zeit zerstören, nur weil damit Geld zu verdienen ist?

Das „unangemessenste touristische Großprojekt seit Mullaghmore , nennt Irlands wichtigster Umwelt-Aktivist, Tony Lowes, das Projekt, das seit vier Jahren vorbereitet wird und nun erst mal grünes Licht erhielt: Die vorgelagerte Atlantik-Insel Dursey Island soll mit einer neuen leistungsfähigen Seilbahn mit dem Festland verbunden, die Beförderungskapazität der bislang eher skurrilen Touristen-Attraktion mehr als verzehnfacht werden. Die schwebende Kiste für maximal sechs Fahrgäste soll einem Zweikabinensystem für zwei mal 15 Personen weichen.

Der Projektbetreiber, das Cork County Council, plant mit Unterstützung von Fáilte Ireland,  die bislang jährlich 20.000 Besucher Durseys auf 100.000 pro Jahr zu verfünffachen. Dafür müssen die Insel-Touristen die gesamte Beara Peninsula in ganzer Länge durchfahren – entweder via Glengarriff oder durch Kenmare. Auf dem Festland am Sound soll ein Besucherzentrum mit Restaurant, Sonnenterasse und Souvenir-Shop entstehen, ein großer Parkplatz soll 100 Autos und mehrere Touristen-Busse aufnehmen können. Das enge Sträßchen hinaus zum Dursey Sound soll verbreitert werden, ein elektronisches Verkehrsleitsystem soll den Zugang zur Beara Peninsula schon in Glengarriff koordinieren.

 

Dursey Island

Pläne 2: So soll die Seilbahn über den Dursey Sound nach Vorstellung der Projektbetreiber aussehen

 

Fürs Erste hat die oberste Planungsbehörde mit ihrer Entscheidung vom November 2021 dem künftigen Rummel am Dursey Sound eine Obergrenze gesetzt. Nicht mehr als 5.000 Besucher sollen pro Monat die Insel besuchen dürfen, das wären erstmal 60.000 pro Jahr – ohne all die Besucher, die zum Dursey Sound fahren, ohne auf die Insel überzusetzen. Doch wie schnell sind solche Grenzen obsolet, wenn die Profitmaschine läuft und die Beförderungskapazitäten vorhanden sind?

Von öffentlichem Widerstand fehlt bislang jede Spur. Die poetisch-mächtige Stimme eines John O’Donohue fehlt in West Cork, sie fehlt lange schon, in ganz Irland. Nur ein paar Umwelt-Aktivisten von den Friends of the Irish Environment, von An Taisce und Birdwatch Ireland sind gewillt, in den Kampf für die natürliche Welt, für die letzten Alpenkrähen (Choughs) von Irland und gegen die Ausbeutung Dursey Islands zu ziehen. Sie könnten vor den Gerichten punkten – und vielleicht rührt sich die schweigende Mehrheit doch und baut im Verborgenen den Widerstand gegen das Rummelplatz-Projekt auf. Eine irische Freundin schrieb mir dazu kürzlich diese Zeilen:

 

“Wie viele andere habe ich große Vorbehalte, aber ich weiß auch, dass die Menschen auf Beara sehr in ihren Gewohnheiten verhaftet sind und eine enge Gemeinschaft bilden, besonders in Garnish und Allihies. Als ich kürzlich die schmale Straße bei Garnish entlangfuhr, konnte ich nicht anders als Mitleid mit den Einheimischen zu haben. Warum mit einem Restaurant dort draußen mehr Autofahrer anlocken, ganz zu schweigen von den Besuchern auf Dursey?

Ich bin zwar für den Erhalt des Status quo, aber ich persönlich kann mich aus vielen Gründen nicht einmischen. Ich habe Freunde, die dort leben und sowohl dafür als auch dagegen sind, und das sorgt im Moment für viel Unruhe, aber ich fühle mich nur als Besucher . . .

Ich habe meine Zweifel, dass es vorangehen wird, die Landwirte werden nur langsam die Verbreiterung der Straßen ermöglichen, Gegner werden eingreifen, aber das wird alles seine Zeit brauchen, und ich denke, die Einheimischen werden gegen die Zunahme des Verkehrs protestieren. Es gibt nur ein einziges B&B westlich der Cahermore-Kirche, viele Einheimische sind älter und haben kein Interesse am Tourismus, und am Strand von Garnish gibt es im Sommer nur wenige Parkplätze für Einheimische . . . ”

 

Die Januartage am Dursey Sound sind einsam und still. Man hört nur das Raunen des Atlantiks, das Pfeifen des Winds und die Schreie der hungrigen Möwen. Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Der Fianna Fail-Parlamentarier Christopher O’Sullivan pries das Zehn-Millionen-Euro-Projekt Dursey kürzlich als “einen touristischen Game-Changer für die Beara Peninsula und für die gesamte Region”. Wie recht er hat: Damit würden die wilden Zeiten am Wild Atlantic Way noch wilder – Westwest Cork würde dann gänzlich dem Massentourismus ausgeliefert – und würde damit all das verlieren, was es noch immer so einzigartig macht, in Irland und in ganz Europa.

Meine Meinung: Hände weg von Dursey Island. Lasst den Dursey Sound in Ruhe.

 

Pläne, Pläne: So soll es künftig auf der Festlandseite am Dursey Sound aussehen

 

Fotos: Titelfoto: Markus Bäuchle; Die Planungsfotos sind den Plaungs- und Ausschreibungsunterlagen des Cork County Councils entnommen.  

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