Hawthorn Road

Hawthorn Road

Der Weißdorn blüht. Irland weiß-grün. Die Vegetation ließ sich in diesem Jahr Zeit. Der Weißdorn steht erst jetzt in voller Blüte, drei bis vier Wochen später als in einem normalen Jahr. Die Ursache dürften der monatelange Winterregen und die eklatante Staunässe im Boden sein, die das Wachstum im Frühjahr verzögert haben. Jetzt allerdings blüht der auch als Maibaum und als Feenbaum bezeichnete Weißdorn so intensiv wie seit Jahren nicht. Der grün-weiße Farbrausch zieht die Menschen in seinen Bann. Heute auf Irlandnews ein paar aktuelle Fotos von der Weißdornblüte und ein Auszug aus einem Text von Elisabeth Firsching, die den Crataegus und alle anderen Bäume des Keltischen Baumkreises hier auf Irlandnews auf einfühlsame Weise beschrieben hat.*

Der Weißdorn (Crataegus, Hawthorn) zählte zu den heiligsten Bäumen der Kelten und verzaubert die Menschen mit seiner Blütenpracht in der Zeit, die ihm im Keltischen Baumkreis zugeordnet wurde: vom 13. Mai bis 9. Juni. Der Weißdorn verkörpert im Ogham Alphabet das H, sein keltischer Name ist UATH. Nüchtern betrachtet qualifizierte sich dieses strauch- bis baumartig wachsende Gehölz zunächst als natürlicher Zaun für kleine Siedlungen und einzelne Gehöfte. Zusammen mit anderen dornigen Pflanzen bildet der Weißdorn dichte Abgrenzungen am Rande der Weiden. Vor dem Einzug modernerer Einrichtungen wie dem Stacheldraht und der Alarmanlage bot er Schutz für Menschen und Nutztiere vor wilden Tieren und plündernden Vaganten.

Weißdornblüte IrlandAuch heute ist der Weißdorn ein wichtiger Bestandteil der Hecken in Irland. Zur Blütezeit im Mai verwandelt sich dieser je nach Unterart mitunter sparrig wachsende Strauch, der zur Familie der Rosengewächse gehört, in eine Art Brautstrauß der Natur, an dem man sich kaum satt sehen kann. Das Holz konnte aufgrund seiner Härte sehr gut für Alltags-Gegenstände, wie Spindeln, Dreschflegel, Holznägel oder Wanderstöcke verwendet werden. Die Früchte, kleine rote, mehlige Beeren, wurden roh gegessen und zu Mus verkocht oder in Brot eingebacken.

Durch viele Jahrhunderte war der Weißdorn der weißen Göttin geweiht, später wurde er als Wohnstatt der Feen angesehen und bis in unsere Zeit mit Distanz und Ehrfurcht verehrt. Wo er wuchs, gab es Pforten zur Anderswelt. In seinem Umkreis erschloss sich dem Kundigen die Möglichkeit, Rat und Hilfe zu bekommen. Nach der Zeit der Druiden versuchten die Menschen die Feen mit auf Zweige gebundenen Stofffetzen sanft zu stimmen. Solche über und über behängten Büsche gibt es immer noch an manchen heiligen Plätzen in Irland und der Glaube, dass das Fällen eines solchen heiligen Baumes tödliches Unheil nach sich ziehen würde, hält sich in der Bevölkerung hartnäckig.


Gerade in unserer Zeit kommt dieser Heilpflanze besondere Bedeutung zu, Erkrankungen des Herzens gelten in der westliche Welt als häufigste Todesursache. Unsere von der Natur in weiten Teilen abgekoppelte und hektische Lebensweise belastet das Herz ganz allgemein. Die Bereitschaft, dem Stärkeren Recht zu geben, den eigenen Vorteil als Richtschnur zu nehmen und Mitgefühl als entbehrlichen Luxus zu betrachten, lässt uns in einer herz-losen Gesellschaft zurück, die auf Geld und Macht und den Erhalt davon setzt. Vielleicht sollten wir uns auf die wunderbar unterstützenden Eigenschaften dieser alten Heilpflanze besinnen und uns öfter unter ihren Schutz begeben.

Weißdorn-Blüte

Andererseits besteht im Volksglauben nach wie vor eine ambivalente Haltung diesem Baum gegenüber. Er soll auch Menschen und Tieren Unheil gebracht haben, wofür allerdings die Ursachen stets in einem Fehlverhalten der Betroffenen zu suchen gewesen sein sollen.

Ich muss zugeben, dass ich beim Weißdorn eine geheimnisvolle Aura stärker als bei anderen heiligen Bäumen empfinde. Wie eine Art Tor in andere Welten zieht es mich in seine Nähe. Nach einer Weile eingestimmt, begegne ich mir in einem unbekannten Teil meines Selbst, ein kleiner Zipfel lüftet Farben, die bekannt und doch fremd erscheinen. Eine Ahnung von den Tiefen der Seele tut sich auf . . . 

Hier gibt es weitere Beiträge von Elisabeth Firsching zu den Bäumen Irlands und über den Keltischen Baumkreis: Irlands BäumeAuf den Garten-Reisen von Wanderlust können Sie die Bäume, Sträucher, die Wildpflanzen und Heilkräuter Irlands auf intensive Weise kennen lernen: Garten-Reisen Irland

Der Weißdorn blüht im Rabach, County Kerry

Der Weißdorn blüht im Rabach, County Kerry

 

Fotos: Markus Bäuchle / Wanderlust (4)