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It´s baltic

Baltisches Wetter in Irland

Es geht wieder los, die Tage werden kürzer, die Nächte länger und langsam sinken die Temperaturen. Die Blätter verfärben sich und tanzen in der Herbstbrise zu Boden. Die Niederschlagswahrscheinlichkeit nimmt stetig zu, was eine willkommene Abwechslung nach einem heißen und trockenen Sommer in vielen Teilen Europas ist. Schon jetzt sind die Tage nicht mehr „brennend“, und einige meiner irischen Bekannten werden die meteorologischen Bedingungen sicherlich bald als ‘baltic’ („baltisch“) bezeichnen. In all den Jahren, in denen ich in Großbritannien und Irland lebte, war mir dieser Ausdruck zur Beschreibung des Wetters noch nicht begegnet: „It’s baltic outside!“

Ein Silberstreif meiner Pandemieerfahrung war der rege Austausch von Sprachnachrichten mit einer Freundin in County Meath. Sie ging regelmäßig am Boyne River spazieren und unterhielt sich mit mir über ihr Pandemie-Leben in Irland, und natürlich tauchte das Wetter immer irgendwo in ihren Nachrichten auf. „It is baltic today!“ sagte sie gelegentlich, und ich konnte am Tonfall ihrer Stimme und der darauf folgenden Erläuterung erkennen, dass sie regnerisches, windiges, kaltes und tristes Wetter meinte. “Baltisch” eben! Und so wurde ich mit der Redewendung bekannt gemacht.

Its baltic in IrlandJeder, der schon mal das Vergnügen gehabt hat, sowohl in Irland als auch an der Ostsee längere Zeit zu verbringen, wird wahrscheinlich zustimmen, dass die Winter dank der ähnlichen Breitengradlage vergleichbar lang und dunkel sind. Aufgrund der maritimen Nähe beider Regionen kann es vor allem im Winter recht stürmisch und nass werden. Aber haben sie wirklich das kälteste und regnerischste Wetter auf dem europäischen Kontinent?

Es stellt sich heraus, dass die durchschnittlichen jährlichen Niederschlags- und Temperaturdaten darauf hindeuten, dass Schottland und Norwegen wirklich die Hauptlast davon abbekommen. Mir ist keine Redewendung bekannt, die sich auf eine dieser Regionen bezieht, wenn es um widrige Wetterbedingungen geht, aber ich bin gespannt, ob der ein oder andere Leser solche Ausdrücke kennt.

Sowohl in Irland als auch an der Ostsee sind die Menschen jedenfalls stolz auf regelmäßig wunderschönes Sommerwetter, die Verallgemeinerung von „irischem“ oder „baltischem“ Wetter als nass, kalt und trostlos ist deshalb einfach unfair. Aber wir neigen zu Verallgemeinerungen, und anscheinend ist die Bezeichnung „baltic“ in einigen Teilen der britischen Inseln und Irlands, wie auch in Schottland und Nordirland üblich – weniger dafür im Süden.

Zweifellos werden in den nächsten Monaten, wenn der Winter in der nördlichen Hemisphäre kommt und geht, einige „baltische“ Tage auf uns zukommen, und angesichts der aktuellen Herausforderungen bei den Heizölkosten kann der kommende Winter für viele europäische Haushalte schwierigen werden. Wir wünschen allen Lesern trotz baltischem Wetter und horrender Preise einen warmen und gemütlichen Winter.

Winter in Irland

Schnee auf irischen Palmen

Fotos: Ulrike Donohue (2), Markus Bäuchle (1)

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