Wir sind die Arche: Unsere Gärten sind die Zeugen unseres drohenden Scheiterns. Am Gartenzaun hört meist alle Natur auf. Am Gartentor beginnt der sterile zivilisierte Raum. Es gibt Zeitgenossen, die sich auf ihrem Zierrasen im Reihenhausgarten in der Natur fühlen, doch unsere Gärten sind in der Regel grüne Wüsten, lebensarme Schutzzonen für menschliche Befindlichkeiten. Die irische Gärtnerin und Naturschützerin Mary Reynolds hat aus dieser Erkenntnis im Jahr 2018 eine Bewegung gegründet. Sie setzt sich dafür ein, dass die Menschen weltweit ihre Gärten, ob mini, klein oder groß, zumindest teilweise an die wilde Natur zurückgeben, und darin heimische Tiere und Pflanzen als unsere Mitbewohner willkommen heißen.
Mary hofft, dass möglichst viele Menschen der bedrohten natürlichen Welt mit einem eigenen kleinen Beitrag helfen und die Hälfte ihre Bodens der Natur zurück geben oder überlassen. We are the Ark – Wir sind die Arche, heißt die neue Bewegung zum Schutz der Artenvielfalt, der wir uns mit der Starlight House Ark im Jahr 2019 angeschlossen haben und die in Irland und Großbritannien schon über 750 Teilnehmer hat.
Zwei gute Nachrichten: Auch wenn wir uns oft ohnmächtig fühlen, und auch wenn wir die Welt alleine nicht retten können – wir alle können unseren kleinen Beitrag leisten und etwas für die Erde tun. Wer ein Fleckchen Land hat, und sei es noch so klein, kann ein Stück Land an die Wildnis zurück geben und Pflanzen und Tieren Raum zum Leben zurück geben. Mary, die aus Wexford im Südosten der grünen Insel stammt und in Irland eine bekannte Gartenggestalterin ist, nennt diesen Liebesdienst für Mutter Erde und uns selber Acts of Restorative Kindness (ARK) – auf Deutsch etwas holprig: Akte wiederherstellender Zuwendung. Ich würde frei übersetzen: Seid freundlich und gebt der Natur etwas zurück. In Anlehnung an die biblische Arche können unsere vielen kleinen Archen sich über die Zeit miteinander vernetzen und die bedrohte Vielfalt der Arten wieder stärken.
Zweite gute Nachricht: Das bisher nur in Englisch vorliegende Buch von Mary Reynolds über die Arche gibt es seit wenigen Tagen dank der Intitiative des Saarbrücker Verlags Neue Erde in deutscher Übersetzung: „Wir sind die Arche. Die Artenvielfalt retten“ (Verlag Neue Erde 2025, 276 Seiten, 28 €). Das Buch mit schönen Illustrationen von Ruth Evans erklärt leicht verständlich, wie wir mit dem Aufbau einer Arche beginnen und der Natur Schritt für Schritt lebendigen Raum zurück geben und überlassen können.
Das sind die ersten Schritte
Schritt 1. Gib mindestens die Hälfte deines Gartens oder Grundstücks an die Natur zurück. Wenn nicht die Hälfte, dann so viel, wie möglich. Versuche, auf der anderen Hälfte so viel wie möglich von deinen eigenen Bio-Lebensmitteln anzubauen. Schütze deine Arche und hilf ihr, sich durch natürliche Prozesse zu verwildern, damit sie mit der Zeit zu einem immer komplexeren Ökosystem wird. Jedes Stück Erde ist willkommen. Selbst ein Blumenkasten mit heimischer Erde, in dem die Samen der heimischen Unkräuter gedeihen und Nahrung und Fortpflanzungsmöglichkeiten für Insekten bieten, ist großartig!
Schritt 2. Hänge ein Schild mit der Aufschrift »Dies ist eine Arche – www.wearetheark.org« auf. Diese einfache Maßnahme macht deutlich, dass du dich nicht für einen »unordentlichen Garten« schämst, sondern stolz darauf bist, etwas Wichtiges zu tun, das all den Lebewesen hilft, mit denen wir den Planeten teilen. Die Website www.wearetheark.org wurde eingerichtet, um interessierten Nachbarn zu erklären, was auf deiner Arche geschieht und warum es notwendig ist.
Schritt 3. Entferne alle nicht-einheimischen »invasiven« Pflanzen. In großem Maßstab ist dies schwierig, aber auf unseren einzelnen Parzellen können wir es leicht genug mit der Hand oder schwerem Mulchmaterial bewerkstelligen. Die Pflanzen bewegen sich nicht mit 100 km/h. Es gibt keinen Platz für Chemikalien in einer Arche, sie verursachen viel mehr Probleme als sie lösen und wirken in vieler Hinsicht sehr zerstörerisch auf das Leben.
Schritt 4. Greife ein und stelle alle Ökosystemleistungen bereit, die wir aufgrund des Fehlens des vollständigen Lebenskreislaufs erbringen müssen. Das Ziel ist es, auf dem dir zur Verfügung stehenden Land so viele verschiedene Lebensräume wie möglich zu schaffen. So entwickelt sich ein möglichst vielfältiges Ökosystem auf deinem Gelände. Wenn du den nötigen Platz hast, solltest du mehrere Lebensräume schaffen, etwa eine Arche-Wiese, eine kahle Erdböschung, einen Totholzhaufen, einen Teich, ein Dornengestrüpp, einen heimischen Wald, eine Trockenmauer und so weiter.
Schritt 5. Heimische Pflanzen sind der Grundstein für jedes Ökosystem. Die Archen gründen sich auf den heimischen Pflanzen in deinem Teil der Welt, wo auch immer du lebst. Nach sorgfältiger Beobachtung deiner Arche kann es sein, dass dein Boden geschädigt ist oder nichts wächst, weil die Krautsamen fehlen. Säe in diesem Fall eine Arche-Wiese oder eine Wildblumenwiese an, um das System neu zu starten und langsam so viele heimische Pflanzen wie möglich einzuführen. Verwende nur heimisches biologisches Saatgut, Stecklinge und Pflanzen (wenn möglich), da diese lebenswichtiges genetisches Material für die lokalen Insektenpopulationen bieten und nicht mit Giften aufgezogen wurden. Beim Aufbau deiner Arche werden die natürlichen Prozesse der Natur sorgfältig nachgeahmt.
Schritt 6. Mache Löcher in deine Umhegungen und Zäune, damit Wildtiere kommen können. Lerne, deinen Flecken auf dieser Erde mit ihnen zu teilen.
Schritt 7. Beleuchtung der Arche: Die heute übliche blau-weiße Beleuchtung ist einer der Hauptfaktoren für den Rückgang der Artenvielfalt. Achte darauf, dass es dunkel ist, oder stelle sicher, dass alle deine Archen-Lichter einen rötlichen Farbton haben. Das stört weniger. Stelle sicher, dass die Außenbeleuchtung mit einem Bewegungssensor ausgestattet ist, so dass sie nur für kurze Zeit eingeschaltet wird, wenn du sie brauchst, und sonst Dunkelheit herrscht.
Schritt 8. Schließe dich mit Gleichgesinnten zusammen und wende dich an deine Stadtverwaltung und Hausbesitzervereinigung, an deine Schule und Universität und bitte um Unterstützung für die Umwandlung von mehr und mehr Parks und öffentlichem Land in Archen.
Schritt 9. Bitte markiere deine Arche auf unserer Karte der Archen damit wir die Punkte mit den künftigen Wildtier-Korridoren verbinden können.
Das ist der Inhalt des neuen Buchs:
Archen und das große Erinnern
Die Geburt von We Are the ARK
Die Gartenindustrie und das große Vergessen
Hüter, nicht Gärtner
Der wissenschaftliche Teil und die Ziele von ARKing (in Archen verwandeln)
Unsere Wahrnehmungsverschiebung
Drei Grundgesetze der Ökologie
Samen der Wiederherstellung
Der Unterschied zwischen ARKing und groß angelegtem Rewilding
ARKing-ZIele
ARK-Design und erste Schritte
Erste Schritte beim Aufbau deiner ARK
Landschafts-ARKitektur für verschiedene Teile unseres gemeinsamen Planeten
Die Pflanzen, die eine Arche bilden
Warum heimische Pflanzen?
Die Pflanzenebenen einer ARK
Entwicklung eines vielfältigen ARK-Ökosystems
Aussaat oder Wiederherstellung eines ARK-Rasens oder einer Wiese
Anlegen eines Gehölzes
Zusätzliche Ebenen zur Unterstützung der Lebewesen
Nimm das Schlamassel an!
Wasserbehausungen
Vogel- und Fledermausunterkünfte
Die winzigen unsichtbaren Reiche berücksichtigen
Umkehrung des Insektensterbens
Die Königreiche unter unseren Füßen
Baue deine eigene Nahrung an!
Das verrückte Lebensmittelsystem
Wandel von Grund auf
Ernähre den Boden, ernähre deinen Körper
Praktiken zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln
Teilen und Gemeinschaft bilden
Weitergehender ARKevismus
Archen auf schulischen, öffentlichen und gewerblichen Flächen
Politischer ARKevismus
Schlussfolgerung: Das Leben in Harmonie neu denken
In unserer Arche leben 40 Vogelarten, Hirsche, Füchse, Marder
In unserer eigenen Arche in der Bantry Bay im Südwesten von Irland leben mittlerweile wieder 40 Vogelarten, dazu Füchse, Hirsche, Steinmarder, Eichhörnchen, Hermeline, Igel, Mäuse, Frösche und Kröten. Wir haben das Konzept von We are the Ark im Detail beschrieben; wir haben mit Mary Reynolds gesprochen und das Interview mit ihr veröffentlicht, wir haben zahlreiche Bewohner unserer Arche und mehrere Archen-Projekte in Irland vorgestellt. Alle Beiträge findet ihr hier auf Irlandnews.
Der Verlag Neue Erde spendiert drei Exemplare des neuen Buchs an die ersten drei neuen Arkisten im deutschsprachigen Raum. Wer sich entscheidet, eine eigene Arche zu beginnen und sich beim Aufbau medial begleiten zu lassen, kann sich bei mir melden: markus (at) irlandnews.com . Die Neue Erde hat übrigens auch eine deutsche Version von Mary Reynold’s Website produziert. Sie erhält ebenfalls wertvolle Informationen darüber, was wir tun können, um unserer Erde und damit uns selbst zu helfen.
Das Buch „Wir sind die Arche“ von Mary Reynolds (276 Seiten, 28 €) bekommt ihr in Eurem örtlichen Buchladen oder online beim fairen sozialen Buchändler Buch7.
Eine kostenlose Leseprobe gibt es hier.
PS: Wir suchen eine ARK-Botschafterin für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Wer sich engagieren will: Bitte melden!
Fotos: Mary Reynolds privat [1], Buch-Cover: Neue Erde: Ark-Fotos: Markus Bäuchle [4]
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Lieber Markus, vielen Dank für die Einsichten in das ArcheKonzept, dass ich ja auch schon live bei dir erleben durfte – toll. Beim Lesen fiel mir wieder ein, dass ich vor vielen Jahren, ich glaube 1999, auf das AnastasiaKonzept gestossen bin, das mittlerweile weltweit ihre Anhänger hat. Auch wenn es nicht ganz dasselbe ist wie das ArcheKonzept, so haben einige Praktiken ähnliche Züge. Der russische Autor Wladimir Megre verfasste insgesamt 10 Bände dazu, das erste hiess «Anastasia, die Tochter der Taiga». In der Schweiz versuchte der Verein «Family Homestead Switzerland» diese Konzepte umzusetzen, wurde aber 2024 wieder aufgelöst – schade. Umso schöner, dass es wieder Menschen gibt, die sich der Natur in dieser Weise widmen.
Leider habe ich keinen Garten mehr, doch in meiner Jugend war ich oft auf unseren mehreren Hektar grossen FamilienPlantagen und Gärten im Puschlav GR unterwegs. Sie sind nicht mehr in unserem FamilienBesitz und wer weiss, ob sie vielleicht sogar gänzlich der Natur zurückgegeben wurden.
Mich haben die 9 Punkte sehr beeindruckt und als StressGerontologe versuchte ich dazu passende VerhaltensWeisen für den Menschen abzuleiten. Mir ging durch den Kopf: Was nützt es dem Menschen, Archen zu schaffen, wenn dieselben sich kaum um ihren ÖkoAbdruck kümmern. Von daher sollte auch die innere Haltung dazu stimmen: 1. Akzeptanz & Loslassen | 2. Selbstbewusstsein & Haltung |3. Geduld & Beharrlichkeit | 4. Kreativität & Flexibilität | 5. Achtsamkeit & Beobachtung | 6. Öffnung & Vertrauen | 7. Reduktion & Entspannung | 8. Gemeinschaft & Unterstützung | 9. Langfristiges Denken & Sinnhaftigkeit.
Das sind natürlich nur Headlines und es klingt wie «billige» Floskeln. Doch wenn man diese näher ausführen würde in Korrelation zu den neun Schritten des ArcheKonzeptes, dann könnte dieses wunderbare Projekt vielleicht noch mehr an Kraft und Einfluss gewinnen als der wieder in sich zusammengefallene Verein «FamilienLandsitze Schweiz».
Hier in der Schweiz ist derzeit herrliches WanderWetter, deshalb werde ich mich heute wie gestern dazu aufmachen – und sobald der Schnee weg ist, auch wieder aufs PAXMAL.