Irland, „Land des Lichts“, „Insel der wilden unberührten Natur“. Sehnsuchtsort der Landschafts-Fotografen. Noch.
Was macht ein Fotograf danach? Nachdem er seinen professionellen und Möchtegern-Kollegen die besten Orte, Blickwinkel und Motive seiner jahrzehntelangen Erkundungsarbeit inklusive Koordinaten als Geheimtipps verraten hat? Preis gegeben in einem Foto-Buch etwa, das seine Aufnahmen von herrlichen Landschaften präsentiert und gleichzeitig Pfadfinder und Orientierungshilfe für alle Nachahmer sein will?
Er kann danach:
- Die Landschaften verlassen und sich neue Motive andernorts suchen. Er muss darauf hoffen, dass es von jenen Landschaften noch keinen Fotoreiseführer gibt.
- Das Fotografieren aufgeben, etwas anderes tun oder von den Tantiemen seiner Bücher leben.
- Hochzeiten fotografieren.
- Seine besten Aufnahmen mit Photoshop und Co in marktgängige Fantasie-Bilder verwandeln.
- In Rente gehen.
- Sich in die Makro- oder Mikro-Fotografie versenken und die kleinen Landschaften vermarkten.
- Ein Buch publizieren mit den wirklich letzten Geheimtipps und GPS-Koordinaten, die er im ersten Anlauf dann doch noch für sich behalten hatte.
- Etwas Spannendes anderes tun, auf das wir gerade nicht gekommen sind?
Wir fragen Carsten Krieger: „Von der Technologie getriebener Demokratisierer der Künste, wie geht es weiter, Carsten?“
[Edit 5. August 2019: Carsten hat per Kommentar geantwortet. Siehe unten.]
Carsten Krieger, Autor zahlreicher Irland-Fotobücher und unser ehemaliger Fotografie-Partner, lebt und arbeitet seit dem Jahr 2002 im County Clare im Westen Irlands. Er hat in diesem Sommer den Foto-Reiseführer Irland fotografieren (Reihe Fotoscout im dpunkt Verlag Heidelberg, 360 Seiten, € 26,90) veröffentlicht. Die Werbe-Prosa des Verlags zum Buch lässt uns wissen:
Irland-Kenner und Fotograf Carsten Krieger, der seit fast 20 Jahren die Grüne Insel mit der Kamera erforscht, zeigt Ihnen die besten Foto-Locations in Irland und verrät dabei auch die versteckten Locations, die die Besucher nicht kennen. Was Irland für Fotografen so interessant macht, ist das weite Spektrum an Motiven, die sie auf relativ kleinem Raum antreffen können. Von einsamen Stränden und dramatischen Klippen ist es oft nur eine kurze Autofahrt und man findet sich inmitten einer wilden Bergwelt wieder. Entlang des Weges bieten sich alte Kirchen und Schlösser als Fotomotive an und auch der nächste traditionelle Pub in einer malerischen Ortschaft ist nie weit entfernt.
Die Reise führt von der eher urbanen Ostküste über die Flüsse und Seen des Landesinneren zu der wilden Westküste – dem Wild Atlantic Way – und anschließend nach Nordirland. Neben zahlreichen Bildbeispielen mit Aufnahmedaten und Informationen zur besten Tages- und Jahreszeit fürs Fotografieren erhalten Sie zu jeder Location eine genaue Wegbeschreibung mit Geokoordinaten, auch in Form von QR-Codes.
Das ist Full-Service für den Foto-Nachahmer. Kein Suchen mehr, nur noch Finden. Schnell, zeitsparend, effizient. Fehlt nur das perfekte Wetter – und die perfekte Aufnahme.
Fotografieren ist so einfach und so leicht ersetzbar
Wir empfehlen Verlagen und Fotografen deshalb eine Erweiterung der Geschäftsidee. Die Zukunft kann so aussehen: Der Kunde steht an einem grauen Tag an den Cliffs of Moher und versucht sich an einer Panorama-Aufnahme. Das entstandene Grau-in-Grau-Foto in seiner Digitalkamera (Qualitäts-Level: Gurke) wird dank Ortungsfunktion und 5G-Datenbank-Verbindung gegen das perfekte Foto (bei besten Lichtverhältnissen vom Profi fotografiert und in der Verlags-Bilddatenbank Perfect-Pic-Porn abrufbar) in Sekundenschnelle ausgetauscht. Optional wird es zeitgleich auf den ausgewählten Social-Media-Kanälen gepostet. Die letzte Qualifikation des Nutzers besteht nun darin, sich an den jeweiligen Ort zu begeben und einmal Klick zu machen.
Mehr noch: Selbst diesen Perfect-Pic-Service stellt das Zusatz-Angebot More-than-Perfect-Pic-Porn noch in den Schatten: Gegen eine zusätzliche kleine Mitgliedsgebühr kann der Reisemüde seinen Avatar auf Schmoogle-Maps an jeden Ort der Welt schicken und das perfekte Foto dazu vom Server laden. Sofa Shooting leicht gemacht. Es ist geschafft. Endlich. Das ist das Ende der Fotografie.
PS: Wer den Infrastruktur-Vernichter Amazon vermeiden und dieses Buch doch online bestellen will (und gerade mal nicht beim lokalen Buchhändler): Carsten Kriegers neues Buch gibt es hier beim sozialen Online-Buchhändler Buch 7: Irland fotografieren
Danke für den tollen Hinweis auf das Buch . Halte es gerade in den Händen und bin begeistert….Fotografiere selber gerne und habe nun eine Begründung ( für meinen liebsten Reisebegleiter ..) warum ich jetzt gerade dort hin will um Fotos zu machen :-)) Habe einige Tipps schon selber mal gefunden und werde dieses Jahr im Osten weitermachen . Unterwegs wird sich das ein oder andere Motiv eh noch finden ,
Erst einmal Danke an Markus, der mein neues Buch hier auf seine sehr spezielle Weiße vorgestellt hat und seine Einladung darauf zu Antworten.
Zuerst möchte ich Markus‘ leicht bittere, aber durchaus verständliche Kommentare etwas verallgemeinern und weiterspinnen und schlage deshalb Folgendes vor:
Zum einen die Abschaffung aller Reiseführer, egal ob gedruckt oder online. Das Fehlen dieser Informationsquellen sollte das Reisen endlich wieder aufregend und interessant gestalten. Außerdem sollte es überlaufene Touristenorte wie z.B. die Cliffs of Moher deutlich entlasten, da keiner weiß, dass sie existieren.
Dann würde ich gerne noch einen Schritt weiter gehen und auch alle geführten Reisen, inklusive Wander-Reisen, untersagen. Auch das sollte das Reiseerlebnis weitaus spannender und erlebnisreicher gestalten.
Auch von der Umweltschutz Perspektive würde dies nur positive Auswirkungen haben: Kleinere und sich langsamer fortbewegende Gruppen würden die Landschaft weitaus weniger belasten und die unvermeidlichen, Hunger und Durst zum Opfer gefallenen Besucher, die es mangels an Informationen leider nicht mehr schafften den nächsten Pub zu erreichen, unterstützen die irische Flora und Fauna auf ihre eigene Weiße.
Angenommen wir hätten diesen Status erreicht, wäre es an dieser Stelle Zeit zu fragen: Vom Drang ein geplantes Naturerlebnis teilen zu müssen Geplagter, wie geht es weiter, Markus?
Was Markus‘ Zukunftsversion der Reisefotografie angeht, da liegt er vermutlich, leider auf dem richtigen Weg. AI (Artificial Intelligence) ist das Zauberwort, das bereits jetzt in diesem Augenblick die Welt der Fotografie zu verändern beginnt. Alle Entscheidungen, von der Motivwahl über die Bildgestaltung bis zur Belichtung werden vom einem Computerchip getroffen werden. Das wiederum wird Leute wie mich arbeitslos machen und zwingt uns dazu Alternativen, wie z.B. das Verfassen von Foto-Reiseführern, zu finden.
Was danach passiert steht in den Sternen, aber ich werde Markus‘ Vorschläge durchaus in Betracht ziehen. Im Augenblick schwanke ich noch zwischen 5. In Rente Gehen und 8. Etwas Spannendes anderes tun, auf das ich gerade nicht gekommen bin? Vielleicht Reiseleiter für geführte Wandertouren…?