Milleens Käse

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 34)

von Peter Bernhardt 

Heute erzählt Peter Bernhardt, wie sich ein Käse anschickte, Geschichte zu schreiben. Es ist die Erfolgsgeschichte der Familie Steele. 

 

Wir schreiben das Jahr 1968. Norman Steele war Philosophie-Professor in Dublin und seine spätere Frau Veronica eine Philosophie-Studentin am  UCC in Cork. Sie begegneten sich bei einem Vortrag über Ludwig Wittgenstein, den Norman in Cork hielt. Über ihre erste Begegnung äußerte sich Norman später: „She was just about the only person in the audience not wearing a nun’s habit or a dog collar” („Sie war so ziemlich die einzige Person im Publikum, die keine Nonnenkutte oder ein Hundehalsband trug.“)

Milleens

In diesem alten Cottage auf Beara wurde die Käserei Milleens gegründet

Als Aussteiger machten sich die beiden Philosophen im Jahr 1968 auf die Suche nach einem geeigneten Platz, wo sie als Selbstversorger ein bescheidenes Leben starten könnten. Sie fanden ein typisches, altes Cottage in der Nähe von Eyeries auf der wild-zerklüfteten Beara Peninsula. Sie heirateten und zogen vier Kinder groß.

Zur Selbstversorgung gehörte neben einem großen Gemüsegarten, in dem alles wuchs, was man in den Geschäften nicht für Geld und gute Worte kaufen konnte. Sie hielten sich auch eine Kuh, der sie den Namen Brisket gaben. Recht schnell war ihnen klar, daß die Kuh mehr Milch produzierte, als die Familie verbrauchen konnte. Drei Gallonen am Tag. Die Überschüsse aus dem Gemüsegarten konnten sie bei einem Freund los werden. Der war Küchenchef in einem Restaurant. Wohin aber mit der überschüssigen Milch? Ganz schnell war die Idee geboren, es mit Käse-Machen zu probieren. Das war Anfang der 70er Jahre. Zwei Jahre lang versuchte Veronica es mit der Herstellung von Cheddar. Doch es gab nie ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Nachdem die Familie mit den Ergebnissen nicht so recht zufrieden war, machte Norman den Vorschlag, sie solle es doch zur Abwechslung einmal mit einem Soft-Cheese versuchen. Und das klappte hervorragend. Denn das Klima mit der salzigen, immer feuchten Luft auf Beara bildet die optimalen Voraussetzungen für das Wachstum der Rotschmierbakterien.

 

Aus einer Kuh wurde bald eine ganze Herde

Eines Tages lieferten die Steeles wieder einmal ihr überschüssiges Gemüse an ihren Freund und legten einen ihrer Weichkäse bei. Der Küchenchef war sofort begeistert und weil gerade der Manager eines Hotels in Cork im Restaurant saß, bekam der auch eine Probe vorgesetzt. Überflüssig zu erwähnen, daß dies der Anfang einer über 40-jährigen Erfolgsgeschichte war.

Veronicas „Milleens“ war der erste in Irland handgefertigte Bauernkäse. Schon sehr bald war Briskets, die Kuh, nicht mehr alleine. Eine zweite leistete ihr Gesellschaft. Und auch diese Zweisamkeit hielt nicht lange an. Es war bald eine ganze Herde. Denn es trafen immer mehr Telegramme und Bestellungen ein. Das hatte zur Konsequenz, dass eine einfache, stabile und sterile Verpackung gefunden werden musste. Die Post in Eyeries war inzwischen jeden Tag mit der Versendung von Käse-Paketen beschäftigt. Anfangs zimmerte Norman noch in Heimarbeit das passende Versandkistchen aus dünnen Spanhölzern. Heute ist es eine stabile Pappschachtel. Die Pizza-Pappschachtel war das Vorbild.

 

Milleens Cheese

Hier auf der Beara Halbinsel wird der bekannte Käse der Familie Steele hergestellt. Hygiene ist oberstes Gebot

 

In späteren Jahren erkrankte Veronica schwer, sodaß sie sich 2003 aus dem aktiven Geschäft zurück zog. Sie übergab das Business an ihren Sohn Quinlan, der die Käserei ganz im Sinne seiner Mutter weiterführt. Er lebt heute mit seiner Familie im Haus seiner Kindheit. Noch im Jahr 2012 unternahm Veronica eine Reise nach Äthiopien, um den dort lebenden Frauen die Käse-Zubereitung beizubringen. Im Jahr 2016 wurde sie mit dem besten Preis des Jahrzehnts von Good Food Ireland ausgezeichnet. Veronica verstarb am 4. Januar 2017 im Alter von 69 Jahren.

 

Milleens Cheese

Quinlan Steele führt das Geschäft der Eltern weiter

 

Inzwischen haben die Steeles keine eigene Kuhherde mehr. Sie können sich jetzt voll und ganz auf die Produktion von Käse konzentrieren, da sie wöchentlich 1130 Liter Milch von zwei Nachbarn bekommen. Dem Käse, den sie herstellen, haben sie den Namen des Townlands gegeben: Milleens. Es ist ein hand-gefertigter, gewaschener Rinden-Käse. Er hat eine pfirsichfarbene Rinde und sein Innerstes geht von halbfest bis cremig. Sein Geschmack ist eine komplexe Mischung aus delikaten Kräutern mit einer cremig-würzigen Note. Es gibt ihn in zwei Größen: 200 Gramm und 1,5 Kilogramm.

Quinlan hat indessen weiter experimentiert und sein Sortiment erweitert. Es gibt nun auch einen mild geräucherten Milleens und einen camembertartigen Käse, dem er den Namen Camembeara gab. Den gelungenen Versuch, einen Käse aus Büffelmilch herzustellen, mußte er wieder aufgeben, weil es in der Umgebung keinen Farmer gibt, von dem er die Milch bekommen kann.

Rund die Hälfte der Produktion wird ins Ausland exportiert, vor allem nach Großbritannien. Besonders stolz sind die Steeles, daß auch das Dorchester Hotel in London zu ihren Kunden gehört. Deren Käse-Auswahl gehört zu der größten in der Welt. Und es hat auch in all den Jahren noch nie eine Reklamation gegeben.

Die Steeles waren Mitbegründer der im Jahr 1983 gegründeten Organisation „Cáis – The Irish Farmhouse Cheesemakers Association“, die sich um den Erhalt und die Förderung von handwerklich auf einer Farm hergestellten Irish Farmhouse Cheese kümmert.

Im Laufe der Jahre erhielt der Milleens-Käse ungezählte nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den Supreme Champion bei den British Cheese Awards. Eine besondere Auszeichnung gab es für den Beitrag, den die verstorbene Veronica für die irische Bauernkäseindustrie geleistet hat: Milleens wurde 2017 mit dem Euro-Toques Food Award* ausgezeichnet.

 

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

 


*Die jährlichen Euro-Toques Food Awards zielen darauf ab, die besten handwerklichen Lebensmittelhersteller, die derzeit in Irland arbeiten, auszuzeichnen. Die Preisträger werden von den Euro-Toques-Köchen gewählt, die selbst die höchsten Standards bei der Beschaffung von Zutaten und kulinarischer Exzellenz einhalten.

Fotos: Peter Bernhardt