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The 5 Sullivans

Die fünf Sullivan-Brüder in Navi-Uniformen. Das Foto entstand am 14. Februar 1942 an Bord der Juneau bei der Indienststellung in New York.

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 32)

von Peter Bernhardt* 

 

Heute erzählt Peter Bernhardt die so tragische wie traurige Geschichte der fünf O’Sullivan-Brüder. In der alten Heimat der Familie, auf der Beara-Halbinsel, erinnern eine Gedenktafel und ein Wanderweg an die Brüder, die im Zweiten Weltkrieg im Südpazifik ums Leben kamen.   

 

The Great Famine, die große Hungersnot der Jahre 1845 bis 1849 in Irland ist ein Trauma, das immer noch tief in der irischen Seele schlummert. Im Herbst 1845 trat zum ersten Male eine neuartige Kartoffelfäule auf, die zu erschreckenden Ernteausfällen führte. Eine Million Menschen starben am Hunger und etwa zwei Millionen verließen ihre Heimat in der Hoffnung, sich in anderen Teilen der Welt eine Existenz aufbauen zu können. Dabei waren die USA das bevorzugte Ziel.

Eine Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme der englischen Behörden sollte die irische Bevölkerung in „Arbeit und Brot“ bringen, indem sie in diesen Jahren endlich den Bau einer ordentlichen Straße von Glengarriff durch die Beara Halbinsel vorantrieben. Doch viele Iren, junge, kräftige und vor allem mutige Menschen brachen auf in die Neue Welt.

 

Nach über 150 Jahren ist nicht mehr herauszufinden, wo das Original-Cottage der O’Sullivans gestanden hat. Ich habe einige Anwohner in Trafrask befragt und alle schüttelten nur den Kopf. Der örtliche Postbote meinte nur: „Hier heißen fast alle Familien O’Sullivan.“ Und so habe ich eine Ruine in diesem Townland fotografiert. Könnte es sein, daß hier einstens die O’Sullivan-Familie gelebt hat?

 

So gehörte auch das junge Ehepaar Tom und Bridget Agnes Sullivan, sowie Toms Bruder Owen zu den Migranten, die ihr Townland Trafrask/Adrigole im Jahr 1849 in Richtung New York verließen, um dort, fernab von Hunger und Armut, ein neues Leben zu beginnen. Nach der Registrierung auf Ellis Island, lebten sie einige Zeit in Oneida im Staat New York. Später machten sie sich auf in den Westen, überquerten den Mississippi und siedelten sich in Harpers Ferry im neuen Bundesstaat Iowa an, der im Jahre 1846 seine Staatlichkeit bekam.

Tom und Owen Sullivan gehörten zu den ersten Siedlern, die Bauernhöfe in oder in der Nähe von Harpers Ferry bauten. Durch Fleiß und harte Arbeit stiegen sie schnell zu Führungs-Persönlichkeiten in ihrer Gemeinde auf. Aufzeichnungen belegen, dass sie 1855 beim Bau der katholischen Kirche St. Joseph in der Nähe ihrer Stadt mitgearbeitet haben.

Tom und Bridget bekamen fünf Kinder; Der erste, Eugene Francis, wurde 1852 geboren. Eugene heiratete im Alter von 25 Jahren Mary Ann Degan, und sie hatten neun Kinder, zwei Mädchen und sieben Jungen; genannt Mary Agnes, Bridget, Tom, Michael, John, Joseph, George, William und Patrick Henry.

Der älteste Sohn Tom war ein abenteuerlustiger Bursche, der im Alter von 16 Jahren das Elternhaus verließ, um sein Glück westlich von Montana zu suchen. Dort hielt es ihn aber nicht lange, denn er zog weiter nach Colorado, wo er einige Zeit in den Silberminen arbeitete. Mit etwas Erspartem zog es ihn dann doch wieder in die Nähe von Harpers Ferry, wo er Arbeit bei der Illinois Central Railroad fand.

Am 10. Februar 1911 heiratete Tom Sullivan Alleta May Abel, die fünf Söhne und zwei Töchter zur Welt brachte. Eine Tochter starb allerdings an einer Lungenentzündung schon im Kindesalter. Die beiden ältesten dieser Sullivan-Brüder, George Thomas und Francis Henry, bekannt als Frank, traten 1937 der amerikanischen Marine bei. George war 27 Jahre alt und Frank 25.

Die Bombardierung Pearl Harbors am 7. Dezember 1941 durch die Japaner hatte den Kriegs-Eintritt der USA zur Folge. Bei diesem Angriff kam der Freund von Genevieve, der Schwester der fünf Brüder, ums Leben. Dieses Ereignis wurde in der Sullivan-Familie emotional diskutiert und führte dazu, daß auch die anderen drei Brüder, Joe, 23, Matt, 22 und Albert, 19, sich freiwillig zur Marine meldeten, unter der „Bedingung“ dass sie gemeinsam auf demselben Schiff dienen konnten. Ihr Motto lautete: ‘We stick together”. Und so kam es, daß alle fünf Brüder den Befehl bekamen, auf dem Kriegsschiff „Juneau“ ihren Dienst anzutreten.

 

USS Juneau

Auf der USS Juneau leisteten die Sullivan-Brüder zusammen ihren Kriegsdienst

 

Am Freitag, dem 13. November 1942, wurde die USS Juneau während der Schlacht von Guadalcanal in der Nähe der Solomon-Inseln im Südpazifik vom Torpedo eines japanischen U-Bootes getroffen, zerbrach in zwei Teile und versank in wenigen Minuten. Vier der fünf Sullivan-Brüder und weitere 700 Crew-Mitglieder gingen mit unter. Wegen der Bedrohung war es den Besatzungen der Begleitschiffe nicht erlaubt, nach Überlebenden zu suchen. Erst acht Tage später konnten 13 Mann gerettet werden – unter ihnen auch der älteste Sohn George. Er nutzte nach der Rettung gelegentlich die nächtliche Dunkelheit, um in der Nähe des Bootes ein Bad zu nehmen. Doch eines Nachts kehrte er von seiner Schwimmrunde nicht aufs Boot zurück. Man weiß nicht, ob er an Erschöpfung, seinen Wunden oder durch einen Hai zu Tode kam.

Zurück blieben die Eltern, die Schwester Genevieve und die Frau des jüngsten Bruders Albert mit dem gemeinsamen Sohn James. Albert war der Einzige, der seine Kathleen geheiratet hatte, und der gemeinsame Sohn James kam im Februar 1941 auf die Welt. James ging später auch zur Marine. Es wird berichtet, daß an einem Januarmorgen im Jahr 1943 ein Offizier zum Haus der Sullivans kam und meldete: “Ich habe ein paar Neuigkeiten für Sie über Ihre Jungs“. Der Vater fragte in böser Vorahnung: „Wer kommt nicht nach Hause?“ “Alle fünf”, antwortete der Offizier.

Das Schicksal der gefallenen Sullivan-Brüder schockierte die Nation. Präsident Franklin D. Roosevelt schrieb einen Brief an die Eltern, in dem er sein “Beileid und die Dankbarkeit unseres Landes” ausdrückte. Und das Kriegsministerium veranlaßte die sogenannte Sole Surviver Policy*. Die Schwester der fünf O’Sullivans, Genevieve, trat den WAVES** bei und arbeitete für ein Rekrutierungsbüro. Gemeinsam mit ihren Eltern besuchte sie über 200 kriegswichtige Fabriken und Werften. Der Gedanke dahinter war, die Arbeiter zu motivieren, die Waffen-Produktion zu steigern, um dadurch den Krieg schneller beenden zu können. Vater Thomas starb 1947 als gebrochener Mann.

 

Ein Pier in Adrigole wurde zum Gedenkort für die Sullivan-Brüder

 

Zu Ehren der fünf Gefallenen wurde am 10. Februar 1943 der im Bau befindliche US-Marine-Zerstörer The Putman in The Sullivans umbenannt und von der Mutter Alleta Sullivan getauft. Es wurde 1965 außer Dienst gestellt und 1977 als Teil des Naval and Servicemen’s Park, Buffalo, New York State, eingeweiht. Bei diesen Feierlichkeiten waren James (Sohn von Albert), seine Frau Sally und ihre beiden Kinder John und Kelly Anne Ehrengäste.

Wegweiser für die Sullivan Mile in Adrigole auf der Beara Halbinsel

Zwanzig Jahre später, im Jahr 1997, bekam ein weiterer Zerstörer ebenfalls den Namen der Sullivans. Das offizielle Motto des Schiffes lautete: „We stick together!“ Bei diesem Anlaß waren Alberts Enkel-Kinder John und Kelly Anne anwesend. Dieses Mal taufte die Enkelin Kelly Anne den Zerstörer. Auch die Heimatstadt der Sullivans, Waterloo, ließ es sich nicht nehmen, ein Kongresszentrum, eine Straße und einen Park nach den Sullivans zu benennen.

Die Geschichte der Sullivans wurde 1944 mit dem Titel The Fighting Sullivans verfilmt. Und auch der Hollywoodfilm „Der Soldat James Ryan“ war inspiriert vom Schicksal der Sullivan- und den Niland-Brüdern. 1997 veröffentlichte die Rock-Band Caroline’s Spine im Album Monsoon das Sullivan-Lied. Es ist ihr größter Erfolg und beschreibt die Trauer von Mutter Aletta.

Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Es ist ein Samstag, man schreibt den 30. August 2003, als sich eine große Menschenmenge in Trafrask bei Adrigole auf der Beara Peninsula versammelte, um die fünf Sullivan-Brüder zu ehren, deren Großeltern im Jahre 1849 ihre Heimat in Richtung USA verließen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Auch zahlreiche Schiffe und Boote ankerten in der Bucht, um der Zeremonie beizuwohnen. Doch das besondere Interesse galt dem extra angeschipperten Zerstörer USS The Sullivans. Auch Offiziere und Crew-Mitglieder nahmen an der Zeremonie teil, und die beiden Enkelkinder Kelly Anne und John waren angereist und enthüllten nach einigen Reden von Politikern und Geistlichen eine Gedenktafel an  „The O’Sullivan-Mile“, einem kleinen Rund-Wanderweg, der zu Ehren der fünf Brüder angelegt wurde.

 

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

 

Beara Peninsula

Die Gedenktafel für die fünf Sullivan-Brüder in Adrigole

 

Fotos: US Navy (Titelfoto), Wikipedia (USS Juneau), Peter Bernhardt (4);

* Bei der Sole Survivor Policy (auf Deutsch in etwa: „Regelung für einzig Überlebende“ oder „Verfahren bei einzig Überlebenden“) handelt es sich um eine Reihe verschiedener Regelwerke der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, die entwickelt wurden, um das Leben eines Militärangehörigen, der bereits Familienmitglieder bei Kampfhandlungen o. Ä. verloren hat und dadurch letzter Überlebender einer Familie ist, zu schützen, indem diese Person aus Gebieten, in denen Kampfhandlungen stattfinden, abgezogen wird. (Quelle: Wikipedia)

** WAVES ist die Kurzbezeichnung für die Frauen, die im Zweiten Weltkrieg zum freiwilligen Notdienst bei den Seestreitkräften der Vereinigten Staaten, der US Navy, angenommen wurden. Dieser Dienst hatte die offizielle Bezeichnung Women Accepted for Volunteer Emergency Service (deutsch etwa: Frauen akzeptiert zum freiwilligen Notdienst), im allgemeinen Sprachgebrauch und auch offiziell als WAVES (im Singular oft: WAVE) abgekürzt. (Quelle: Wikipedia)

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