Der Efeu im Keltischen Baumkreis: Angesichts majestätischer Kronen und mächtiger Stämme ist es leicht nachvollziehbar, dass Bäume in manchen Kulturen hoch angesehen waren. Was ist aber davon zu halten, wenn eine Kletterpflanze, eine rankende Liane auch zum Kreis der heiligen Bäume zählt? Auf den ersten Blick erscheint der Efeu (Hedera helix) gewöhnlich. Eine Pflanze, die einen Baum braucht, um mit ihren Haftwurzeln als Kletterhilfe in die Höhe wachsen zu können. Die Kelten ehrten ihn trotzdem, im Ogam-Alphabet war der Name GORT und der Buchstabe G dem Efeu zugeordnet und er repräsentierte den Zeitraum vom 30. September bis zum 27. Oktober.
In diesem Monat schwindet das Sonnenlicht, die Natur beginnt Wachstum zurückzunehmen und sich auf eine Ruhephase vorzubereiten. Der Efeu treibt zwar im Winter auch nicht weiter, aber er wirft seine Blätter nicht ab. Dazu kommt: Wenn andere Pflanzen schon lange die Fruchtbildung abgeschlossen und ihre Samen ausgebracht haben, beginnt der Efeu erst zu blühen. Im September und Oktober erscheinen an älteren Pflanzen Blühsprosse mit gelbgrün blühenden Dolden, die dann im frühen Jahr dunkle kugelige Früchte ausbilden. Das bietet Wespen, Bienen, Schmetterlingen und Vögeln eine wichtige, um diese Zeit seltene Nahrungsquelle.
Der irische Efeu (Hedera helix hibernica) ist besonders wuchsstark, das feucht-gemäßigte Klima Irlands bietet optimale Wachstumsbedingungen. Häufig kann man ihn an alten Bäumen empor klettern sehen, wo er sogar besenstieldicke Wurzeln ausbilden kann. Warum aber bekam er einen Platz im Keltischen Baumkreis? Nun, der Efeu kann als lebendes Fossil bezeichnet werden, es gab ihn schon in der Kreidezeit vor 100 Millionen Jahren. Die einzelne Pflanze kann bis zu 400 Jahre alt werden. Sie ist immergrün und ausdauernd, kommt mit verschiedenen Witterungen und auch mit Kälte sehr gut zurecht. Sie wuchert fast flächendeckend am Boden und kann bis zu 20 Meter in die Höhe klimmen. Wenn das nicht außergewöhnlich ist.
Die Kelten sahen in den zackigen, immergrünen Blättern des Efeu die fünf Aspekte der Göttin symbolisiert: Geburt-Initiation-Liebe-Regeneration-Tod. Möglicherweise kam der Efeu zu Samhain Ende Oktober, einem der wichtigsten Zeitübergänge im Jahreskreis zum Einsatz, um das Bewusstsein so zu verändern, dass die Grenze zwischen den Welten leichter überschritten werden konnte. Ob und wie mit Inhaltsstoffen des giftigen Efeu Trancezustände erreicht werden konnten, ist nicht sicher, wird aber von manchen Autoren vermutet.
Selbst, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, die Organsprache des Efeu lässt nichts zu wünschen übrig: Er ist stark in seiner archaischen Symbolik. Sehen wir uns die Triebe und Blätter an. Sie glänzen hell- und dunkelgrün voller Lebenskraft, machen nicht schlapp und wachsen unermüdlich weiter, wenn auch mit Pausen. In seiner Art beharrlich und unverwüstlich kann er als Symbol dafür dienen, dass es ewiges Leben gibt, selbst wenn ein Teil stirbt. Er zeigt den Tod als Zäsur, ein Wechseln in die Anderswelt. Nach einer Pause geht neues Leben in eine nächste Runde. Der Efeu schmiegt sich zudem an Bäume und windet sich an ihnen hoch und gibt so auch ein Zeugnis für Verbundenheit und Treue, er geht keine eigenen Wege und bleibt mit dem Baum verbunden.
Dazu kommt der unübersehbare Bezug zur Schlangenkraft, einer der mächtigsten archetypischen Symbole weltweit. Die Triebe winden und schlängeln sich aufwärts, bleiben dabei aber gerne im Schatten. Der Efeu hebt die normale Ordnung auf, nach der Wurzeln ausschließlich in der Erde ankern, er bildet mit seinen bewurzelten Trieben eine Art Himmelsleiter. Mehr als 200 verschiedene Efeuarten unterscheiden sich in Blattgröße, Form und Farbe. Die Pflanze ist in allen Teilen sehr giftig und schmeckt stark bitter. Zur Zeit der Kelten soll er dem Wein beigemischt worden sein, oft mit verheerenden Folgen. Heute finden die schleim- und krampflösenden Wirkstoffe des Efeu als Mittel gegen Husten Verwendung in der Pflanzenmedizin.
Bei der Vorbereitung auf diesen Beitrag zur Serie musste ich nicht weit gehen, schon einen Meter von der Haustüre entfernt wächst Efeu und nicht nur dort. Eigentlich ist er überall, nicht nur geduldet, sondern geliebt. Er fordert Zuwendung, verzeiht jeden Schnitt und glänzt oft als Tischschmuck auf der festlich gedeckten Tafel. Seine Botschaft? Er spricht besonnen, langsam und erzählt vom Geheimnis der Kontinuität. Alles ist mit allem verbunden. Nichts existiert für sich allein. Wenn wir das anerkennen, können wir Frieden in Vergangenem und Zukünftigem finden. Wenn wir anerkennen was war, können wir in Freiheit weitergehen.
Ohne Wurzeln kein Leben und auch kein nachhaltiges Vorwärtskommen. Zu Beginn einer jeden Entwicklung ist schon vorgezeichnet, wohin die Reise geht. Die Kelten wussten das und drückten es durch die ihren eigenen Schwanz verschlingende Schlange aus. Sie zeigt den Ewigen Kreislauf allen Seins. Ein starkes und schönes Symbol. Der Efeu verkörpert dieses Prinzip in der Pflanzenwelt und rührt damit am tiefen Geheimnis des Lebens.
Elisabeth Firsching, die Autorin dieses Beitrags und der Serie „Die Bäume Irlands“ (komplett zu lesen auf dem Irland Blog) schreibt ihren eigenen Blog Kleinefreude.
Ich habe ganz besondere Beziehungen mit der Pflanze.Vor Kurzem habe ich ein kleines Häuschen, das fast voll mit Efeu gewachsen war, gekauft. Wie ich sehe, gibt es hier viele getreue von Efeu, aber ich habe davon starke allergische Reaktionen. Es hat mir soooo viel Fleiß und Schweiß gekostet, die Pflanze von Haus und Grundstück abzureißen! Zwei LKWs wurden abgefahren. Die Wände hat man mit über 200 Bar und Dampf gereinigt. Jetzt geht es mit gesundheitlich langsam besser.
Fazit: Das Efeu kann schön aussehen. Aber mit Vorsicht damit. Die Pflanze kann das Leben in ein Albtraum verwandeln!
Danke, Elisabeth, für den umfassenden und tief schürfenden Beitrag. Ich mag Efeu auch sehr gern!
Kann ich gerne … leider vermisse ich dort jeden Hinweis auf Ruairí Ó Flaitheartaigh und dann auch in Folge nirgends, dass die verschiedenen „keltischen“ oder irischen Baumnamen teilweise komplett falsch sind. Ah, well, ancient knowledge …
Wenn wir Dich nicht hätten, Klugsch…reiber, wir müssten Dich importieren ;-)
Wie schade, dass „gort“ im Irischen „das Feld“ benennt und Efeu als „eidnen“ oder auch modern „eidhneán“ bekannt ist. Graves hatte viel Phantasie und seinen Ruairí Ó Flaitheartaigh als „Experten“ in petto … und schuf damit eine Legende vom Baumkalender, die auch hier noch freudig weitergetragen wird.
In der Einführung zu dieser Serie ging Elisabeth auf die Entstehung des Kalenders und die Phantasie des Robert Graves ein. Lies einfach nach.