Dursey Sound mit Seilbahn nach Dursey Island (rechts)

“Geh nirgendwo hin, bevor Du nicht auf Dursey Island warst. Es gibt auf der ganzen Welt keinen Ort wie diesen”. Mit diesem verwegenen Postulat für das beste Reiseziel in Irland beginnt der deutsch-irische Schriftsteller Hugo Hamilton seinen neuen Roman “Hand In The Fire” (Die Hand im Feuer).  Kevin Concannon begründet dann auch, warum er Vic, den Einwanderer aus Belgrad zum Trip an die westliche Spitze der Beara Peninsula in West Cork geradezu aufffordert: “Dort lebt kaum noch jemand. Du bist mit dem Ozean ganz allein.”

Tatsächlich übt die Insel Dursey in Südwest-Irland eine eigenartige Faszination auf Irland-Urlauber aus – und das liegt nicht nur an der Insel selber, sondern auch am Transportmedium, das das Eiland über den Dursey Sound hinweg mit dem Festland verbindet: Die Dursey- Seilbahn. Dursey Cable Car ist nämlich immer für eine Schlagzeile gut: Die seltsame, von Hand zusammen geschweißte und mitunter rustikal riechende Blechkiste, die zehn Schafen, einem Rindvieh oder wahlweise sechs Menschen Platz bietet, wird in den Medien seit Jahren als Superlativ gefeiert: als “Irlands einzige Seilbahn”  oder “Europas einzige Seilbahn, die über das Meer führt”.

Das Dauer-Marketing hinterlässt natürlich Spuren, und so fand sich im vergangenen Sommer manche Ausflugsgruppe in der misslichen Situation, dass sie es zwar bis zur Seilbahnstation schaffte, aber nicht hinüber nach Dursey. Denn vor das Betreten des einzigartigen Inselparadieses hat der Seilbahnbetreiber County Cork die Beförderungsordnung gestellt. Und die sieht klare Beförderungs-Prioritäten vor: 1. Insulaner , 2. Versorgungsgüter für die Insulaner, 3. Rindviecher und Schafe und 4. Touristen.  In dieser Reihenfolge lässt Seilbahnwärter Paddy Sheehan die Gondel am Drahtseil dreimal täglich für insgesamt fünf Stunden über den Sund gleiten.

Nur ein paar Dutzend Besucher schaffen jeden Tag den morgendlichen zwölfminütigen Seilbahntrip auf die Insel, viele blieben in diesem Sommer sehnsüchtig auf der falschen Seite des Dursey Sound stehen und durften nicht mit nach drüben. Verschärft wurde der Engpaß von Ausflüglern, die sich ein Rundticket kaufen, um sich bei der Mutprobe in der Gondel fotografieren zu lassen und die nicht die Absicht hatten, einen Fuß auf Dursey zu setzen.

Auf Dursey, das mit seinen drei verlassenen, baulich intakten Dörfern einem Heimatmuseum gleicht, leben offiziell noch 6 Menschen, inoffiziell sogar einige weniger. Die Insel wird heute vor allem im Sommer als Weidegrund für Rinder und Schafe genutzt. Der Mangel an Bewohnern und das Überangebot an Besuchswilligen hat Dursey und dessen Betreiber mittlerweile in eine Art Identitätskonflikt gestürzt. Wozu eine Seilbahn für Bewohner unterhalten, wenn es kaum noch Bewohner gibt? Warum Wanderer und Ausflügler von der Insel fernhalten, wenn die Nachfrage so groß ist?

Jetzt hat sich das Cork County Council, das die Seilbahn betreibt, mit dem heißen Eisen beschäftigt. Das Ergebnis: Die alte Beförderungsordnung steht auf der Kippe, die täglichen Betriebszeiten sollen in der Urlaubssaison im Sinne der Besucher verlängert werden. Das klingt wie ein Plan. Ob es angesichts leerer öffentlicher Kassen auch einer ist, wird sich im kommenden Frühjahr erweisen.

Hugo Hamilton lässt seine Figur Vic aus Belgrad tatsächlich mit der schaukeligen Bahn nach Dursey Island übersetzen, “mit dem Herzen auf der Zunge, und einem Magen, der in den darunter liegenden Ozean fiel.” Vic wunderte sich, was nun so besonders an der Insel sein soll und wollte nach einer Stunde wieder weg. Er zumindest fühlte sich “wie der letzte Mensch auf Erden”.

Der Wanderer ist anderer Meinung. Dursey Island ist einen Tagesausflug wert. Definitiv. Hier schreibt er mehr zum Thema: Dursey – eine Reise wert.

Und hier gibt es den neuen Roman von Hugo Hamilton, über den an dieser Stelle demnächst mehr zu erzählen sein wird: