Castlehaven Sandy Cove

 

Sehnsuchtsland Irland. In den vergangenen Monaten meldeten sich bei Irlandnews wieder zahlreiche Menschen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die gerne hier nach Irland auswandern wollen. Die Motive sind vielfältig: Angst vor Krieg, Unbehagen über die politisch-gesellschaftlichen Veränderungen, Furcht vor Altersarmut, Sehnsucht nach einer heileren Welt und einer intakten Natur. Sie alle eint die Suche nach einem besseren Leben in einer neuen Heimat. Hier beispielhaft ein paar Anfragen:

K. schreibt: “Hier, in der grauen Großstadt wächst mein Fernweh, die Sehnsucht nach der Natur und danach, auch irgendwie auszubrechen.. . . Gleichzeitig denke ich mit Freunden immer lauter darüber nach, Eurem Vorbild zu folgen und auch auf meine Lieblingsinsel auszuwandern.”

A: “Derzeit mache ich meine Minifirma fit für Zukunft, räume mein mühsam abbezahltes kleines Häuschen zusammen und will mit dem Erlös ein größeres Stück Land kaufen, irgendwo zwischen Dublin und Killarney Nationalpark. So billig, wie möglich…Mountain und Wasteland…ab 23 Hektar, um eine Mischung aus Nationalpark, Agroforst und Permakultur daraus zu machen, nebst einem mobilen Camp für die Helfer und mich.”

P: “Nun bin ich 57, schon seit 18 Jahren verwitwet. Meine Kinder sind alle erwachsen und quer über Deutschland verteilt. Du und dein Nachbar, ihr habt den Schritt in die Natur gemacht. Ich möchte ihn auch machen. Wollt ihr mir ein bisschen helfen? Ich bin sicher, ich könnte euch im Gegenzug auch etwas Gutes zurückgeben?”

A: “Ich habe meine Frau 2014 kennengelernt und uns verband von Anfang an der Wunsch auf die Insel(n) zu ziehen (ist unschwer an den Namen unserer Kinder zu erkennen). Ich selbst war schon 9x in Irland und wollte schon mit 20 das Land wechseln. (Das irische Tagebuch von H. Böll hat mich tief berührt). Das Leben hat Anderes mit mir vorgehabt und so ist es jetzt soweit, daß die tiefe Verbindung zu Land, Menschen und dem Celtic Folk in einem Umzug münden möchte.”

Ich bin selber im Jahr 2000 mit Familie nach Irland umgezogen, habe es aber in all den Jahren nicht zum Auswanderungsberater geschafft. Ich weiß bis heute nicht, was die richtige Antwort auf diese Fragen ist. Klar, man muss flexibel und ein wenig findig sein, damit der Schritt gelingen soll – proaktiv und ein wenig fleißig, wenn man nicht in einem frustrierenden Job oder in der Sozialhilfe landen will. Vor allem aber braucht man eine gute Kommunikation mit den Einheimischen (in Landessprache natürlich) – und dazu eine ganze Menge Glück. Nennen wir es Fortune, das klingt etwas besser, beeinflussbarer. Wir hatten viel Fortune.

Toe Head

 

Die Zeit und die aktuellen Verhältnisse sind ebenfalls wichtig, wenn nicht entscheidend für das Gelingen. In entspannten Zeiten lässt sich leicht und locker umziehen, in Krisenzeiten wird die Auswanderung leicht zur Flucht aus Zwängen in neue Zwänge. Zuflucht Irland? Die Zeiten sind auch auf der Insel schwierig. Das vermeintliche Paradies hat geschlossen. Abgesehen davon, dass Irland niemals so war, wie es uns grün-bebrillten Kontinentaleuropäern gerne erschien, abgesehen davon, dass unsere Projektionen hier spielerischer und zugleich trügerischer als andernorts auf uns reflektiert werden: Die Zeiten sind auch hier am westlichen Rand Europas schlecht – zumindest verglichen mit der jüngeren Vergangenheit.

Die Ausgaben für Wohnen und Leben sind horrend

Schwindelerregend: Die Hauspreise liegen jetzt über denen des Jahres 2008, bevor es zum großen Knall kam und die Immobilienblase platzte. Die Bodenpreise ebenso. Hier am Atlantik werden jetzt überwiegend Häuser ab 500.000 Euro gehandelt, Häuser am Meer ab einer Million. Die absurden Preise werden mit der Lage und dem Meerblick begründet. Eine schlichte Zweizimmer-Wohnung in Dublin oder Cork kostet um die 200.000 Euro, die Mieten sind vor allem in den Städten ins Horrende gesteigen, 1500 bis 2000 Euro pro Monat für eine Zweizimmerwohnung scheinen die Regel. Vor allem aber: Es gibt kaum etwas zu kaufen oder zu mieten. Der Wohnungsmarkt ist leer gefegt, der eklatante Wohnungsmangel belastet das Land und die Menschen. Zu Wohnungsbesichtigungen treten jeweils mehrere hundert Suchende an. Zehntausende Geflüchtete benötigen ebenfalls ein Dach über dem Kopf. Nur wohlhabende Menschen haben derzeit kein Problem, sich eine überteuerte Immobilie auf der Insel zu leisten.

Die Makler, die Wohnungseigentümer und die Banken predigen (und beten), dass die Hauspreise hoch bleiben – einzelne Ökonomen prognostizieren, dass sie bald schon deutlich sinken werden. Die Zinsen jedenfalls steigen, die Bau- und Materialpreise ebenso. Die Inflation liegt bei zehn Prozent. Die ohnehin höchsten Verbraucherpreise in Europa klettern weiter. Irland, das teuerste Land in Europa wird noch teurer. (Details zu den Lebenshaltungskosten gibt es hier)

Vielleicht ist ja das Glück auf unserer Seite, vielleicht die Bestimmung. Wir können auch fragen: Wann sind die Zeiten schon günstig? Eigentlich immer dann, wenn wir etwas wirklich wollen, die Dinge klar und vorurteilsfrei anschauen, von unserer Entscheidung zutiefst überzeugt sind  und viel gute Energie in das Projekt stecken. Deshalb: Gutes Gelingen. Fürs Gehen, fürs Kommen wie auch fürs Bleiben.


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Fotos: © 2022 Markus Bäuchle, Irlands ländliche Südküste