Haste mal zehn Euro? Keine Woche vergeht in unserer kleinen irischen Stadt, ohne dass die Spendenbüchsen in den Straßen rappeln würden. In Irland wird für Alles und Jedes gesammelt: Für gesunde Herzen, gegen den Krebs, für Rollstühle, neue Schuldächer, die Gemeindehalle, den neuen Spielplatz, für den Football Club, für Hunde und Katzen, für die Tochter, die vom Pferd fiel und den armen Onkel, den es im Ausland böse erwischt hat.
Irland ist ein Land der Spendensammler und der großzügigen Spender. Jetzt, in den Wochen bis Weihnachten, werden die Briefkästen wieder geflutet mit den Bittbriefen dutzender Spendenorganisationen: Sie schicken Rindviecher nach Afrika, helfen Wohnsitzlosen über den Winter, lindern die Not einsamer Menschen und kümmern sich finanziell um unterprivilegierte Kinder.
Manche Stadt hier auf der grünen Insel hat mehr Charity Shops als Pubs, Friseure oder Lebensmittelläden – und das nicht erst, seit Marie Kondo uns gelehrt hat, die Wohnungen zu entrümpeln und die weniger Wohl-Habenden mit unserem Ge-Rümpel zu beglücken. In den Charity Shops kaufen viele Menschen jeder Einkommensklasse Gebrauchtwaren zum kleinen Preis, die Viel-Besitzer, Neukäufer, Wohnungsauflöser und Mode-Konsumenten dort kostenlos abgegeben haben.
Irland auf Platz fünf der großzügigen Spender
Die britische Charities Aid Foundation, eine Art Super-Holding der Wohltätigkeitsorganisationen in Britannien und anderswo, hat nun die Ergebnisse einer breit angelegten zehnjährigen Studie zur Spendenfreudigkeit in 126 Ländern der Erde vorgelegt. Sie bestätigt: Die Irinnen und Iren sind besonders großzügig, spenden viel und oft: Sie belegen weltweit Rang fünf der spendenfreudigsten Nationen. Das Ranking wird angeführt von den USA, gefolgt von Myanmar (!), Neuseeland, und Australien. Auf Platz sechs und sieben folgen Kanada und Großbritannien. Deutschland belegt Platz 18. Auch Sri Lanka, Indonesien und die Niederlande sind unter den Top Ten.
Die Studie zeigt: Wohlstand heißt nicht automatisch Großzügigkeit, Menschen in kommunistischen Gesellschaften neigen eher zum Geiz, und wo die Not groß ist, ist auch die Solidarität und Hilfsbereitschaft meist stark ausgeprägt. Dass die englischsprachigen Länder, unter ihnen Irland, ganz vorne sind, die USA gar an der Spitze, hat einen kulturellen Hintergrund: Der Staat überlässt dort viele Aufgaben der Privatinitiative, bürgerliches Engagement ist gefragt, um das Geld für Projekte, Ziele, Instandsetzungen und Rettungsaktionen einzutreiben.
In Irland gaben 62 Prozent der Befragten an, schon einem Fremden geholfen zu haben, der Hilfe benötigte. 69 Prozent haben Geld an eine wohltätige Organisation gespendet und 38 Prozent haben schon ehrenamtlich gearbeitet,
Quelle: Charities Aid Foundation, CAF
Foto: Markus Bäuchle
Ich habe da ein etwas gespaltenes Verhältnis zum Thema Spenden.
Es mag schon sein, dass die Spendenbereitschaft in den Industrienationen nicht immer wie gwünscht vorhanden ist.
Ich glaube aber auch, das in vielen Gesellschaften, allen voran die USA, dies eine moderne Form des Anlasshandels ist. Getreu dem Motto: „tue Gutes und rede darüber“. Wenn sich Mitglieder der obern Tausend dafür abfeiern lassen, wenn sie Ihren im Verhältnis zu ihrem Einkommen überschaubaren Obolus öffentlichkeitswirksam feiern lassen, dreht sich mir der Magen um. Reich geworden durch Ausbeutung und Steuerkreativität verhindern diese Gesellschaft durch deren Einfluß die Chancen all derer, für die sie dann gönnerhaft spenden.
Versteht mich nicht falsch, Spendenaufrufe für Menschen die durch Naturkatastrofen in Not geraten sind, halte ich für legitim und sinnvoll.
Wenn aber z.B.zu Spenden aufgerufen wird um medizinische Versorgung der Bevölkerung oder Einzelner zu gewährleisten, statt das Gesundheitswesen gemeinschaftlich zu finanzieren, hört bei mir das Verständnis auf.
Als 21 Jähriger war ich in Irland und freundete mit mit einer gleichaltrigen Dame aus Dublin an. Diese kritisierte mich stellvertretend für alle Deutschen, dass wir im Vergleich zu den Iren wohl am wenigsten Geld für das große Afrika Hilfsprojekt Live Aid gespendet hätten. Einer der damals ärmsten Länder Europas spendet im Verhältnis pro Kopf mehr als die wohlhabenden Deutschen. Ich war recht beschämt, hatte auch ich nicht einen Pfennig gespendet. Als junger Hippie hatte ich auch schlicht nichts, was ich hätte hergeben können. Aber heute? Wie sieht es heute aus???
Liebe Grüße
Patrick