Alle alten Zeiten gehen irgendwann vorüber. Tröstlich: Die schlechten wie die guten. Manche geräuschlos, andere mit Getöse. Der Süden Irlands verabschiedet sich auf Geheiß der Behörden gerade von einem alten Ritual aus den „guten schlechten alten Zeiten“ – und auf den Dörfen im County Cork regiert die Empörung: Die Verwaltung legt Hand an das Jahrhunderte alte Beerdigungs-Ritual.
Seit einigen Wochen prangen an den Friedhofs-Toren im County Cork Schilder, die die Bevölkerung auf die Neuerungen hinweisen: Künftig dürfen auf dem Friedhof nur noch amtlich zertifizierte Totengräber arbeiten. Die Landbevölkerung skandiert „Skandal“. Jetzt muss das Council auch noch reglementieren, wie die letzte Meile der Menschen zur ewigen Ruhe eingerichtet wird. „Health and Safety“, die Richtlinien, die Sicherheit und Gesundheit für alle Beteiligten garantieren sollen, greifen künftig also auch im Totengräber-Business.
Traditionell haben im ländlichen Cork Mitglieder der Familie die Grube für den Sarg ausgehoben, oder die Familie des Verstorbenen beauftragte Freunde, Bekannte, oder eben einen Totengräber Ihrer Wahl. Künftig müssen sie auf den offiziellen Grabgräber zurückgreifen, der beim County Council nachgewiesen hat, dass er seine Arbeit ordentlich, sauber und sicher verichten kann: Hier gräbt der amtlich zertifizierte Totengräber für Sie.
Damit nicht genug: Das Council will künftig auch verbieten, dass der oder die Verblichene den letzten Weg im Sarg auf den Schultern von Menschen zurücklegt. Traditionell tragen sechs Männer – Söhne, Cousins, Freunde – die mehr oder minder edle Holzkiste aus der Kirche und in den Friedhof. Aus gesundheitlichen Gründen soll das nun alles anders werden. Die Behörden „sorgen“ sich um Knie, Rücken und Schultern der Sargträger – und sie fürchten sich vor Regressansprüchen. Angesichts der Klagefreudigkeit und der zunehmenden Übergewichtigkeit der Bevölkerung keine ganz unbegründete Annahme.
Ob sich die Neuerungen durchsetzen lassen, muss sich erst noch zeigen. Wahrscheinlich reicht es den Behörden, dass sie sich formal abgesichert haben, und die Leute auf den Dörfern zelebrieren ihre Beerdigungen weiterhin so, wie sie es für richtig halten und wie sie es immer schon getan haben.
Da kann ich nur die Daumen drücken, daß sich Volkeswille durchsetzt und diese alte Tradition nicht auch noch geopfert wird. Es wird, wie ich finde, eh schon viel zu viel auf den Kontinent geschaut und nachgeahmt! In diesem Falle ist staatlicher Eingriff nicht wirklich eine Bereicherung – eher das Gegenteil!
Mal abgesehen davon, dass sich der ein oder andere beim Graben oder Tragen übernimmt oder zerrt: für viele Menschen spielt die aktive Beteiligung an der Beisetzung eines Menschen eine wichtige Rolle in der Bewältigung des Verlustes. Die deutsche Variante, möglichst alle damit verbundenen Tätigkeiten in die Hände von „Profis“ zu legen und damit auch ein Stück Verbundenheit und Anteilnahme abzugeben, entwickelt sich – auf Initiative vieler Angehöriger – gerade wieder zurück. Mir gefällt es, wie es bisher in Irland gehandhabt wurde/wird: wer will, macht selber, wer nicht will (oder kann), sucht sich einen Menschen seines Vertrauens. Ich schließe mich Markus‘ Hoffnung an, dass sich die neue Verordnung als Formalität herausstellen wird!