Tourismus Irland 2025

Glaube nur der Statistik, die Du selber gefälscht hast
(Alte Marketingweisheit, nicht von Winston Churchill)

 

Wir leben im Ferienland, im äußersten Südwesten Irlands – in maximaler Distanz zur umtriebigen Hauptstadt und zum Wirtschafts- und Finanzzentrum Dublin. Westlich und südlich von uns nur Wasser, der Atlantik, im Norden die Berge und  in östlicher Richtung 80 Kilometer sicherer Abstand zur geschäftigen Südmetropole Cork. Hier scheint die Zeit ein wenig stehen geblieben, hier vor den Dorf- und Natur-Fassaden des alten Irlands dürfen wir noch träumen.

Wir haben hier in ruhigeren Zeiten fast zwei Jahrzehnte vom Feriengeschäft ganz gut gelebt. In den fortgeschrittenen Zehnerjahren leckten die halbstaatlichen Tourismusvermarkter in Dublin dann richtig Blut. Sie pushten Marketing-Konstrukte wie den Wild Atlantic Way und freuten sich über die Millionen, die sie damit ins Land lockten. Sie hatten begonnen, die Insel dem Massentourismus auszuliefern. Im Jahr 2019 wurden 6,8 Millionen Insel-Iren (inklusive Nordirland) von knapp elf Millionen Touristen aus dem Ausland besucht. Rekord. Wir beschlossen, nicht länger Teil der massentouristischen Reiseindustrie zu sein. Dann kam die Verbotspolitik der Pandemie. Irland wurde und blieb zwei Jahre lang geschlossen, der Tourismus machte Pause.

Nach den Coronajahren feierten sich die Reisevermarkter für die rasche Erholung und das großartige Comeback der Destination Irland. Gleichzeitig vollzogen sie einen Strategiewechsel in der Darstellung der Ergebnisse und eventuell auch in der Wahl der Zielgruppen: Man wolle nun nicht mehr reine Masse machen, sondern sich mehr auf zahlungskräftige Gäste konzentrieren, die viel Geld im Land ließen. Da waren die Fakten allerdings schon geschaffen: Die Zahl der Urlauber hatte sich von 2019 auf 2023 fast halbiert – und wer in das zweit-teuerste Land Europas reist, muss sich das leisten können. Im Jahr 2023 wurden 6,3 Millionen internationale Gäste gezählt, für 2024 weist die Statistik 6,6 Millionen ausländische Touristen aus.

Irland Tourismus 2025

Cliffs of Moher

Hier in den Bilderbuchlandschaften an der Atlantiküste erlebten wir 2023 und 2024 als touristisch sehr ruhige Jahre. War nicht gerade anfang August, wenn der Inlandstourismus auch in West Cork boomt, dann blieben Verkehr und Urlauberdichte sehr überschaubar. Die subjektive Wahrnehmung scheint sich mit der offiziellen Interpretationen der Tourismusverantwortlichen zu decken. Diese haben längst aufgehört, absolute Gästezahlen zu feiern, nennen statt dessen positive Trends, die Zahl der Übernachtungen und vor allem die Ausgaben der Touristen, die die Einnahmen für die Gastgeber sind. Besonders gut sieht es nämlich bei den Tourismusumsätzen aus: Waren es 2019 etwa 7,3 Milliarden Euro, dann kam man 2024 immerhin wieder auf über sechs Milliarden Euro. Der relative Erfolg ist fast ausschließlich den Amerikanern zu verdanken. Während die ebenfalls gehätschelten Wohnmobilisten wenig Geld im Land lassen, geben US-Amerikaner im Durchschnitt fast dreimal so viel für ihren Irlandurlaub aus wie Europäer. XXL eben, wie es sich für die Greatesten gehört.

Die neue Regierung mit dem neuen Tourismusminister und dem neuen Ministerium für Unternehmen, Tourismus und Beschäftigung hat derweil eine noch neuere Tourismus-Strategie angekündigt und erklärte die Tourismusbranche neben anderen explizit zum „wirtschaftlichen Wachstumsmotor“. Ob das ein Zurück zur Masse bedeutet, falls die Massen wieder nach Irland kommen wollen, bleibt abzuwarten; ebenso, ob die neue Regierung bereit ist, zum Schutz der natürlichen Welt mehr zu tun als die Vorgängerregierungen. Denn immerhin gilt die vermeintlich wilde Natur am Atlantik noch immer als größte Ressource von Ferien-Irland.

Grund zum Handeln gibt es genug: In der Klimapolitik ist Irland das Land in der EU, das seine Ziele bis 2030 – Stand heute – am deutlichsten verfehlen wird. Abfall- und Recyclingwirtschaft bilden das Schlusslicht in Europa. Die Gewässer sind in einem schlechtem Zustand. Die mächtige tierdominierte Landwirtschaft verteidigt ihre Pfründe erfolgreich. Von Artenschutz und Naturschutz keine Spur, das Artensterben gallopiert, während der Landverbrauch angesichts des großen Wohnraummangels und des strammen Bevölkerungswachstums drastisch zunimmt – zumal die Regierung verdichtetes Bauen bis heute nicht ernst nimmt. Irland ist ein ganz normales Land mit ganz normalen Problemen geworden. Dass die Zerstörung und der Zerfall andernorts noch größer sind, könnte bald zum wichtigsten Trumpf im Kampf um Urlauber werden.

Wir leben im Ferienland, im äußersten Südwesten Irlands. Hier hinter den Dorf-Fassaden gibt es wenig wirkliches Dorf und allzu viele monatelang leerstehende Ferienhäuser, es gibt leuchtend grüne Natur-Kulissen mit wenig Leben darin. Ob Einheimische oder Wahlheimische: Die Entscheidungen werden über unser aller Köpfe hinweg in Dublin getroffen oder ausgesessen – im Zentrum der kleinen irischen Macht, in maximaler Distanz zur ländlichen Ferienware.

 

Tourismus Irland 2025

Doolin

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Fotos: Markus Bäuchle