London gilt als die am schärfsten überwachte Stadt der Welt: Überall in der City sind Kameras installiert, Bewohner wie Besucher werden auf Schritt und Tritt gefilmt. Nichts scheint dem Auge der Ordungshüter zu entgehen. Nun allerdings wirken die Briten überwachungsmüde: Die totale Kontrolle – die im übrigen wenn es ernst wird gar nicht funktioniert – soll abgebaut werden. So will es die neue Regierung. Just in diesem Moment rüsten die Nachbarn in Irland auf: Iren wollen immer wieder die besseren Engländer sein. Der anhaltende Nachahmungsdrang hat ihnen den wenig schmeichelhaften Beinamen “West-Brits”, die West-Briten, eingetragen. Nun also soll Big Brother seine elektronischen Augen auf die Grüne Insel richten, um – man glaubt es nicht – Schmutzfinken dingfest zu machen.

Dass manche Iren ein recht unverkrampftes Verhältnis zur Natur haben und diese bevorzugt als Müllkippe verwenden, ist eine bekannte Tatsache. Warum Geld für die Müllabfuhr bezahlen, wenn es auch gratis geht? So landen überall im Land Woche für Woche  zehntausende prall gefüllte schwarze Plastiksäcke irgendwo am Straßenrand, am Strand, im Wald oder an Flussufern. Etwas sorgfältigere Müllfrevler machen im Hinterhof ein Feuerchen und lassen ihre gesammelten Abfälle in einer Giftgasewolke gen Himmel steigen.

Doch damit soll nun endlich Schluss sein: Das Cork County Council, immer schon Vorreiter im theoretischen Umweltschutz, will den Müllfrevlern ab sofort mit einem Netz von Überwachungskameras nachstellen. Überall an den Hot Spots des wilden Abmüllens will das Council CCTV-Kameras installieren und die Schmutzfinken live der Tat überführen.  Damit nicht genug: Künftig sollen auch Hubschrauber eingesetzt werden, um das böse Treiben aus der Luft zu beobachten und zu unterbinden.

Es klingt wie ein Scherz, ist aber keiner: Die Behörde, die es bis heute nicht geschafft hat, eine flächendeckende Müllabfuhr zu organisieren, die keinerlei Kontrolle darüber hat, wie und wo die Menschen ihren Müll “entsorgen”, sie will nun mit Kanonen auf Spatzen schießen. Im County Cork ist es jedem freigestellt, was er mit seinem Müll tut. Für die Anwohner der Hauptstraßen gibt es zwar ein modernes Abfuhrsystem, das den Müll sogar nach Gewicht abrechnen kann, teilnehmen muss an dieser Müllabfuhr aber keiner.

Wie hilflos die Behörden den sich auftürmenden Müllbergen im Land gegenüberstehen, offenbarten erst gestern wieder erregte Diskussionen im County Kerry: Dort soll sich das County Council nun endlich Gewissheit  darüber verschaffen, wie die Bürger ihren Hausmüll loswerden. Ob per Tonne, Privattransport zur Kippe, wildem Abkippen oder Verbrennen? Eine Umfrage soll es nun richten. Die erste Stichprobe ergab, dass jeder 20. Haushalt mit keiner zufriedenstellenden Antwort aufwarten konnte.

Eine solche Umfrage in jedem Haushalt, sollte sie wirklich ernsthaft durchgeführt werden, könnte zu einem bösen Erwachen bei den Behörden führen, oder dazu, dass man in der Regionalverwaltung endlich auch weiß, was alle anderen längst wissen: Das Müllkonzept selber ist großer Müll. In der Nachbarschaft des Wanderers jedenfalls beträgt die durchschnittliche Teilnahmequote an der öffentlichen Müllabfuhr zehn Prozent: Von zehn Haushalten hat einer eine Mülltonne und zahlt Müllgebühren (alle anderen fahren brav zur Mülldeponie und zum Recyclinghof und geben ihre Altlasten persönlich ab).

Foto: Die Einen sammeln wieder ein, was die Anderen in die Landschaft geschmissen haben: Müllsammelaktion von Freiwilligen an einem Strand im County Cork.