„Der Boden, den Patrick Kavanagh einst pflügte, wird langsam bestellt;
Menschen wie Noel Monahan erobern das Moor zurück.“

John Montague (amerikanisch-irischer Lyriker, 1929 – 2016)

 

Vorneweg
Die Beschäftigung mit irischen Gedichten, die dann zu „Lyrik am Sonntag“- Beiträgen werden, ist der Arbeit eines Trüffelhundes nicht unähnlich. Auch dieser wird einem Gelände ausgesetzt, das er nicht kennt. Er schnüffelt, lässt sich treiben und – manchmal – findet er eine Kostbarkeit.

Ich selbst – unbelastet wissenschaftlicher Vorkenntnisse eines Germanistik- oder gar Anglistikstudiums – treibe mich auf Seiten mit zeitgenössischer irischer Lyrik herum und stoße dann auf Autorinnen und Autoren, die es wert sind, auch einem deutschsprachigen Publikum nahegebracht zu werden.

 

Heute stelle ich Noel Monahan vor
Noel wurde in Granard, County Longford, im Norden der Republik Irland geboren und lebt heute in Cavan. Er hat einige nationale irische Literaturpreise (SeaCat National Poetry Award, Hiberno-English Poetry Award,  Irish Writers’ Union Poetry Award) gewonnen und bisher acht Gedichtbände veröffentlicht. Er schreibt sowohl auf Englisch als auch auf Irisch. Einige seiner Gedichte erschienen in Übersetzungen auch in europäischen Anthologien. Monahan ist ebenfalls Dramatiker und seit 1992 Mitherausgeber von Windows Publications, einer Kulturzeitschrift.

 

 Wie ist Noel Monahan einzuordnen?
Noel Monahan sucht nach Identität und Zugehörigkeit im facettenreichen, modernen Irland. Wie viele Poeten seit dem frühen 20. Jahrhundert, ist auch er poetisch auf der Suche nach spirituellen Impulsen aus Landschaft, Kultur und Mythologie.

In seinen Gedichten lotet er die ihm wichtigen Bezugspunkte des (irischen?) Lebens – Mythos und Realität – aus. Dabei kontrastiert er die Wahrheiten von gestern mit den von ihm als falsch ausgemachten Göttern der Moderne. Monahans Erkenntnis, dass wir im Wesentlichen allein sind, zieht sich durch viele seiner Werke. Aus einer eher düsteren Grundstimmung heraus schafft er es dabei aber, Brücken ins Helle zu schlagen. Da schimmert immer Licht durch – woher auch immer!

 

Lassen wir Rezensenten seiner Gedichtbände zu Wort kommen:

Monahans Stimme schimmert vor Licht, am besten, wenn er über das Leben auf dem Lande schreibt …  Noel Monahan ist ein Dichter mit einer starken Erfolgsbilanz.
Maureen Gallagher, Poetry Ireland Review

Noel Monahan hat das unedle Metall der Worte durch den Schmelztiegel der Weisheit und Erfahrung in das geschmolzene Gold der Poesie verwandelt.
Helen Dwyer, Irish Writers Union

 

 


Alle Gedichte der Irlandnews-Serie Lyrik am Sonntag können Sie hier aufrufen: Lyrik am Sonntag


 

Das Schöne am Entdecken zeitgenössischer Lyriker ist: Man hat Gelegenheit, Kontakt mit ihnen zu bekommen und sie mit dem schon bekannten Fragebogen zu locken:

 

Vier Fragen an Noel Monahan

 

Wie sind Sie dazu gekommen, Gedichte zu schreiben?

Ich habe zunächst angefangen, Musik zu komponieren und bin später zur Lyrik übergegangen. Zu meinen musikalischen Kompositionen an der Seite des Musikers und Musikarrangeurs Martin Cahill gehören: „The Pied Piper“, „Deirdre“ (ein Musikdrama, das auf einer alten keltischen Legende basiert) und ” Teach Us How To Pray”, eine vollständige Musikpartitur für eine katholische Messe. Ab 1985 begann ich, mich auf Texte zu konzentrieren, und das führte mich zur Lyrik. Ich wurde in etablierten Literaturmagazinen veröffentlicht, wie: Poetry Ireland, Poetry Australia und ich ging dazu über, eine erste Sammlung von Gedichten zu veröffentlichen: ” Opposite Walls”, veröffentlicht von Salmon Poetry im Jahr 1991.

 

Welches sind Ihre Lieblingspoeten?

Patrick Kavanagh ( 1904- 1967) ist einer meiner Lieblingsdichter. Er kam wie ich aus einem ländlichen Umfeld. Andere Favoriten sind John Montague und Eavan Boland …

 

Welche Rolle spielt Poesie in der irischen Kultur heute?

Die Poesie ist tief in der irischen Psyche verankert. Das geht zurück bis ins Zeitalter der “Fili”. Der “Fili” war eine gelehrte Person, eine Art Philosoph und jemand, der mit Führung verbunden war. Mit der sich verändernden Gesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts verschwand jedoch dieser bardische Dichter, und man konnte das Aufkommen eines freieren und emanzipierteren Dichters willkommen heißen.

(Monahan beschreibt mit Filí eine keltische Führungspersönlichkeit, die Funktionen eines Dichters, Barden, Duriden, Gesetzgebers und Häuptlings einnahm. Weitere Informationen hier.)

 

Wenn Sie zaubern könnten….. Was wünschten Sie sich für sich selbst und für uns alle?

Glücklich zu sein. Das Leben ist kurz.

 

Noel Monahan

(Foto: privat N.M.)

 

 

STONE-BREAKER

Noel Monahan

(after the saxifraga flower)

We survived the last ice age, huddling

Eye-to-eye in a land of clouds, skylight of open air

Looking down on distant hills of ice, pillows of snow.

We are the unsung song of the Cuilcagh Mountains,

In tune with the howls of the wind

Constant crunch and crackle of ice chunks.

We are the dream catchers

Flowers growing for ghosts,

We are outlaws revelling on our own

Hanging on to arteries of stone.

We are fossil flowers, a blizzard of bloom,

Tough and tender, bent on growing into seed.

Our only prayers that some seeds may fly

With the winds of chance

Into the open mouths of years to come.

 

Das Gedicht ist in Noels jüngstem Lyrikband Chalk Dust (2018) erschienen.

 

In seinem Gedicht Stone-Breaker / Steinbrecher kreiert er einen Hymnus auf die unzähligen Arten der Steinbrech-Gewächse, die sich an die Felsen der Berge Irlands kauern. Unscheinbar aber trotzig und überdauernd, bescheiden aber zäh, übersehen aber hoffnungsoffen, dass sie auch die Eiszeit/Endzeit der kaum aufzuhaltenden ökologischen Ausmerzung überstehen werden. Dem Menschengeschlecht haben sie vielleicht einiges voraus.

 

Herzlichen Dank an Wolfgang Paetow für die Unterstützung bei der Textübertragung.

 

Anmerkungen und Foto Credits:

Zum Poetry Day Ireland 2021 am 21. April erschien ein Video mit Noel Monahan. Er bewandert darin die von ihm geliebten Hügel der Cuilcagh Mountains in seiner Heimat im County Cavan und trägt sein Gedicht vor.

Bild: Werner Bartholme; Connemara 2012

Noel Monahans Lyrikbücher: KLICK

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