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Maureen O'Hara

Maureen O’Hara, die Ältere – in Warhol-Style

 

Mitten in unserem kleinen Dorf Glengarriff hat die Lokalverwaltung vom Cork County Council vor etwa vier Jahren eine leicht erhobene, kreisrunde Fläche angelegt, eine flache Variante des Sockels. Man könnte seitdem einen Liegestuhl darauf stellen, oder ein Büdchen mit Bierausschank, oder zumindest eine Werbetafel für die Restaurants links und rechts der Straße. Neubürger Ian Bailey (“War er´s, oder war er´s nicht?”) könnte dort seine Interviews geben, der Comhaltas-Verein kleine Musik- und Tanzeinlagen präsentieren. Aber nein: Die Fläche blieb leer – bis auf zwei denkwürdige Tage im April.

Am letzten Dienstag im jüngsten April stellte ein Bautrupp die lebensgroße Bronzefigur einer jungen Frau im Kreisrund auf. Die geheimnisvolle Lady schien nach einem Bad in voller Montur gerade dem Wasser entstiegen, wirkte etwas bedrückt, möglicherweise entrückt, vielleicht einfach nur schüchtern. Zwei Tage später schnitten Männer mit Winkelschneidern die Bronzedame aus der Verankerung und verschwanden mit ihr in einem weißen Lieferwagen, während in den sozialen Medien ein gewaltiger Shitstorm tobte. Jetzt wartet der erhabene Kreis wieder auf eine Bestimmung.

Seit fünf Jahren arbeitete eine Handvoll geschäftstüchtiger Menschen in Glengarriff daran, eine Statue der Hollywood-Ikone Maureen O’Hara (1920 – 2015) im Dorf zu etablieren. Die Schauspielerin, die ihre großen Rollen in Zeiten des Schwarzweißfilms gespielt hatte, lebte als Pensionärin ab 2005 zehn Jahre lang in ihrer Wahlheimat Glengarriff. Warum also sich nicht ein wenig sonnen im strahlenden Glanz dieser Lichtgestalt? Ob Blow-in oder nicht: Oscar-Preisträgerin O’Hara sollte eine der Ihren sein – und ganz nebenbei den Wohlstand im Dorf als Touristen-Attraktion mehren.

 

27.000 Euro für eine schlichte kreisrunde Fläche

Maureen O'Hara Statue Glengarriff

Maureen-Statue, die zweite. Sie stand nur zwei Tage

Die Sache ging gründlich schief: Der erste Entwurf einer lokalen Künstlerin, die mit O’Hara befreundet war, zeigte die resolute, so löwenhafte wie rothaarige Filmschönheit als biedere Hausfrau von nebenan. Die Statue wurde stillschweigend aus dem Verkehr gezogen und eingeschmolzen. Der zweite Versuch litt von Anfang an erheblich unter der bis heute leeren kreisrunden Fläche: Das County Council hatte für die zweite Statue 60.000 Euro bereit gestellt, verschleuderte allerdings fast die Hälfte davon, (27.000 Euro) für den Bau der schlichten kreisrunden Fläche. So blieben für den neuen Künstler wenig ermunternde 33.000 Euro Honorar übrig.


Das Maureen O’Hara-Statuen-Debakel: Wie alles begann . . . Klick


Dennoch erklärte sich ein anerkannter und bekannter Bildhauer, Don Cronin aus Innishannon in West Cork, bereit und schuf die leicht verhuschte junge Frau – vielleicht das Abbild des in der Persönlichkeit von O’Hara angelegten Potentials zu Bescheidenheit und Demut, die der irisch-amerikanische Star ein Leben lang erfolgreich unterdrückt hatte? Es wurde nicht bekannt, welchen Auftrag der Künstler von wem genau bekommen hatte, auch nicht, wer denn nun die Verantwortung für das Debakel trägt. In der trüben Suppe rühren die Granden vom Cork County Council, die sich weiterhin von der Qualität der Statue überzeugt zeigen, die Maureen zugewandten Leute von Glengarriff, und die feine Verwandtschaft O’Haras, in der Form ihres Erb-Enkels Conor Beau.

Das Abenteuer dürfte 120.000 Euro verschlungen haben, die kreisrunde Fläche bleibt dennoch leer. Fast charmant wirkt nun der Vorschlag, dort eine Bank aufzustellen, einen Baum daneben zu pflanzen und an die Heldin der Leinwand, die in Glengarriff zu Lebzeiten nicht nur Freunde hatte, mit einem Gedenktäfelchen zu erinnern. Noch erinnert ein leeres kreisrundes Podest an die einstige Filmpartnerin von John Wayne und Errol Flynn.

Der Künstler schweigt derweil. Er erholt sich von der unsäglichen Schelte und den bösartigen Beleidigungen in den sozialen und den alten Medien. Alleine die Facebookseite von Glengarriff zählte fast 1000 Kommentare. Bis auf eine Handvoll Abweichler mokierten sich Maureen-Fans und vermeintlich Berufene aus nah und fern einhellig über die fehlende Ähnlichkeit und keilten kräftig gegen Statue und Künstler.

 

Vielleicht ist die Zeit von Bronzestatuen einfach vorbei

In Zeiten der Bilderfluten und der allgegenwärtigen visuellen Präsenz von Promis, in Zeiten, in denen jeder Smartphone-Besitzer zum Meinungs-Sender wird, ohne sich offen zeigen zu müssen, in diesen Zeiten ist es für Künstler schwer geworden, ein konsensfähiges Abbild eines Menschen für den öffentlichen Raum zu schaffen.

Ob Christiano Ronaldo auf Madeira, Lady Di in London oder Kurt Cobain in Aberdeen, USA: Die meisten Statuen-Projekte scheiterten zuletzt kläglich am öffentlichen Echo. Möglicherweise passen Bronzestatuen nicht mehr in unsere multimediale Zeit der virtuellen Parallelwelten. Möglicherweise ist es nicht mehr genug, wenn nur die Tauben mit fleckigen Statements ihr Einverständnis ausdrücken. Möglicherweise ist die Zeit der Heldenverehrung vorbei? Mag auch sein, dass man sich eine künftige Maureen in Glengarriff als dreidimensionales Hologramm aus Licht vorstellen muss. Zur Lichtgestalt würde das passen, in die Zeit möglicherweise auch.

Die nicht immer einigen Leute von Glengarriff hätten einen guten Grund sich zu besprechen: Warum eigentlich wollten sich einige von Ihnen ausgerechnet mit Maureen O’Hara schmücken? Was eigentlich wollten die schweigenden Anderen? Gibt es nicht vielleicht jemanden in den eigenen Ahnenreihen, auf den sogar Alle ein bisschen stolz sein könnten, wenn man ihn oder sie aufs Podest hebt?

Fragen über Fragen . . .

Maureen O'Hara

Maureen O’Hara, die Jüngere

Fotos: Maureen O’Hara privat; Markus Bäuchle; privat

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