Hier bleibt fast alles, wie es immer schon war. Fast alles.  An der Dorfstraße entsteht eine kreisrunde Präsentationsfläche. 

Die Dorfstraße von Glengarriff im Jahr 2018

Glengarriff, unser kleines Dorf in West Cork im Südwesten Irlands, ist ein beschaulicher Ort. Zwar wird die rollende Blechlawine, die sich im Sommer Tag für Tag durch die einzige Straße des Dorfes wälzt, von Jahr zu Jahr größer: mehr Touristen, mehr Wohnmobile, mehr Fischlaster, mehr Motorrad- und Fahrrad-Konvois. Doch wenn sich die Nacht über die Caha Mountains senkt, sind die vielen Tagesgäste wieder verschwunden.

 

Ein Sockel für Maureen

Glengarriff im Sommer 2018: Der Sockel ist bereitet für das Denkmal von Maureen O`Hara

 

Die Leute von Glengarriff ertragen die Besuchung mit Geschäftssinn und stoischer Fassung – und am Ende bleibt links und rechts der schnurgeraden Dorfstraße fast alles, wie es immer schon war. Fast: Vor 15 Jahren machte nach dem langen Niedergang der Hotelerie von Glengarriff das Park Hotel als Hoffnungsträger neu auf. Vor vielleicht zehn Jahren kam ein Friseurladen dazu – doch der ist längst wieder verschwunden, und seit einigen Jahren gibt es nun eine kleine Apotheke im Ort, die sich – auch aufgrund des hohen Durchschnittsalters der hier Lebenden – wacker behauptet. Und vor zwei Jahren haben zwei junge Entrepreneurs einen alten Wohnwagen auf den großen Parkplatz geschafft und darin einen Coffee-Shop aufgemacht. Läuft. Ansonsten aber halten sich die Leute von Glengarriff erfolgreich gegenseitig in Schach. Keine großen Sachen. Nur groß Träumen, das ist auch hier am Atlantik nicht verboten.

 

Maureen O'Hara Legacy Centre Glengarriff

Luftschloss a la Glengarriff: Das O’Hara Legacy Center wird durch eine Statue ersetzt

Liegt´s an der guten Luft? Das kleine Urlaubsdorf mit dem großen Namen war schon immer ein bevorzugter Ort für den Bau von Luftschlössern: Glengarriff sollte einst Dampfschiff-Hafen und Drehkreuz für den Schiffsverkehr in die USA werden, es sollte der luxuriöseste Seebadeort Westeuropas werden und ein international anerkannter Luftkurort dazu; es sollte das landwirtschaftliche Zentrum Irlands und die Kapitale der ländlichen Koop-Bewegung werden; es sollte ein 30-Millionen-Euro-Fünf-Sterne-Hotel erhalten und zuletzt ein Acht-Millilonen-Euro-Denkmal für einen Hollywood-Altstar.

 

Maureen_O'Hara_Glengarriff

Maureen O`Hara: Stets auf der Bühne.

Glengarriff ist in all den Jahrzehnten das kleine Dorf mit dem großen Namen geblieben — und zuletzt galt es, Abschied zu nehmen von einer ganz besonders großen Idee, dem Maureen O´Hara Legacy Center, das eigentlich schon im  Jahr 2013 im Village seine Pforten öffnen sollte. Weil die Film-Legende Maureen O’Hara*   über 45 Jahre lang in Glengarriff lebte, sollte dort nach dem Willen einer zweifelhaften Stiftung mit dem guten Namen der Leinwand-Ikone und dem Geld reicher Amerikaner eine Filmschule mit Museum und Maureen-Denkmal entstehen. Es wurde nichts daraus. Statt dessen gab es viel Streit um das Erbe der großen alten Dame. Maureen entfloh dem Chaos und Glengarriff im Jahr 2012, siedelte nach Idaho über, erhielt 2014 noch ihren lange ersehnten Ehren-Oscar und starb 2015 im Alter von 95 Jahren in den USA.

Das Maureen O’Hara Legacy Center, geplant als Museum, Denkmal, Filmschule, Kino, Bühne und Weiterbildungsstätte für Filmschaffende in einem, blieb ein Castle in the air, wie man her sagt, ein Luftschloss. Glengarriff wurde nicht zum Nabel der Filmwelt in West-Europa. Und doch tut sich seit Wochen etwas an der Stelle, an der das Center einmal gebaut werden sollte. Arbeiter der Lokalverwaltung legen mit Präzision und Sorgfalt am Rande der Dorfstraße eine kreisrunde Präsentationsfläche an – und die lokalen Medien haben es schon im vergangenen Jahr verraten: Glengarriff erhält zur Erinnerung an ihre berühmteste Ex-Einwohnerin endlich sein Maureen-O’Hara-Denkmal. Es ist nur noch eine Frage von  . . .

“Sieht nicht wie Maureen aus . . . “

 

Oh no: Schon im vergangenen Jahr kursierten Fotos von einem Entwurf der lebensgroßen Bronze-Statue im Internet – begleitet von entsetzten Kommentaren wie “Oh nein, so doch nicht” bis “Die sieht aber gar nicht wie Maureen aus.” Die eigentlich pensionierte Statuen-Produzentin Jeanne Rynhart hatte sich vom Ruhestand wieder verabschiedet, um den Auftrag für die O’Hara-Statue in Bronze zu materialisieren. Jeanne Rynhart ist in Irland keine Unbekannte. Auch nicht in Glengarriff, wo sich der Rynhart-Klein-Statuen-Versand von Tochter Audrey niedergelassen hat. Mutter Jeanne überzog in den vergangenen drei Jahrzehnten West Cork und halb Irland mit ihren Gedenk-Statuen. Die Annie-Moore-Bronze in Cobh und natürlich die Molly Malone in der Innenstadt von Dublin gehören zu ihren bekanntesten Kreationen.

Die Skulptur der vollbusigen Fischverkäuferin Molly Mallone setzte die Irish Times vor ein paar Jahren auf die Liste der “meist gehassten öffentlichen Kunstobjekte”. Rosita Boland schrieb über die Bronze mit den Spitznahmen Dish with the Fish („scharfe Braut mit dem Fisch“) oder Dolly with the Trolley („die Puppe mit der Karre“):

“Den Touristen mag sie gefallen. Ich halte die kurvige Bronze für ein vulgäres und geschmackloses Ärgernis – zumindest aber mag ich ihren Spitznamen The Tart with the Cart (“Das Flittchen mit der Karre”). Ganz offen gesagt: Die Statue eines Leprechauns wäre weit weniger kitschig”.

Molly Malone

The Tart with the Cart: Molly Malone Statue in Dublin

Und so warten die Leute von Glengarriff gespannt auf das Rynhart´sche 3-D-Bildnis ihrer großen Ex-Mitbürgerin Maureen. Werden wir sie wieder erkennen? So richtig beliebt war MOH zwar nie im Dorf, denn sie lebte  ja wie “eine Klasse für sich” und sie verfolgte ihre Interessen auch im Ort immer mit der nötigen Durchsetzungskraft. Einem Online-Spendenaufruf für die fehlenden 46.000 Euro folgten deshalb in 16 Monaten gerade fünf Fans, es kamen 1.350 Euro zusammen. Doch man versteht schon: Dem Geschäft entlang der Straße wird es nicht schaden, wenn sich Händler und Wirt ein wenig noch im langsam verblassenden Ruhm der irisch-amerikanischen Leinwand-Ikone sonnen.

Mir spukt derweil die Frage im Kopf herum, ob es nach der englischen Queen Victoria, den anglo-irischen Bryces von Garinish Island und der irisch-amerikanischen Film-Ikone O’Hara aus Dublin irgendwann einmal einen Menschen aus den eigenen Reihen geben wird, den die Leute von Glengarriff aufs Schild heben . . .

Wir werden jedenfalls berichten, wenn an der Straße von Glengarriff der behindertengerechte Maureen O´Hara Rose Garden mit Sitzgelegenheit eröffnet wird. Demnächst auf Irlandnews. Bleiben Sie dran.

 

Fotos: Antje Wendel, MOH-Foundation, MOH-Website, Markus Baeuchle

 

 


Maureen O`Hara in jungen Jahren

 

* Die klassische Hollywood-Ikone Maureen O’Hara, die im August 1920 in Dublin als Maureen Fitzsimons geboren wurde, war ständige Filmpartnerin von John Wayne (The Quiet Man, Rio Grande, McLintock), James Stewart und Charles Laughton. O’Hara drehte über 50 Filme, wurde als “Königin von Technicolor” geadelt und gilt auch heute als erfolgreichste irische Schauspielerin aller Zeiten. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde sie als eine der schönsten Frauen der Welt (Foto rechts) gefeiert. Nur ein Oscar blieb ihr lange versagt. Erst 2014, ein Jahr vor ihrem Tod, erhielt sie doch noch den lange ersehnten Oscar für ihr Lebenswerk. Über 45 Jahre lebte die amerikanische Staatsbürgerin, die sich immer für Irland und das Irische stark machte, in Glengarriff, County Cork, im Lugdine House, zwischen Meer und Golfplatz. Als Präsidentin des örtlichen Golfclubs sponserte sie jedes Jahr Ende Juni das nach ihr und ihrem früh verstorbenen Mann Charles Blair benannte Golfturnier von Glengarriff. Drei Jahre vor ihrem Tod verließ O’Hara inmitten großer Turbulenzen um ihr Erbe Glengarriff und verbrachte die letzten drei Jahre ihres Lebens in Idaho, USA.

 

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