Jeder wollte oben auf dem Heuwagen sein im Irland des Keltischen Tigers. Bild: Der Heuwagen von Hieronymus Bosch
Die Geschichte des wirtschaftlichen und finanziellen Niedergangs Irlands in den Jahren 2005 bis heute wird auf der Insel gerne verkürzt auf das habgierige Verhalten der Banker-Kaste. Die Bankmanager, so heißt es, hätten das Land in den Abgrund geritten. Stimmt – und stimmt nicht. Maßlosigkeit und Raffgier waren in den Jahren des Celtic Tigers ein weit verbreitetes Phänomen. Auch Mary und Paddy, die irischen Hinz und Kunz, spielten kräftig mit im irischen Immobilien- und Haben-Wollen-Monopoly der frühen 2000-er Jahre.
Wahr ist allerdings auch, dass Mary und Paddy in privaten Gesprächen heute ganz schnell die entwaffnenden Waffen der Selbstanklage und der Selbstkasteiung auspacken und ihre kollektive Mitverantwortung für den Absturz des einst „reichsten Landes Europas“ unumwunden zugeben. Äußerst bedeckt halten sich dagegen weiterhin die sogenannten Eliten des Landes – all jene Entscheidungsträger außerhalb der Banken, die den Karren maßgeblich mit in den Morast steuerten. Will man die traurige Wahrheit über die irische Misere in einem Satz zusammenfassen, dann wäre dieser vielleicht: Die Eliten Irlands haben kläglich versagt.
Mit großem Interesse diskutierte die Öffentlichkeit auf der Insel deshalb gestern einen Leitartikel des Journalisten Vincent Browne in der Irish Times, der sinngemäß überschrieben war mit: „Geben wir endlich zu, welchen Anteil wir am Platzen der Blase hatten“: Gemeint ist die Immobilien- und Wohlstandsblase, die von Gier, Maßlosigkeit, Spekulation und Raffke-Mentalität aufgebläht wurde, bis sie krachend zerbarst und das kleine Land in seine bislang tiefste Krise stürzte. Vincent Browne fordert all die mitbeteiligten Entscheidungsträger auf, sich endlich zu ihrer Mitverantwortung zu bekennen:
All die so wichtigen und honorigen Leute in den Aufsichts- und Kontrollgremien der bösen Banken, die externen Buchhalter und Finanzberater der Banken, all die Rechtsanwälte und Rechts-Berater der Banken. Was taten sie, um ihrer Pflicht nachzukommen? Nichts. Sie nahmen und schwiegen. Was taten die Politiker der irischen Regierung? Sie befeuerten die Blase, sie mieden jede Vorbereitung auf die Krise, und in der Krise trafen sie verhängnisvoll falsche Entscheidungen. Was taten die Gewerkschaftsführer, die Entscheidungsträger, die Ärzteschaft im öffentlichen Dienst? Sie genehmigten sich und den ihren maßlos übertriebene Honorare, saugten Honig aus einem maroden Gesundheitssystem, das nur der Gewinnmaximierung der Beschäftigten aber nie dem Gemeinwohl verpflichtet war.
Am Ende klopft Vincent Browne sich an die eigene Brust und nimmt die Medien-Industrie in die Pflicht. Auch die Medien haben versagt, haben den Keltentiger mitgeritten, bis er zusammenbrach, haben die Kassen mit Immobilien- und Konsumartikelanzeigen gefüllt und vor der aufziehende Krisen nicht gewarnt.
Nun also scheint die Zeit des „Mea Culpa“ anzubrechen. Es ist tatsächlich Zeit, reinen Tisch zu machen und mit der Kultur der Gier endgültig zu brechen. Sonst geht es bei der nächsten Gelegenheit bewußtlos in die nächste Runde.
Wie singt Udo Lindenberg so schön: „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur viel zu selten dazu“. Unsere einzige Chance liegt darin, es Stück für Stück anders zu machen – mit kleinen Schritten. Vielleicht liegt die neue Hoffnung in diesen kleinen Veränderungen.
Ich denke – nichts aus Fehlern zu lernen, gehört zum Menschsein dazu. Sobal die Maschine wieder halbwegs läuft zählt nur mehr der Profit. Jeder will das größte Stück vom Kuchen. Egal was vorher war. Der Mensch funktioniert bestens als Herde. Wie die Lemminge hinterher. Ob Irland, Portugal, Deutschland oder meine Heimat Österreich. Überall das Gleiche – glogal halt, wie Nicola sagt.
Ein Problem: wir haben unsere eigenen Kinder ebenfalls so erzogen. Was zählt ist, was man hat. Brutal klingt dann natürlich der Umkehrschluss. Aber im Grunde ist das so.
Und: ich selbst nehme mich dabei nicht aus! Auch wenn ich versuche es anders zu machen.
Gelingt aber viel zu selten, denke ich mal.
Darum: „Abwesenheit von Hoffnung“ trifft es bestens!
in beiden Fällen jedenfalls die Abwesenheit von Hoffnung.
Zynismus oder Resignation?
Nein, ich glaub nicht dran, aber ich bleib trotzdem dabei. Mein Prinzip ist der Optimismus wider besseres Wissen. Der Rest wäre Zynismus.
>>> Nun also scheint die Zeit des “Mea Culpa” anzubrechen. Es ist tatsächlich Zeit, reinen Tisch zu machen und mit der Kultur der Gier endgültig zu brechen. Sonst geht es bei der nächsten Gelegenheit bewußtlos in die nächste Runde. <<<
Glaubst Du wirklich, dass die jetzige Selbsterkenntnis beim nächsten Aufschwung noch irgendjemand präsent ist? NIchts ist so schnell vergessen, wie das eigene Geschwätz von gestern oder sogar vorgestern.
Ich habe die Kommentare mal überflogen. Es ist schon bestürzend, wie die Lage „von innen“ aussieht – durchaus teilweise widersprüchlich, aber wahrscheinlich hat jeder auf seine Weise recht. Und viel mehr, als ich es hier in den Medien wahrnehme, wird ein Zusammenhang zu den nach wie vor unguten Machenschaften im deutschen (und französischen) Bankensystem gesehen. Ich kann nicht beurteilen, inwiefern diese Sichtweise zutrifft – und allein das ist schon erschreckend: dass all diese Zusammenhänge so verwirrend sind, dass sie ein normaler Mensch überhaupt nicht mehr versteht. Dieses (globale) System fährt sich gerade scheinbar ungesteuert an die Wand.
Ein erster Schritt für die Zeit danach: eine neue Definition für den Begriff „Elite eines Landes“. Die bisherige zeigt, dass sie mit nichts mit einem wie auch immer gearteten Verantwortungsgefühl zu tun hatte. Diese Menschen – überall auf der Welt – sind wohl zu weiten Teilen nicht in der Lage, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, geschweige denn für andere. Dieses Kriterium spielt bisher meines Wissens keine nennenswerte Rolle.