Manche Männer finden Autos sexy. Viele Männer in Irland finden Autos super-sexy. Das Auto heißt auf der Insel “die Auto”, es ist tatsächlich eine Sie (“She is powerful”). Sie wird vielleicht nicht so oft gewaschen und gewienert, weil der irische Regen das erledigt, aber sie wird dennoch heiß und innig geliebt.

Der Wanderer hat ein eher distanziertes Verhältnis zu Autos. Das Automobil soll ihn zuverlässig von A wie Ahakista nach B wie Ballydehob bringen und dabei nach Möglichkeit nicht allzu großen Durst entwickeln und auch nicht allzuviel Dreck aus den Innereien blasen. Am Sonntag, dem 23. Mai, wurde schlagartig alles anders. Der Wanderer lernte seine Auto von der innigst heißen Seite kennen – und er lernte, seine Auto zu geringschätzen. Sie hatte versagt. Komplett versagt.

Sie heißt Renault – ist eine geräumige Dame aus dem vornehmen Hause derer von Baguette, immer noch knackig, wenn auch nicht mehr ganz jung, Jahrgang 2004, Vorname: Mégane Scenic. Am Abend des 23. Mai beschloss Mégane Scenic während der Fahrt, eigenmächtig die “elektronische Parkbremse”, vulgo Handbremse, in Betrieb zu nehmen. Drei mal vollautomatischer Brems-Service ohne Anlass. Das Ergebnis: Die Hinterräder blockierten, die Bremsscheiben erhitzten sich wie elektrische Herdplatten, das Hinterteil der Französin hüllte sich schlagartig in große weiße Wolken. Die Dame rauchte und dampfte aus den Rockgeschößen, dass dem Filius auf dem Rücksitz angst und bange wurde.

Der Wanderer konnte sich in seinem Autofahrerleben schon mit automatischen Getrieben und automatischen Schein-Werfern arrangieren. Mit der automatischen Handbremse von Mégane hatte er allerdings seine Problemchen. Und spätestens, als die hitzige Französin auf freier Strecke bei Tempo 70 das Bremsen begann, war klar: Er hatte ein hand-festes Problem. Mensch, Mégane, was tust Du uns an? Auch wenn der Rat eines alten Freundes in den Ohren klang: “Hüte Dich vor Autohändlern, sie sind die Rosstäuscher der Moderne” – es half alles nichts: Der Weg zum Autohändler war vorgezeichnet.

Um nicht langweilig zu werden, hier nur die Kurzfassung der folgenden zwei Wochen: Händler: “Du hast ein Problem. Ein großes Problem”. Mietwagen. Kostenvoranschlag. Wut. Weigerung. Brief an Renault, Direktion Irland: “Sie haben das Problem. Handbremsen sollten sich während der Fahrt zurückhalten”. Und dann das Zauberwort: “Zeit für eine nationale Rückrufaktion?”. Volltreffer: Renault kommt in Fahrt. Renault repariert. Renault bezahlt. Alles. 1000 Euro. Mietwagen kostenlos. Großzügig. Alles gut.

Alles gut? Großzügig? Nichts ist gut. Der lokale Renault-Reparateur verbuchte die “Großzügigkeit” auf seinem Konto, gab zu verstehen, dass man sich auf dem dünnen Eis der Interpretation und der  Kulanz bewege, froh sein könne . . . Händlers Ansage: Renault Dublin ist weit weg. Renault Dublin zahlt, aber: Wahrscheinlich sei Mégane einmal unzulässigerweise in einer typisch irischen Straßenflut baden gegangen. Kulanz also, große, große Kulanz.

Von der Renault-Direktion Irland in Dublin hat der Wanderer bis heute – außer einem lakonischen formalen Zwischenbescheid – keine Antwort auf seinen Brand-Brief. Fünf Wochen später, gestern, am 29. Juni, meldeten unter anderem Medien in Österreich, dass weltweit 700.000 Exemplare der bremsfreudigen Französin in die Garagen zurückgerufen werden. Renault ruft zurück, Renault benachrichtigt die Eigentümer, Renault bezahlt. Zumindest in der Alpenrepublik. Wir warten weiter auf Post aus Dublin. Nein, Autos sind nicht sexy. Französische Baguettes schon gar nicht.

PS. Die Losung des Tages: “Was dem Henry seine Hand, ist der Mégane ihre Hand-Bremse.”