Dublin

Not too bad at all – oder doch richtig bad? Bevor Irland vor 25 Jahren ein wohlhabendes Land wurde, waren die Zukunftsperspektiven für die meisten Menschen über viele Generationen hinweg nicht rosig. Deren Enthusiasmus hielt sich bei der Beschreibung der eigenen Lage deshalb in engen Grenzen, selbst wenn sie einmal gut war. Es könnte das nächste Unglück ja bereits am nächsten Eck warten. Ein “sehr gut” oder “bestens” ist deshalb auf die Routine-Frage nach dem Befinden nicht zu erwarten. Mit einem “not too bad at all” (deutsch etwa: “überhaupt gar nicht so schlecht”) drücken viele Irinnen und Iren deshalb höchstes Wohlbefinden aus. Aufgrund dieser kollektiven Gemütslage gehören auch das Klagen und Lamentieren auf der Insel zum Handwerk.

Zur Zeit beweisen die Urlaubsmacher Irlands ihre Schwarzmaler-Qualitäten medienwirksam und eindrücklich: Sie warnen vor einem richtig schlechten Tourismus-Jahr 2024. Seit die Regierung den vergünstigten Mehrwertsteuersatz für so wichtige Tourismussparten wie die Friseure, Kinos, Restaurants und Hotels abgeschafft hat, malen die Lobbyisten der irischen Reisebranche den Pleiteteufel an die Wand. Gerade tagten die Hoteliers der Insel und konstatierten fünf Prozent Buchungsrückgänge im Vergleich zum Vorjahr bei acht Prozent gestiegenen Kosten. Sie wollen mit ihren Lamentos vor allem Eines: Geld oder Steuererleichterungen vom Staat.

Es könnte allerdings sein, dass das kollektive Klagen in diesem Jahr berechtigt ist: Die Kosten sind drastisch gestiegen, und mit ihnen die Preise. Gleichzeitig schrumpfte in vielen Geldbeuteln im In- wie im Ausland das frei verfügbare Einkommen, mit dem sich Späßchen wie ein Urlaub finanzieren lassen. In den vergangenen Monaten haben zahlreiche überwiegend teurere Restaurants die Segel gestrichen, weil sie von steigenden Kosten erdrückt wurden.  Zudem ist jedes dritte Hotelbett derzeit mit Schutzsuchenden aus der Ukraine belegt – und den über Plattformen wie Airbnb vermieteten Privatunterkünften droht aufgrund des eklatanten Wohnungsmangels eine strenge Regulierung durch den Staat. Auch die Flugpreise werden erneut teurer werden. Das bestätigte gerade Ryanair-Chef Michael O’Leary. So könnte eine geringere Nachfrage auf geringere Kapazitäten bei höheren Preisen treffen. Was das für die Preise bedeutet und wie potentielle Irland-Urlauber damit umgehen, wird sich zeigen.

Über Irlands Tourismushimmel ziehen dichte Wolken. Noch darf diskutiert werden, ob es Schönwetter- und Regenwolken sind. Mit Schauern zumindest wird zu rechnen sein. Über einen Mangel an mäßig zu bezahlenden Arbeitskräften in der Küche, am Putzeimer und im Service sollten sich die hiesigen Tourismusbetriebe jedenfalls nicht beklagen. Hoffen wir, dass die Englisch-Sprachkurse gerade gut gefüllt sind.

Planen Sie in diesem Jahr einen Urlaub auf der immer noch recht grünen Insel? 


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Foto: Christopher Baeuchle; An der Liffey in Dublin