In wenigen Wochen geht die Fußball-Saison in Irland zu Ende. Noch spielen die irischen Jungs landauf, landab begeistert ihren Soccer, doch demnächst schon übernimmt GAA, Gaelic Football, wieder das Regiment. Fußball kann auf der Insel nur als Nischensportart existieren und muss mit den Wintermonaten vorlieb nehmen. Irischer Soccer ist deshalb meist assoziiert mit Schlamm, Matsch, Nässe und Kälte – und mit himmlischem Vergnügen trotz aller Widrigkeiten. 

Sportart Nummer eins, Religion und Identitätsstifter zugleich, bleibt für die Iren der Gaelic Football, der zusammen mit dem Hurling die Gaelic Games ausmacht. Im Alltag redet man nur von ” GAA” (was für Gaelic Athletic Association steht). Gaelic Football wird mit großer Härte und einem ebenso harten, fast fußball-großen Ball auf einem extrem großen Feld und auf ein dem Rugby ähnliches Tor gespielt. Die Spieler benutzen Hände und Füße, um den Ball ins gegnerische Tor zu transportieren. GAA macht die Iren zu Iren, in den GAA-Clubs wurde der Freiheitskrieg gegen die Engländer organisiert und GAA setzt den Kontrapunkt zum verhassten Spiel der Engländer: Fußball eben.
Nicht verwunderlich deshalb, dass das GAA-Establishment den Jugendlichen bis weit in die 70er Jahre hinein rigoros verbot, das englische Soccer auzuüben. Eifersüchtig wachten die Communities darüber, dass ihr Nachwuchs nicht fremd ging, und manche Sportlerkarriere zerbrach unter diesem Druck. Denn die jungen Iren spielen seit den 60er Jahren wo immer sie sich ungezwungen treffen, eigentlich immer nur eines: das Besatzerspiel Fußball. Zwei Jacken und zwei Schultaschen auf den Boden geschmissen und das Spiel kann beginnen. 

John Waters, der sich selbst als “der furchtloseste Dissident Irlands” bezeichnet und eine Kolumne für die Irish Times schreibt, hat vor einiger Zeit an die Bedeutung der Fußballs für die jungen Iren in den 60 er und 70er Jahren erinnert. Waters* zufolge war GAA Establishment, Druck, Struktur und Muss, Fußball dagegen war Herzenssache, war subversiv, weltoffen, war Jugendreligion, Rock n´Roll eben.

Auch heute noch setzen GAA-Funktionäre junge Ballportler  mit Hilfe der Eltern gewaltig und oft erfolgreich unter Druck. Zwar hat sich Fußball schon lange vor der Ära Trappatoni (neben dem derzeit extrem populären Rugby) als Mannschaftssport Nummer 2 etabliert; wenn allerdings im Herbst oder im Frühjahr ein GAA- und ein Fußballspiel auf denselben Termin fallen, wird den Dorf-Jugendlichen noch immer ganz eindeutig bedeutet, wo der Hammer hängt: Auf dem GAA-Pitch nämlich. Irish first – da wird selbstverständlich erwartet, dass sie Gaelic und nicht Englisch spielen.
John Waters hat in dem zitierten Beitrag* übrigens über die “Viertelfinals-Mentalität” seiner Landsleute geschrieben. Diese lebten überwiegend nach  dem Motto “Warum Finale, Viertelfinale ist doch auch schon was”, was Waters damit erklärt, dass die Engländer Irland in einigen Jahrhunderten Besatzungszeit eine Verliermentalität aufgezwungen hätten. Wenn man bedenkt, wie Irland vor allem seine Niederlagen feiert (“The Flight of the Earls”, oder den langen Rückzug von O´Sullivan Bere), muss man John Waters einfach beipflichten. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Post. 
* John Waters: “The Quartefinals Mentality”, aus: The Politburo Has Decided That Your Are Unwell”, The Liffey Press 2004