Heute kam der Stromableser. Es muß also Anfang November sein. Noel, der immer freundliche kleine Mann mit dem kleinen Auto und der gelben Sicherheitsweste, zieht von Haus zu Haus, von Stromzähler zu Stromzähler, und liest den aktuellen Stromverbrauch ab. Erst kommt Noel, dann die Stromrechnung, sagen die Leute.
Noel arbeitet für die ESB, wie das Stromkraftwerk hier noch immer heißt. Dass der alte nationale Stromversorger ESB als Electric Ireland die Zukunft gewinnen will, den Wechsel von Braun (Torf) nach Grün (Wind), ignoriert man hier auf dem Land großzügig. Der Strom kommt immer noch mit 230 Volt und 50 Hertz aus der Steckdose.
Der Stromableser kam vor vielen, vielen Jahren immer einmal im Monat, vor vielen Jahren dann noch sechsmal im Jahr. Seit einigen Jahren liest er dreimal ab, im Februar, im Sommer und im November. Er arbeitet präzise wie der Stromzähler selbst, erkundigt sich immer freundlich nach dem Befinden der Familie – und wie es den Tieren geht. Dann liest er ab.
Noel illuminiert den Stromzähler mit seiner kleinen schwarzen Taschenlampe. “Seven-Six- Four-One-Four”, entlockt er dem Zähler und wiederholt den Code zweimal laut, bis er die Zahlen sicher in sein schwarzes Daten-Handy eingetippt hat. Es baumelt am Hals. Seit einigen Jahren schon. Der kleine digitale Begleiter ist der Feind an seiner Brust.
Symbol der Vergänglichkeit
Heute hat Noel ein kleines Extra-Schwätzchen mit gebracht. Also, seine neue Taschenlampe sei große Klasse. Sehr schön hell. “Die hab ich von Aldi”, raunt er und zwinkert mir verschwörerisch zu. Diese Deutschen halt.
Dann ist es Zeit für den Scherz: “Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. Wir sehen uns im Februar.” Ich sage dann immer: “Wir sehen uns rechtzeitig vor Ostern. Gute Fahrt”.
Der Stromableser kommt und geht. Jahrein, jahraus. Ein Symbol der Vergänglichkeit. Bald wird er in Rente gehen. Dann wir er nicht mehr kommen – und auch kein Kollege. Die digitale Welt kommt ohne ihn zurecht.
Der Stromzähler. Ziel des Stromablesers.
Foto: Markus Bäuchle
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