This story / page is available in: English

 

Cape ClearBlick auf den Südhafen von Cape Clear

 

Inseln sind ihre Leidenschaft. Heute berichtet Irlandnews-Autorin Sandra Böttcher über die bemerkenswerten alten Steine von Cape Clear.

Im Spätsommer verbrachte ich fünf Tage auf Cape Clear Island und kam mit vielen Eindrücken zurück, die meine Liste Liebe zu den Inseln länger werden lässt. Neben der Anziehungskraft, von Wasser umgeben und weit draußen zu sein, liebe ich die raue Natur an abgelegenen Orten. Hier gibt es wenig(er) modernen Stress. Ich genieße die Einfachheit, verspüre eine tiefe Zufriedenheit, wenn alles still ist, bis auf die Geräusche der Natur, die Musik des Windes, des Meeres und der Vögel.

Ich kannte Cape Clear von mehreren Besuchen (eine kurze Inselbeschreibung findet Ihr weiter unten). Diese Reise stand neben den Wandertouren, auf denen ich mich so wohl und frei fühle, im Zeichen der prähistorischen Stätten: Ich wollte herausfinden, welche Ausstrahlung diese besonderen Plätze auf mich haben und verbrachte unter anderem viel Zeit an den alten Verlobungs- und Hochzeitssteinen.

Die eindrucksvollen Marriage Stones stehen auf einer Weide unterhalb einer felsigen Anhöhe am östlichen Ende der Insel.

 

Cape ClearMarriage Stones Cape Clear (Galláin an Chomalaín oder Cloch na nGeallúna)

Ursprünglich waren es vier, heute stehen nur noch zwei Steine aufrecht. Der eine, mit einem Loch in der Mitte, ist seit jeher als Cloch na Geallona, als “Verlobungs- und Hochzeitsstein” bekannt.

Der Legende nach heißt es, dass dieser Stein in früheren Zeiten zur Besiegelung eines Verlobungsgelübdes verwendet wurde. Im frühen Irland, als noch die Brehon-Gesetze, das einheimische Rechtssystem im frühmittelalterlichen Irland, in vorchristlichen Zeiten galten, waren die Menschen in Bezug auf die Ehe sehr praktisch:

Ein Paar konnte für ein Jahr und einen Tag heiraten und dann, wenn es mit der Partnerschaft nicht zufrieden war, nach dieser Zeit zurückkehren und das Gelübde brechen, ohne sich zu schämen oder zu beflecken. Dieses Gesetz fand auch Anwendung, wenn der Mann impotent war. Wenn es Kinder gab, gingen sie an den Clan der Mutter.

Das Loch im Hochzeitsstein ist auf einer Seite meist schmal und auf der anderen breit. Die Frau schob ihre Hand durch die enge Öffnung, der Mann ergriff diese durch die breite Seite. Sie reichten sich die Hände, um entweder ihre Verlobung oder ihr Ehegelübde zu erklären.

 

Cape ClearLoch Marriage Stone Cape Clear

Auf Cape Clear wird erzählt, dass diese Trysting Stones oder Marriage Stones, zwischen denen ein dritter liegt, wohl drei Krieger symbolisieren, die unter einen magischen Bann gestellt wurden.

Eine weitere Geschichte dreht sich um ein schwarzes Pferd, das das Feld bewohnt, auf dem sich der Stein befindet. Nach dieser Legende wurde ein junges Paar am Stein getraut, doch der Bräutigam beging in der Hochzeitsnacht Ehebruch. Für diese Tat wurde er von dem Stein dazu verflucht, die Ewigkeit als Pferd zu verbringen, niemals zu sterben und das Feld nie verlassen zu können. Diese Legende stammt nicht von Cape Clear, sondern von einem kleinen Dorf im County Antrim, Nordirland.

 

Archivauskünfte von der Universität Cork

Folgende Aufzeichnung stammt aus einem Projekt, das von der Irish Folklore Commission überwacht wurde: In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium und der Irish National Teachers’ Organisation dokumentierten Grundschüler mehr als 750 000 Seiten lokale Geschichte und mündlicher Überlieferung aus den 26 Grafschaften des irischen Freistaats (1937-1939). Aus der Sammlung ein Auszug über den Hochzeitsstein von Cape Clear:

Cape ClearHandschriftlicher Aufsatz eines Grundschülers aus dem Jahr 1938*, Clochar na Trócaire (Convent of Mercy), Skibbereen

„Hochzeitsbräuche. In der Nähe des nördlichen Endes der Insel Cleire befindet sich ein aufrecht stehender, etwa vier Fuß hoher Säulenstein, Gallaun genannt. In der Mitte befindet sich eine kreisförmige Öffnung; es gibt eine alte Tradition, die mit ihm verbunden ist. In früheren Zeiten war dies ein Hochzeitsstein, an dem sich Liebende trafen und verlobten. Da es auf der Insel keinen Juwelier gab und Verlobungsringe nicht zu bekommen waren, gaben sich die Liebenden durch die runde Öffnung die Hand. Die gegenseitigen Gelübde, die bei solchen Gelegenheiten abgelegt wurden, wurden streng eingehalten. Dieser Gallaun wird als ehrwürdiges Relikt betrachtet, welches auf die eine oder andere Weise mit der Verehrung der Druiden verbunden ist“.

 

Tiefe Achtung für die Vorfahren

Studenten und Geschichts-Enthusiasten aus Cornwall folgten im Jahr 2000 einer Einladung des Cape Clear Museum-Vereins, machten während einer Pilgerreise (zu Ehren von St. Kieran, der die Botschaft des Christentums in ihren Ort gebracht hat) auch Halt an den Hochzeitssteinen**.

Pilgerreise, Flaggen aus Cornwall und Irland, Gedenken an die keltischen Vorfahren an der Comalán-Steinreihe, “Hochzeitssteine”

…In Gort na nGallán in Comalán gibt es eine Reihe von Steinen. Einer von ihnen hat ein Loch, das möglicherweise bei einer religiösen Zeremonie oder einem Heiratsritual eine Rolle gespielt hat. Er wurde Cloch na nGealluna genannt, der Stein, an dem Versprechungen gemacht oder Verträge geschlossen wurden. Mit Stolz in der Stimme begrüßte Mícheál C. Ó Drisceoil, auf dessen Land sich dieses antike Monument befindet, die besuchenden Pilger. In seiner Rede auf Irisch erklärte Mícheál, dass alte archäologische Monumente wie Galláin an Chomaláin Symbole für den Glauben unseres Volkes sind. Diejenigen, die die Denkmäler errichteten, waren gläubige Menschen, und der Glaube brachte die Menschen in jenen alten Zeiten zusammen…

Die Pilger standen zusammen, ehrten ihre Vorfahren und hatten viele Fragen: Wie mühsam und kräftezehrend es wohl gewesen war, diese großen Steine zu bewegen und sie aufzustellen? Wie lange hat es gedauert? Woher brachten sie die Steine? Warum haben sie die Steine auf diese Weise zusammengesetzt? Was war ihr Glaube?

Damals wie heute: Die Anziehungskraft mystischer Orte

Es gibt viele Menschen, die nach ganz persönlichen Kraftorten suchen. Oft zieht es uns an eine abgelegene Stelle in der Natur, um dort die Stille zu genießen, um die Landschaft zu bewundern und für einen Augenblick zu verweilen. Ein persönlicher Friedensort kann auch ein keltischer Steinkreis, eine Grabstätte oder ein historischer Platz sein, um in sich zu gehen, Ruhe zu finden. Vielleicht um dort ein Ritual durchzuführen, Versprechungen abzulegen, Jahrestage zu feiern, ein Gebet zu verrichten oder Wünsche zu senden.

Die Heirats- oder Verlobungssteine jedenfalls ziehen auch heute Paare an, die ihr Gelübde ablegen oder erneuern wollen.

Reife Liebe bestätigen: Ehepaar am Caherulagh Marriage Stone, Sheep’s Head Peninsula

 

Uralte Steine – Wegweiser heute?

Welchen Zweck die alten Steine wohl noch erfüllten? Sie bleiben rätselhaft. Sie sind Grabzeichen, Gedenksteine, Grenzsteine, Sonnenmarkierungen. Sie sind stumme Zeugen, können viele Geschichten erzählen. Steine erinnern an Glück und Leid.

Ich empfinde eine tiefe ästhetische Wertschätzung, mir bleiben eindrucksvolle Momente mit vielen Gedanken und sicher werde ich diesen Ort als einen besonderen Raum fest in meinen Erinnerungen verankern.

 


Eine kurze Inselbeschreibung: Cape Clear

Cape Clear Island (auch Clear Island; gäl. Cléire oder Oileán Chléire), die südlichste bewohnte (Gaeltacht-) Insel Irlands, ist 5,2 Kilometer lang und 2,4 Kilometer breit und erhebt sich wie ein mächtiger Wal aus dem Meer. Derzeit leben rund 100 Bewohner auf der Insel. Im Sommer wächst die Zahl auf mehrere hundert an, wenn irische Schüler Gaelic Colleges besuchen oder Sommer-Ferienhäuser bezogen werden. Die Insel ist bekannt für den Geburtsort des Missionars St. Kieran (352 n. Chr.), ihrem Schutzpatron. Es gibt dort viele prähistorische Funde, Stehende Steine, die Ruine der O’Driscoll Burg, eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert…

Zwei Häfen verbinden die Insel mit dem Festland. Der Nordhafen ist Ziel der Fähren (45 Minuten Fahrzeit vom Festland), der Südhafen wird von Yachten und Segelbooten angefahren. Hierher kommen Wanderer, Hobby-Vogelbeobachter und Ornithologen, Tagestouristen. Die Landschaft ist atemberaubend und bietet herrliche Blicke auf die Bucht der Roaringwater Bay, den berühmten Leuchtturm Fastnet Rock und die Mizen-Halbinsel. Heidekraut und Stechginster bedecken die zerklüftete Hügellandschaft.


 

Anmerkungen und Foto Credits:

Alle Fotos: Sandra Böttcher

* Handschriftlicher Aufsatz 1938 – Mit freundlicher Genehmigung des UCC / aus dem Archiv der National Folklore Collection University College Dublin, Übersetzung Sandra Böttcher

**”A Celtic Pilgrimage on Cape Clear” by Éamon Lankford, Mizen Journal (Mizen Archaeological and Historical Society) No. 9, 2021 – Mit freundlicher Unterstützung von ‘Special Collections & Archives, UCC Library, Übersetzung Sandra Böttcher

Lesetipp: Fionola Finlay und Robert Harris leben an der Roaringwater Bay in West Cork, Irland. In ihrem Blog Roaringwater Journal (engl.) erkunden sie auch Landschaft und Archäologe ihrer Wahlheimat West Cork (Eintrag 14.8.2014, Monoliths, Mysteries and Marriages): KLICK

Eine schöne Hochzeitsstein-Geschichte erlebte, begleitete und beschreibt Tríona, meine Gastgeberin vom B&B auf Cape Clear, auf ihrer Webseite (engl.): KLICK

[ed071121]

This story / page is available in: English