Grüne Postmoderne: Irland hat noch immer ein gravierendes Müll- und Entsorgungsproblem. Die Teilnahme an der öffentlichen Hausmüllabfuhr lässt warscheinlich mehr als in jedem anderen Land West- und Mitteleuropas zu wünschen übrig, die Behörden schauen mangels Melderegister und politischem Willen mehr oder weniger hilflos zu, wie viele Menschen auf der Insel weiterhin ihren Müll verbrennen, vergraben oder einfach in den Wald werfen. Vor allem die steigenden Entsorgungspreise sorgen dafür, dass sich viele Menschen auf der Insel auf die denkbar leichteste Weise von ihren Abfällen trennen: Autotür auf und ab damit in den Wald. Der Sessel im Wald am Cousane Gap in West Cork sieht auf den ersten Blick wie ein Leprechaun-Idyll aus. Erst beim zweiten Hinschauen entpuppt sich das Sitzmöbel als Teil einer wilden Müllhalde mitten im Forst. Ein Sessel steht im Walde — und klagt stumm an.
Übrigens: Mit den Abfällen, die der Mensch direkt aus sich selbst heraus via Toilette entsorgt, ist es nicht anders. Deshalb heißt eine von Irlands großen ungelösten Fragen: Wohin mit den Fäkalien? Die Bürger dürfen eigentlich nur noch zertifizierte Klärgrubenentsorger beauftragen — nur leider wissen auch die oft nicht, wohin mit der Gülle, weil es zertifizierte Entsorgungsanlagen kaum gibt. Es fehlt auch nach wie vor an Kläranlagen, zahlreiche Gemeinden leiten ihre Abwässer mehr oder minder ungeklärt ins Meer. So wandert die Gülle aus den zahlreichen Hausklärgruben . . . im Exkrementetank von Farmen, auf Feldern, oder im Atlantik. Unglaublich ja. Und wahr dazu.
Foto: © 2014 Markus Bäuchle
Auch uns stößt es immer wieder sauer auf, wenn wir sehen, wie die meisten Iren mit ihrer Umwelt umgehen. Aber wenn sie schon auf ihrem eigenen Grundstück nicht für Ordnung und Sauberkeit sorgen können, wie sollte ihnen dann ihre Umgebung noch etwas angehen. Die Vorgärten sehen meist supergepflegt aus, Rasen wird jede Woche kurzgeschnitten, aber geht bitte nicht hinters Haus und schaut in die Sheds. Die Garagen werden als riesige unaufgeräumte Storerooms zweckentfremdet und das Auto steht bei Wind und Wetter draußen.
Wir sind aber trotzdem froh, daß wir nicht an eine Zwangsmüllabfuhr gebunden sind. Wir entsorgen unseren Müll seit Jahren auf eigene Faust (aber nicht illegal). Alles was recycled werden kann, wird zur Bottelbank gebracht, Grünabfälle kommen in den eigenen Komposter oder auf einen dafür vorgesehenen Platz am Ende des Grundstücks. Der Restmüll wird in einem eigens dafür errichteten Kabüffchen gesammelt und drei- oder viermal im Jahr zum Müllplatz gebracht. Ein großer Müllsack kostet uns Euro 3.50. Da der North Kerry Landfill (Müllplatz) in den letzten Jahren sehr expandiert hat, haben wir zur Zeit die Möglichkeit, fast alles kostenlos dort zu entsorgen. Pappe, Papier, Plastikflaschen, Batterien, Spraydosen, Kleidung, Elektrogeräte, Metall und auch größere Mengen von Grünabfällen. Eigentlich so, wie man es aus Deutschland kennt, EU-Norm eben. Man kann auch für Euro 6 vier „gelbe“ Säcke kaufen, wo wir nun auch die Tetrapacks,Plastikbecher- und verpackungen, die wir vorher in den Müll geben mußten, recyclen können. Verstehe übrigens bis heute nicht, warum man nur Plastikflaschen in den Recyclingcontainer geben kann und keine Folie oder Plastikbecher. So belaufen sich unsere jährlichen Müllkosten so um die Euro 40 (wenn wir nicht gerade wieder ein paar Renovierungsarbeiten am Haus unternehmen müssen, wo Bauschutt anfällt). Zusätzliche Spritkosten müssen wir nicht rechnen, da wir den Weg zum Müllplatz mit einem Einkaufstag in Tralee verbinden.
Nun werden bestimmt so einige sagen, diese peniblen und überpedantischen Deutschen. Aber wenn man nicht irgendwann auch hier mal anfängt, den Kleinen schon das Umweltbewußtsein beizubringen, werden sie in ihrem Wohlstandsmüll bald ersticken und sich die Touristen immer mehr vergraulen. Gerade jetzt nach dem Sturm sieht die Landschaft verheerend aus. Überall sind die Wiesen und Straßen mit Plastikflaschen, Plastikverpackungen und Plastikfolien übersät. Die schwarzen Folien von den Silageballen und kunterbunte Säcke von Futtermitteln klemmen in den Hecken und flattern wie Fahnen im Wind. Aber wenn es dann endlich Frühling wird, überdecken die forty shades of green wieder alles und keiner denkt mehr darüber nach.
In diesem Sinne
LG aus Kerry
Ja vielleicht wohnt dort doch ein grünes Männchen und hat seinen Sessel zur Abendstund rausgestellt um in Ruhe sein Bierchen zu schlürfen und ein gutes Buch zu lesen – vielleicht steht ja auch in der Nähe noch das Bett
bzw. der Rest der Wohnung
LG
Michael