Ihr kennt diese pseudowitzigen Postkarten aus den 70er Jahren sicher noch: “Wanne-Eickel bei Nacht”, “Malta bei Nacht”, oder “Ireland at Night”. Es sollte sinngemäß ausdrücken: Dieser Ort ist vergnügungsfrei. Hier herrscht die tote Hose.   
Wer länger schon in Irland lebt, verbindet mit dem Blick auf die schwarze Fläche auch andere Assoziationen: Am Freitagnacht sah ein Teil von Südwest-irland für knapp zwei Stunden wieder einmal in etwa so aus:


Der Blick ins schwarze Nichts ist so etwas wie das TV-Testbild für das wirkliche Leben: Kein Licht, nirgends: STROMAUSFALL. Auf dem Land, fernab der Städte, sitzt man eben mal schnell für ein paar Stunden im irischen Total-Dunkel. Da schlägt ein Blitz in die Stromleitung, da fährt ein Betrunkener den Strommasten um oder der Mast wird vom Sturm gefällt, oder die Netzkapazität ist mal wieder überstrapaziert. Vor allem während der Winterstürme ist an der Küste ein Stromausfall immer mal drin. 


In vielen Häusern leistet man sich zur Überbrückung der stromlosen Zeit alte Ersatztechnologie, die stinkt und doch bestens funktioniert: einen benzingetriebenen Generator, der im Idealfall automatisch anspringt, wenn das Netz keinen Strom mehr liefert, der im Normalfall aber eben mal schnell an die nächste Steckdose gehängt wird und den Ersatzstrom über die Steckdose ins häusliche Stromnetz einspeist (Vorsicht, gefährlich für alle, die damit keine Erfahrung haben!).


Bis vor kurzem wurde der Strommarkt Irlands komplett vom Monopolisten Energy Supply Board, kurz ESB, dem staatlichen Stromlieferanten, beherrscht. Mittlerweile können Privathaushalte den Strom auch vom Staatlichen Gaswerk (Board Gais) und von ein, zwei kleineren Anbietern beziehen. Er wird allerdings noch immer über das alte, stellenweise marode ESB-Netz transportiert. Fairerweise darf gesagt werden, dass die Zahl der Ausfälle im Lauf der Jahre abgenommen hat. Die Großeltern-Generation berichtet gerne von Zeiten, als das Licht noch mehrmals in der Woche ausfiel und aufgrund von Stromschwankungen meist ein wenig flackerte. Diese Zeiten sind endgültig vorbei und der Staat investiert durchaus, mal hier mal dort in stabilere Netze. 


Schade eigentlich. Die Erfahrung eines Stromausfalls sollte man auch künftigen Plug-and-Play-Generationen ermöglichen. Sie ist geradezu existenziell geworden: Kein Licht im Kühlschrank, kein Licht im Haus, kein Strom zum Heizen, kein warmes Wasser, kein Telefon, kein Fön, kein Mixer, kein Fernseher. Kein Problem. Alles gar nicht schlimm, aber: Keine Playstation, kein Wii, kein Computer, kein Internet, kein MySpace, Twitter, Facebook, kein Messenger und kein Bebo. Das geht an die Substanz. Die virtuelle Identität, die längst zur zweiten geworden ist – ausgeknipst. Auf einen Schlag wie ausgelöscht. Für viele Jugendliche (und auch manche Erwachsene) wird ein Stromausfall längst zur Grenzerfahrung.